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Turkmenistans Präsident hatte alle Finanzströme unter die Kontrolle des Sohns gestellt


Präsident Gurbanguly Berdimuchamedow hat seinen einzigen Sohn Serdar zum Vizepremier ernannt, wobei er für ihn eine neue Funktion einführte. Somit wird dieser nicht nur Stellvertreter seines Vaters – das Oberhaupt Turkmenistans ist gleichzeitig auch der Regierungschef -, sondern erhält auch große Vollmachten zur Kontrolle alle Finanzströme im Land. Die Operation „Nachfolger“, die vor einigen Jahren begonnen hat, ist bisher noch weit von einem Abschluss entfernt. Serdar steht bevor, das Amt des Vorsitzenden des Oberhauses des Landes nach seiner Bildung gemäß der neuen Verfassung einzunehmen, um zum zweiten Mann im Staat zu werden.

Gemäß dem Erlass des Präsidenten wird Serdar Berdimuchamedow gleichfalls dem Sicherheitsrat des Landes angehören und zum Vorsitzenden der Obersten Kontrollkammer von Turkmenistan werden. In dem Dokument heißt es, dass zu den Pflichten des stellvertretenden Leiters des Ministerkabinetts die Arbeit zur Implementierung eines digitalen Systems und innovativer Technologien in alle Produktionsbranchen, in das System der staatlichen Verwaltung und gesellschaftlichen Lebens, aber auch die Vornahme der Kontrolle dieser Tätigkeit gehören werden. Die neue Funktion ist für eine weitere Modernisierung des staatlichen Leitungssystems und zur Verbesserung des Wirkens der Regierung geschaffen worden, meldete die Regierungszeitung „Neutrales Turkmenistan“.

„Es erfolgt eine schrittweise Vorbereitung von Serdar Berdimuchamedow auf die Präsidentschaft. Sie erfolgt aber schon seit sehr langer Zeit. Noch seit der Zeit, als er nach Moskau, in die Diplomatische Akademie zum Studium fuhr. All seine Bewegungen durch die Institutionen sind Teil dieses Plans. Außerdem hat man für ihn die Gesetzgebung mehrmals verändert“, sagte der turkmenische Experte Serdar Aitachow gegenüber der „NG“.

Der heute 39jährige Serdar Berdimuchamedow bekleidete eine Reihe von Funktionen im Außenministerium, in der Staatsagentur für die Verwaltung und Nutzung der Kohlenwasserstoff-Ressourcen und im Parlament. In den Sessel eines Vizepremiers setzte er sich nach dem Amt des Ministers für Industrie und Bauproduktion. Dieses Ministerium musste eiligst für ihn etabliert werden. Als Ursache diente ein Konflikt mit Vertretern der regionalen Elite des Ahal welaýaty (der Ahal-Provinz), wie Aitakow betonte.

Das Amt des Leiters des Ahal welaýaty bekleidete er vom Juli des Jahres 2019 bis einschließlich Februar des Jahres 2020, wo er die Errichtung des neuen Verwaltungszentrums – der Ahal-City – mit einem Wert von 1,5 Milliarden Dollar leitete. Zuvor war dies das Verwaltungsgebiet Aschgabat. Man hatte es aber zu einer eigenständigen Einheit umgewandelt und in Ahal umbenannt. Das Staatsoberhaupt hatte beschlossen, für seinen Nachfolger eine neue Hauptstadt zu bauen (siehe auch „NG“ vom 08.06.2020).

„Im Ergebnis des Konfliktes verlor Serdar Berdimuchamedow die Gunst der Elite. Dies sind aber Vertreter der Sicherheits- und bewaffneten Organe, das Big Business und ein Teil der Schlüssel-Bürokratie. Von deren „öffentlicher Meinung“ ist selbst das Staatsoberhaupt recht abhängig, der genauso wie auch der erste Präsident Saparmurad Nijasow aus dem Stamm der Achaltekkiner kommt. Und mehr noch, Gurbanguly Berdimuchamedow ist den Stammesangehörigen aufgrund des Fürsprechens für ihn gegenüber Nijasow verpflichtet, als ihm Ungnade drohte. Daher hat man Serdar kurzfristig in der Hauptstadt einen Job verschafft“, erläuterte Aitakow.

Das gesamte vergangene Jahr war Serdar Berdimuchamedow aufgrund des Coronavirus im Schatten geblieben. An seiner Stelle tauchte Gurbanguly Berdimuchamedow mit Enkelsohn Kerim im Volke auf. Die Neuernennung eröffnet Serdar Berdimuchamedow große Möglichkeiten und gewährt Vollmachten zur Kontrolle aller Finanzströme sowie der Vornahme von Inspektionen, Überprüfungen usw. „Der Post eines Vizepremiers der Regierung ist wichtig. Serdar wird nicht nur eine Vorstellung über die Finanzströme erhalten, sondern auch den Zugang zu einem gewaltigen Massiv von Dokumenten. Und unter den Bedingungen der turkmenischen Wirtschaft handelt es sich dabei um eine gewaltige Menge an kompromittierenden Unterlagen gegen alle Beamten und Geschäftsleute. Er wird zu jeglichem Zeitpunkt gegen sie „legitime“ Methoden zur Einschüchterung oder Beseitigung zum Einsatz bringen können“, meint der Experte.

Eine Reihe von Fachleuten ist gleichfalls der Auffassung, dass Serdar Berdimuchamedow noch das Amt des Vorsitzenden des Oberhauses des Parlaments erwarte. Ende September vergangenen Jahres hatte das Staatsoberhaupt Änderungen an der Landesverfassung gebilligt, die unter anderem die Bildung eines Zwei-Kammern-Parlaments vorsehen. Der Vorsitzende der Obersten Parlamentskammer – des Halk Maslahaty (des Volksrates – „NG“) – nimmt die Pflichten des Präsidenten Turkmenistans im Falle einer Handlungsunfähigkeit des amtierenden Staatsoberhauptes zeitweilig wahr. Wahlen zum neuen Parlament sollen nach Inkrafttreten der verabschiedeten Verfassungsänderungen in diesem Jahr stattfinden. Der Ex-Präsident hat gemäß den Änderungen das Recht auf eine lebenslange Mitgliedschaft im Halk Maslahaty.

Allerdings beeilt sich Gurbanguly Berdimuchamedow bisher nicht, sich zur Ruhe zu setzen. Dieser Tage zog er eine Bilanz des vergangenen Jahres. „Und obgleich sich das vergangene Jahr für uns alle als ein schweres, als ein schwieriges erwiesen hat, konnten wir ungeachtet der Krise in der Weltwirtschaft Erfolge erreichen und praktisch alle Pläne erfüllen“, sagte das Staatsoberhaupt bei einer Regierungssitzung. Er teilte mit, dass im Land das Wachstum für die nationale Wirtschaft gewahrt wurde. Der Anstieg des BIP machte 5,9 Prozent aus, darunter 3,3 Prozent in der Industrie, 15,1 Prozent im Handel und 4,7 Prozent im Transport- und Fernmeldewesen. Geschaffen wurden rund 12.000 neue Arbeitsplätze. In das Bauwesen wurden über 38 Milliarden Dollar investiert. In Betrieb genommen wurden 45 große Produktions- und soziale Objekte mit einem Gesamtwert von acht Milliarden Dollar. Im Jahr 2020 sind Hochschuleinrichtungen, Zentren des Gesundheitswesens sowie Kultur- und Sportstätten eröffnet worden. Fortgesetzt wird die Arbeit zur Transformation der Wirtschaft und deren Umstellung auf marktwirtschaftliche Wirkungsmechanismen. Für eine weitere erfolgreiche Entwicklung des Landes werden nach Aussagen des Staatsoberhauptes „neue Projekte gebraucht, neue Ideen und Leitungsmethoden“.