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39jähriger Erzbischof will auch aus Deutschland die Lutheraner Russlands seelsorgerisch betreuen


Der Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland (ELKR), der 39jährige in Wladiwostok geborene Dietrich Brauer, der jüngst nach Deutschland ausgereist ist, hat der „NG“ versichert, dass er weiterhin die religiöse Organisation leite. Freilich wisse er nicht, wann er in die Russische Föderation zurückkehren werde. Vorerst hat der Erzbischof das Schicksal der ELKR in „Gottes Hände“ gelegt und ihre Leitung seinem Stellvertreter zeitweilig anvertraut.

Vor einiger Zeit war bekannt geworden, dass Erzbischof Dietrich Brauer Russland mit seiner Familie verlassen hatte. Angefunden hat er sich in Deutschland, wo er der Internetseite der Prälatur Reutlingen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ein Interview gewährte (https://www.gustav-adolf-werk.de/nachrichten/russland-deutschland-interview-mit-erzbischof-dietrich-brauer.html). Der lutherische Hierarch teilte mit, dass er mit dem Geschehen in der Russischen Föderation nach Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine nicht einverstanden sei. Später nahm Brauer an einem ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom teil, bei dem Vertreter unterschiedlicher Konfessionen zum Frieden aufriefen.

Nachdem von der Ausreise des Erzbischofs bekannt geworden war, veröffentlichte das Generalkonsistorium der ELKR ein spezielles Schreiben, in dem es erklärte, dass Russlands Lutheraner „eine Einheit mit ihrem Land spüren“. „Wir gehen davon aus, dass unsere Gemeindemitglieder treue Söhne und Töchter unseres Vaterlandes sind, aber verschiedene Überzeugungen und Ansichten haben können. Die Türen unserer Kirchen bleiben für alle offene. Wir betrachten alle Gläubigen als Brüder und Schwestern. Dabei weichen wir in den Gemeinden politischen Diskussionen und Spaltungen aus“, heißt es in der Erklärung. Dies ist ein recht ausgewogenes Dokument, dass die Politiker zum Erreichen von Frieden aufruft und bestätigt, dass die Lutheraner nicht vorhaben, die geistlichen Bande mit den Glaubensgenossen in der Ukraine abreißen zu lassen. Unterschrieben wurde jedoch das Dokument durch den Stellvertreter des Erzbischofs, durch Pastor Wladimir Proworow. Auf dieser Grundlage äußerten einige Experten die Annahme, dass sich Dietrich Brauer von Leitung der religiösen Organisation entweder selbst suspendierte oder von ihr suspendiert worden ist. In einem Schriftwechsel mit der „NG“ versicherte der Erzbischof jedoch, dass er weiterhin als geistliches Oberhaupt der ELKR diene. „Da ich mich nicht in Russland befinde, nimmt ein Stellvertreter meine Pflichten wahr“, erklärte er den Namen von Proworow unter der erwähnten Erklärung.

„Die Zukunft der Kirche liegt stets in den treuen Händen Gottes“, antwortete Brauer auf die Frage danach, wie er das Schicksal der ELKR unter den entstandenen Umständen sehe. „Wir müssen einen schweren Weg gehen. Doch gemeinsam werden wir alles in der von Jesu Christi vermachten Welt und in Ergebenheit zu Seiner evangelischen Wahrheit bewältigen“. In dem Interview für die Internetseite der Evangelischen Landeskirche in Württemberg deutete Brauer an, dass die russischen Staatsbeamten von den Spitzenvertretern der religiösen Organisationen eine bestimmte Haltung hinsichtlich des Geschehens im Donbass und in der Ukraine erwarten würden. „Ich bin der Auffassung, dass unter keinerlei Umständen ein Druck auf religiöse Leader geeignet ist“, erläuterte der Geistliche gegenüber der „NG“. „Im Gegenteil, gerade sie können zu Vermittlern beim Erreichen eines stabilen Friedens werden“.