Die vor 50 Jahren begonnene Gas-Kooperation Russlands und Deutschlands ist heute faktisch eingestellt worden. Und am Sonntag konnte man bereits finale Erklärungen der sich trennenden Seiten vernehmen. Russische Beamte demonstrierten Ölflecken am Steuerpult eines nichtfunktionierenden deutschen Pumpaggregates, das einer Instandsetzung bedarf. Und Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte, dass er schon nicht auf eine Wiederaufnahme das Gaslieferungen aus Russland hoffe, und er versprach den Deutschen einen Übergang zur Stromerzeugung und Wärmeversorgung auf der Grundlage von Kohle. Russische Staatsbeamte verhießen ihrerseits den Europäern eine Verschlimmerung der Energiekrise aufgrund der neuen Verteuerung des Erdgases.
Im Februar 1970 hatten die Spitzenvertreter der UdSSR und der damaligen Bundesrepublik Deutschland ein langfristiges Abkommen über den Bau einer Gaspipeline nach Westeuropa und Lieferungen sowjetischen (russischen) Erdgases unterzeichnet. Dieses Abkommen war als „Jahrhundert-Deal“ bezeichnet worden, da es zu jener Zeit das größte in der Geschichte der sowjetisch-deutschen und russisch-europäischen Vereinbarungen gewesen war. Noch vor der Unterzeichnung des historischen Vertrages bekamen die Westdeutschen den mächtigen US-amerikanischen Widerstand gegen diesen „Jahrhundert-Deal“ und gar die panische Angst der Amerikaner vor einer sich vertiefenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit dem Nachbarn im Osten zu spüren. Jetzt können die Amerikaner allem nach zu urteilen hinsichtlich der russisch-deutschen Wirtschaftszusammenarbeit ruhig sein.
Am vergangenen Sonntag erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass er Russland nicht mehr für einen zuverlässigen Lieferanten von Energieressourcen halte. „Seit Dezember vergangenen Jahres haben wir mit dem Bundeswirtschaftsminister und einem Berater des Kanzleramts Antworten auf die Frage gesucht, was wird sein, wenn eine Aussetzung der Gaslieferungen erfolgt“, teilte der BRD-Kanzler mit.
Seinerseits erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates, Dmitrij Medwedjew, auf seinem Telegram-Kanal: „Deutschland ist: а) ein unfreundliches Land, b) hat Sanktionen gegen die ganze Wirtschaft Russlands und dessen Bürger verhängt und c) liefert der Ukraine letale Waffen, die gegen unsere Streitkräfte ausgerichtet sind. Anders gesagt, es hat Russland einen hybriden Krieg erklärt. Folglich handelt Deutschland als ein FEIND RUSSLANDs“. Dabei merkte der russische Ex-Präsident sarkastisch an, dass sich der Bundeskanzler darüber wundere, dass sich für Berlin Wirtschaftsprobleme ergeben würden.
Der Pressesekretär des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, machte ebenfalls die europäischen Politiker für die Arbeitsunterbrechung der Gaspipeline „Nord Stream 1“ verantwortlich. „Wenn die Europäer völlig absurd eine Entscheidung treffen, wonach sie auf eine Servicewartung ihrer Anlagen verzichten, genauer gesagt, von Anlagen, die „Gazprom“ gehören, die sie aber laut Vertrag warten müssen, so ist dies nicht die Schuld von „Gazprom“. Dies ist die Schuld jener Politiker, die die Entscheidungen über Sanktionen angenommen haben“, sagte Peskow in einem Interview für den russischen staatlichen TV-Kanal „Rossia 1“. 2Und jetzt, da es kalt wird, wird die Situation noch schlimmer“, fügte der Kreml-Sprecher hinzu.
Das einzige funktionierende Aggregat von „Nord Stream 1“ war am 31. August für eine laut Reglement vorgesehene technische Wartung abgeschaltet worden. Im Verlauf der Überprüfung wurde ein Austreten von Öl festgestellt. Und Russlands zuständige Aufsichtsbehörde Rostechnadzor untersagte einen weiteren Betrieb des Aggregats und sanktionierte damit die Arbeitseinstellung der Gaspipeline bis zur Beseitigung der „festgestellten überaus groben Verstöße“.
„Das Unternehmens Siemens nimmt an den Instandsetzungsarbeiten entsprechend einem geltenden Vertrag teil, entdeckt Defekte, unterzeichnet ein Protokoll über die Feststellung der Ölaustrittsstellen und ist bereit, sie zu beseitigen. Nur können die Reparaturen nirgends durchgeführt werden“, heißt es in einem „Gazprom“-Kommentar.
Die Gaspipeline „Nord Pipeline“ konnte nach der bis zum 2. September geplanten Wartung ihre Arbeit nicht wiederaufnehmen. In den Aggregaten von Siemens sind Austrittsstellen von Öl festgestellt worden. Dieser Defekt kann nur bei Reparaturen unter Bedingungen eines entsprechenden Spezialunternehmens in Montreal beseitigt werden. Kanada hat aber Sanktionen gegen „Gazprom“ verhängt. „Das Unternehmen Siemens hat zum heutigen Tag praktisch keinerlei Möglichkeit, regelmäßige Generalreparaturen unserer Gaspumpaggregate zu gewährleisten. Das Unternehmen Siemens kann diese Arbeiten schlicht und einfach nirgends durchführen“, erklärte „Gazprom“-Chef Alexej Miller.
Zuvor hatte „Gazprom“ mitgeteilt, dass bei der Durchführung der Regelarbeiten am Gaspumpaggregat Trent 60 (GPA Nr. 24) der Verdichterstation „Portowaja“, die gemeinsam mit Vertretern des Unternehmens Siemens durchgeführt werden, ein Austreten von Öl mit Abdichtmitteln als Fremdstoff an den Steckverbindungen der Klemmverbindungen von Kabellinien der Geschwindigkeitsmessfühler des Rotors für geringen und Zwischendruck festgestellt worden sei.
Der für den Energiesektor zuständige russische Vizepremier Alexander Nowak bestätigte am Sonntag, dass das Unternehmen Siemens die Vertragsbedingungen zur Wartung der Turbinen von „Nord Stream 1“ erfüllen müsse, damit die Gaspipeline weiterhin arbeiten könne. Nowak wies die Vermutungen zurück, dass sich die russische Seite vorsätzlich weigere, die derzeit in Mühlheim-an-der-Ruhr lagernde Turbine von „Nord Stream 1“ anzunehmen, um die Lieferungen nach Deutschland einzuschränken. „Derzeit liegt das ganze Problem gerade auf der anderen Seite. Denn alle Bedingungen des Vertrages zur Instandsetzung sind vollkommen verletzt worden. Verstoßen wurde gegen die Bedingungen zum Transport dieser Anlage. Außerdem wurden Sanktionen sowohl seitens Kanadas als auch seitens der Europäischen Union hinsichtlich der entsprechenden Anlagen verhängt. Daher muss man sie mit den Vertragsbedingungen in Übereinstimmung bringen, damit diese Anlagen wirklich weiterhin arbeiten“, erklärte der russische Vizepremier. (Dass Alexander Nowak dabei aber bewusst die Absprachen von Olaf Scholz und Justin Trudeau bezüglich des in Deutschland lagernden Aggregats ignoriert, wird dabei völlig aus den Augen verloren und von den russischen Staatsmedien überhaupt nicht thematisiert. – Anmerkung der Redaktion)
Die Wintersaison in der westlichen Hemisphäre mit einer großen Anzahl unbestimmter Faktoren kann zu neuen drastischen Preissprüngen auf dem Markt führen, meint Alexander Nowak. Nach seinen Worten „beobachten wir einen Kollaps auf den Energiemärkten Europas“ aufgrund der kurzsichtigen Energiepolitik der EU. „Und dies ist noch nicht das Maximum, denn wir befinden uns vorerst noch in einer warmen Jahreszeit. Der Winter steht uns noch bevor. Und da gibt es viele jegliche Unvorhersehbarkeiten“, warnte er (wohl auch schadenfroh – Anmerkung der Redaktion).
Deutschlands Offizielle versichern jedoch, dass sie ihren Energiesektor des Landes auf den bevorstehenden Winter vorbereitet hätten. „Wir werden durch den Winter kommen“, erklärte Kanzler Scholz. Nach seinen Worten werde das Land die schweren Zeiten überstehen. Die Regierung habe jedoch rechtzeitige Entscheidungen gefällt, um Störungen bei der Stromversorgung in diesem Jahr zu vermeiden. Unter anderem werden Kohlekraftwerke wieder angefahren.
Dabei gab Kanzler Scholz ein 65-Milliarden-Euro-Hilfspaket für die Unterstützung der Bevölkerung vor dem Hintergrund der Zunahme der Inflation und der steigenden Energiekosten bekannt. Der neue Hilfsplan sieht unter anderem ein preiswertes Nahverkehrsticket für die Bevölkerung und Steuervergünstigungen für die Unternehmen, die ihren Energieverbrauch nicht reduzieren und die Kostensteigerungen nicht weitergeben können, vor.
P. S.
Die Redaktion „NG Deutschland“ veröffentlicht an dieser Stelle die „Gazprom“-Mitteilung zu den letzten Überprüfungen des Gaspumpaggregats Trent 60, die am 2. September auf dem Telegram-Kanal des Konzerns veröffentlicht wurde.
„Über die Ergebnisse der Vornahme der technischen Wartung des GPA24 auf der Verdichterstation Portowaja
Bei der Durchführung der durch das technische Reglement vorgesehenen Arbeiten am Gaspumpaggregat Trent 60 (GPA Nr. 24) der Verdichterstation Portowaja, die gemeinsam mit Vertretern des Unternehmens Siemens durchgeführt werden, ist ein Austreten von Öl mit einer Verunreinigung durch Abdichtungsstoffe bezüglich der Steckverbindungen der Klemmverbindungen für die Kabelstrecken der Geschwindigkeitsmessfühler des Rotors für geringen und Zwischendruck festgestellt worden.
Festgestellt wurde Öl an der Kabelsteckverbindung der Anschluss(leiter)platte BPE2, die zum Aggregat gehört.
Öl ist gleichfalls im Bereich der Stromkabellinie am äußeren Anklemmschrank des Systems zur automatischen Steuerung des GPA, an der Außerseite des Lärm- und Wärmedämmmantels festgestellt worden. Das Protokoll über das Feststellen des Austritts von Öl ist auch durch Vertreter des Unternehmens Siemens unterschrieben worden.
Von Rostechnadzor Russlands (die zuständige russische technische Aufsichtsbehörde – d. Ü.) ist die Mahnung erhalten worden, wonach die festgestellten Defekte und Schäden nicht erlauben, einen sicheren störungsfreien Einsatz des Gasturbinenaggregats zu gewährleisten. Daher sind entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und ein weiterer Betrieb des Gaspumpaggregats Trent 60 im Zusammenhang mit den ermittelten überaus groben Verstößen auszusetzen.
Derartige Ölaustritte wurden früher an den GPA mit den Motoren Nr. 75, Nr. 76 und Nr. 120 festgestellt, die eine betriebliche Generalreparatur durchlaufen hatten und sich gegenwärtig im Zustand einer erzwungenen Stillstandzeit befinden. Entsprechend Informationen des Unternehmens Siemens sei eine vollständige Beseitigung des Austretens von Öl an diesen Aggregaten nur unter den Bedingungen eines spezialisierten Instandsetzungsbetriebes möglich.
Ein Schreiben über die festgestellten Defekte des Aggregats Trent 60 (Nr. 24) und die Notwendigkeit deren Beseitigung ist an Christian Bruch, den Vorstandsvorsitzenden der Siemens Energie AG, gesandt worden.
Bis zur Beseitigung der Beanstandungen hinsichtlich der Arbeit der Anlage wird der Gastransport durch die Gaspipeline Nord Stream vollkommen eingestellt.“