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Russlands Kohleindustrie kriselt

Förderung und Export sinken spürbar, allein Haushalt des Kusbass wird dadurch in diesem Jahr 65 Milliarden Rubel weniger bekommen

Die Kuriere ignorieren die Betrieben

Russland erlebt eine neue Wende hinsichtlich des Problems des Personalmangels. Institutionen und Ministerien beginnen, die Marketplace-Plattformen, die Bereich der Zustellung und Serviceleistungen, die sich auf eine Wirtschaft des Konsums eingeschossen haben, den Produktionsbetrieben entgegenzustellen, die mehr „gesunde, physisch starke Menschen“ brauchen. Solch eine Erklärung hat man beispielsweise im Ministerium für Industrie und Handel abgegeben, wobei die Mängel der Beschäftigung auf den Marketplace-Plattformen kritisiert wurde. Obgleich in einer der Studien der in Moskau ansässigen Hochschule für Wirtschaftswissenschaften dagegen der Versuch unternommen wird, den Nachweis zu erbringen, dass in Russland vor allem im Dienstleistungssektor der größte Arbeitskräftemangel sei und nicht im IT-Sektor oder selbst nicht in der Industrie. Den Schlussfolgerungen der von der „NG“ befragten Experten nach zu urteilen, liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Es mangelt überall an Arbeitskräften. Es ist aber naiv, die Annahme zu hegen, dass ein gestriger Kurier ohne eine zusätzliche Ausbildung und besondere Stimuli heute zu einem vollwertigen Arbeitnehmer in einem Unternehmen wird.
Die Erklärungen eines der Vertreter des Ministeriums für Industrie und Handel lösten die Wirkung einer kleinen Informationsbombe aus. „Die Zustelldienste ziehen eine gewaltige Anzahl von Arbeitskräften, von Arbeitsressourcen ab. Wir haben gegenwärtig rund 1,5 Millionen Kuriere, und dies sind in der Regel gesunde, physisch starke Menschen. Und so um die halbe Million jener, die für die Marketplace-Plattformen arbeiten, für diese gesamte Infrastruktur des Zusammenstellens von Waren u. a.“, teilte der Direktor des Departments für die Entwicklung des Binnenhandels im Ministerium für Industrie und Handel, Nikita Kusnezow (ihn zitierte die russische staatliche Nachrichtenagentur TASS).
Aber dies ist nicht alles. Kritisiert wurde beinahe eine der Haupterrungenschaften der digitalen Ära. „Einen erheblichen Teil der Verbraucher hat man einfach von der banalen Angewohnheit abgebracht, in Geschäfte zu gehen, das heißt, die Funktionen eben jener Kuriere zu übernehmen“, fügte Kusnezow hinzu.
Experten bestätigen, dass sich die Konsum-Neigungen grundlegend verändert hätten. Und diese Veränderungen haben bereits vor wenigen Jahren, während der (COVID-19-) Pandemie begonnen. Im Ergebnis ist heute der Retail-Markt ein Markt gerade des Käufers, dem sowohl Komfort als auch Geschwindigkeit sowie das Sortiment und die Auswahl an Preisen wichtig sind.
„Die Menschen haben zu schätzen gelernt, wie bequem es ist, wenn man Waren online bestellen kann und man sie nach Hause oder zum entsprechenden Ausgabepunkt, der sich in der Nähe befindet, bringt. Die Nutzen haben sich gleichfalls daran gewöhnt, dass sie die Möglichkeit haben, die Einkäufe auf unterschiedliche Art und Weise zu bezahlen und sie zu jeder beliebigen Tageszeit vorzunehmen“, erläuterte der Generaldirektor des Cloud-Services für das Klein- und mittelständische Business „MeinLager“, Askar Rachimberdijew. „Jetzt wollen die Käufer die Bestellungen noch schneller bekommen und die Möglichkeit haben, sie per pedes von zu Hause aus in Empfang zu nehmen. Die Trümpfe werden jene Verkäufer haben, die den Menschen solch eine Möglichkeit zur Verfügung stellen“.
Wie sich jedoch aus den weiteren Überlegungen des Vertreters aus dem Ministerium für Industrie und Handel ergab, ergeben sich für die Institution Fragen unter anderem hinsichtlich des Finanzmodells einiger erwähnter Service-Anbieter, die um sich eine für die „Produktionssektoren der Wirtschaft“ so defizitäre Ressource wie die Arbeitskräfte aggregieren und damit die Rentabilität bereits anderer Segmente der Wirtschaft gefährden.
Im Pressedienst des Ministeriums für Industrie und Handel erläuterte man später, dass „aufgrund von Nuancen der Regulierung und Rechtsanwendung in mehreren betreuten Branchen die Arbeitsrechtsbeziehungen durch zivilrechtliche ersetzt werden, was die Unternehmen missbrauchen können“. „Und dies löst eine Dysbalance auf dem Arbeitsmarkt aus und provoziert einen Mangel an Personal in anderen Branchen“, zitierte die Nachrichtenagentur TASS eine entsprechende Mitteilung des Ministeriums.
Seine Erklärungen hatte Kusnezow im Verlauf der Rundtischdiskussion „Die Zukunft der digitalen Plattformen und Öko-Systeme“ abgegeben, so dass alle aufgezählten Befürchtungen die Mängel der Beschäftigung durch Handelsplattformen und insgesamt der Plattform-Wirtschaft betrafen, deren Regulierung nach wie vor heftige Streitigkeiten und Diskussionen auslöst.
Dies ist so ein flexibles Format der Beschäftigung und insgesamt der Wirtschaftstätigkeit, das vorsieht, dass alle Prozesse – sei es die Suche nach einem Job und nach Kunden, der Verkauf von Waren und die Erbringung von Leistungen – durch spezielle Online-Plattformen organisiert werden.
Die Ergebnisse der Rundtischdiskussion bilanzierend, teilte die Vereinigung der digitalen Plattformen (VDP) am vergangenen Dienstag mit, dass ihre Teilnehmer drei kritisch wichtige, für die Beziehungen von Staat und digitalen Plattformen vorrangige Richtungen herausgearbeitet hätten.
Die erste Richtung sind das steuerliche Administrieren und die Einhaltung der Steuerdisziplin durch die Geschäftspartner der digitalen Plattformen. „Zu einer möglichen Variante für eine effektive Anhebung der Steuerdisziplin kann die Einrichtung eines abgestimmten Informationsaustauschs zwischen den Plattformen und dem Staat werden“, präzisierte man in der VDP.
Die zweite Richtung sind der Rechtsstatus der Beschäftigten der Plattformen und die Gewährleistung sozialer Garantien. „Gesetzgeberisch müssen die Wirkung der einmaligen, nur der digitalen Wirtschaft eigenen Wirkung der Triade (von Betreiber der digitalen Plattform, von Verkäufer und Käufer) und die Plattform-Unternehmenstätigkeit von allen anderen Formen bilateraler Beziehungen losgelöst sowie ein klarer Rechtsstatus der Beschäftigten der Plattformen verankert werden“, zählte man in der VDP auf.
Und die dritte Richtung ist die Legalisierung, die klare Bestimmung des Status der Arbeitsmigranten.
„Die digitalen Plattformen gewinnen für die Arbeit eine erhebliche Anzahl ausländischer Bürger“, teilte man in der VDP mit. „Dabei gewährleisten die Plattformen einen hohen Grad an Nachverfolgbarkeit der Tätigkeit der Arbeitsmigranten – eine Fotokontrolle der Dokumente, eine Nachverfolgung der Bewegung (Tracks), real genutzte Konten, Bankkarten und Aufenthaltsanschriften“.
Wie am Dienstag der Leiter der Staatsduma-Arbeitsgruppe für die Realisierung der Jahresbotschaft des Präsidenten der Russischen Föderation an die Föderale Versammlung, Alexander Shukow, mitteilte, würden die Abgeordneten warten, dass der Entwurf für das Basisgesetz über die Marketplace-Plattformen-Wirtschaft im kommenden Jahr zur Behandlung ins Unterhaus des Parlaments eingebracht wird.
Derweil wird dagegen in einer der Studien der Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften der Versuch unternommen, den Nachweis zu erbringen, dass es gerade im Dienstleistungsbereich den größten Personalmangel gibt und nicht im IT-Sektor und nicht einmal in der Industrie. „Unsere Analyse demonstriert, dass das Eskalieren der offenen Stellen einen universellen Charakter trug. Es gibt praktisch nicht eine Branche und nicht eine Berufsgruppe, wo in den vergangenen Jahr der Überhang an offenen Arbeitsstellen nicht zugenommen hat, wobei dies in der Regel eine Zunahme um ein Mehrfaches gewesen war“, schreibt Rostislaw Kapeljuschnikow, stellvertretender Direktor des Zentrums für Arbeitsstudien der Hochschule für Wirtschaftswissenschaften, in einer Studie unter dem Titel „Die Eskalation offener Arbeitsstellen auf dem russischen Arbeitsmarkt (Dynamik, Struktur, Trigger)“.
Die vorgenommene Analyse hat aber, wie mitgeteilt wird, viele weitverbreitete Vorstellungen darüber, wo sich heute in der russischen Wirtschaft die Hauptzonen eines „Personalhungers“ befinden, nicht bestätigt. „Zu den Punkten der höchsten Spannungen kann man wohl kaum den Mangel an Ingenieuren und Programmierern rechnen. Außerdem ist entgegen der vorherrschenden Meinung im Dienstleistungsbereich der Mangel an Arbeitskräften weitaus akuter als im Bereich der materiellen Produktion zu spüren“, betonte Kapeljuschnikow.
Es sei präzisiert: Es ist gut, wenn diese Analyse einen Zeitraum von zumindest bis Ende des Jahres 2023 erfasst. Wobei sich im laufenden Jahr das Problem des Personalmangels – und besonders in der Industrie – weiter verschlimmerte.
Wie aber nimmt die Beschäftigung auf den Plattformen, darunter die eigenständige Arbeitstätigkeit, dem realen Wirtschaftssektor Personal weg? Als Antwort auf diese Frage führte man für die „NG“ im Forschungszentrum des Internetportals www.superjob.ru solch ein Beispiel an: „Einen Dreher kann man nicht als einen selbständigen Arbeitnehmer für einen Betrieb einstellen, einen Kurier für einen Zustellservice kann man. Vom Lohn des Drehers muss der Arbeitgeber rund 30 Prozent obligatorische Steuerzahlungen vornehmen, vom Lohn eines eigenständig beschäftigten Kuriers aber nicht. Durch die eingesparten Steuergelder kann man durchaus den Lohn für einen unqualifizierten Kurier anheben und ihn höher als den Lohn eines qualifizierten Drehers in einem Betrieb fixieren“.
Im Endergebnis wechseln die Arbeitnehmer auf natürliche Art und Weise aus dem realen Produktionssektor in den Dienstleistungsbereich, wo die „Verantwortung geringer ist, eine Qualifikation meistens überhaupt nicht gebraucht wird und man mehr bezahlt“, fügten die Analytiker des Internetportals hinzu.
Aber viele von der „NG“ befragte Vertreter des Arbeitsmarktes haben präzisiert, dass es doch nicht ganz richtig sei, so radikal unterschiedliche Formate, Beschäftigungsarten und gar Branchen gegenüberzustellen.
„Der Personalhunger im Land ist so groß und ist in allen Wirtschaftssektoren zu spüren, dass es keinen Sinn macht, dessen Brisanz in den verschiedenen Branchen zu vergleichen“, meint der Operationsdirektor des Personalunternehmens „Ancor“, Alexej Mironow. Nach seinen Worten würden die Service-Anbieter und Market-Plätze ebenfalls mit einem empfindlichen Personalmangel konfrontiert werden, der durch die Transformation des Verbraucherverhaltens bedingt wird (und demnächst in mehreren Regionen Russlands auch durch das Verbot für eine Beschäftigung von Arbeitsmigranten in diesem Bereich – Anmerkung der Redaktion). Und dies hebe nicht auf, dass es ernsthafte Probleme bei der Suche nach notwendigen Spezialisten auch im ingenieurtechnischen Bereich gibt, für den eine starke Dysbalance zwischen Personalnachfrage und -angebot charakteristisch ist.
Dabei könne man aber nicht die eindeutige Schlussfolgerung ziehen, wie die Chefexpertin des Internet-Jobportals www.headhunter.ru für den Arbeitsmarkt, Natalia Danina, sagte, dass ein massenhaftes Verlassen des Arbeitsmarktes durch Kuriere helfen werde, schnell die Personalfrage in der Industrie ad acta zu legen. „Schließlich geht es im ersten Fall um unqualifizierte Arbeit, in Vielem um zusätzliche Nebenverdienste. Und im zweiten – um eine hochqualifizierte Arbeit, die neben einem entsprechenden Lohnniveau auch noch Investitionen in eine Zusatzausbildung, in ein Mentorentum sowie in die Entwicklung des Markennamens des Arbeitgebers erfordert“, betonte Danina.
Außerdem müsse man nach Aussagen der Expertin die Spezifik der Arbeit eines Kuriers verstehen. Dies sei ein Beruf für Leichtfüßige, der sich für ein Geldverdienen durch junge Menschen und unqualifizierte Kader eigne, mit einem großen saisonalen Charakter, der nicht als eine ständige Tätigkeit oder für eine erfolgreiche Karriere begriffen werde. Ja, und der hohe Verdienst bei ihm sei ein kurzfristiger, da er von den Schichten und den physischen Belastungen abhänge.
Die Ursache für das fehlende Gleichgewicht bei den Berufen mit einem Mangel an Beschäftigten liege auf einer anderen Ebene, fügte Danina hinzu. „Dies sind die Diskrepanz zwischen dem System der Ausbildung und den aktuellen Bedürfnissen der Wirtschaft und des Marktes, die demografische Grube, das langjährige Ansehen der Arbeiterberufe und der Karriere in der Produktion als eines, die kein Prestige verdient hatten“.

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