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Von einem Springbrunnen und Andropow bis zu Dzierżyński und Alexander Newskij


Die Entscheidung darüber, was für ein Denkmal auf dem Lubjanka-Platz aufgestellt werden soll und ob es dort überhaupt nötig ist, werden die Moskauer treffen. Die hauptstädtische Öffentliche Kammer schlägt dem Bürgermeisteramt vor, eine entsprechende Abstimmung auf der Internetplattform für Online-Befragungen „Aktiver Bürger“ zu organisieren. Derweil wird die Zahl der Varianten dafür, was man im Zentrum von Moskau verewigen sollte, immer größer. Bürger Russlands unterbreiten immer mehr Varianten vor und sammeln Anhänger, die dann das jeweilige Projekt bei der Abstimmung unterstützen können. Außer der Skulptur von Felix Dzierżyński, mit der aufgrund der Idee ihrer Rückkehr auf den Lubjanka-Platz auch die Diskussion begonnen hatte, schlägt man vor, ein Monument zu Ehren von Großfürst Iwan III., Alexander Newskij oder Jurij Andropow zu errichten oder ganz und gar den historischen Springbrunnen wiederherzustellen.

Die Diskussion darüber, was für ein Denkmal auf dem Lubjanka-Platz stehen sollte und werde es dort überhaupt gebraucht, war am Vorabend bei einer Sitzung der Kommission der Öffentlichen Kammer Moskaus für die Entwicklung der Zivilgesellschaft eröffnet worden. Der hauptstädtische Chefarchitekt Sergej Kusnezow erklärte, dass es an diesem Ort historisch eine gewisse architektonische Dominante gegeben hätte, die die Komposition des Platzes bestimmte, und er sei nicht gegen deren Wiederherstellung. Was jedoch zu dieser Dominante werden kann, ist eine Diskussionsfrage. Schon jetzt ist klar, dass es viele Varianten gibt. Und es werden immer mehr Initiativgruppen. Aber eine von ihnen per Beamtenentscheidung auszuwählen bedeutet, alle übrigen zu kränken. Und daher ist vorgesehen, die Städter zur Klärung der Frage hinzuziehen. Die Vertreter der Öffentlichen Kammer beabsichtigen, sich an das Bürgermeisteramt mit dem Vorschlag zu wenden, im März auf der Internetseite „Aktiver Bürger“ eine Abstimmung über das Objekt zu organisieren, das man auf dem Lubjanka-Platz errichten könne. Es sei daran erinnert, dass der Service „Aktiver Bürger“ von den städtischen Behörden regelmäßig für die Durchführung von Befragungen der Moskauer zu unterschiedlichen Themen genutzt wird. Gegenwärtig sind auf dieser Internetseite 4,8 Millionen Menschen registriert.

Es wird angenommen, dass man den Städtern vorschlagen wird, ein Objekt aus einer gewissen Short-List auszuwählen, die durch Experten, Architekten, Vertreter des öffentlichen Lebens und von Initiativgruppen gebildet wird. Mit jedem Tag werden es immer mehr Vorschläge. Es sei daran erinnert, dass den Startschuss für die Streitdiskussion darüber, ob auf dem Lubjanka-Platz irgendein Denkmal nötig ist bzw. gebraucht wird, eine Gruppe von Vertretern des öffentlichen Lebens, Bloggern und Schriftstellern gab, die sich an die Offiziellen Moskaus gewandt hatten, wobei sie dazu aufgerufen hatten, die Skulptur von Felix Dzierżyński an den historischen Platz zurückzubringen, die 1958 aufgestellt und 1991 entfernt worden war und bereits mehr als 20 Jahre im Park „Museon“ steht. Nach Meinung der Autoren dieser Initiative werde das zurückgekehrte Denkmal für den Gründer der Tscheka (Abkürzung für die Außerordentliche Allrussische Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage – Anmerkung der Redaktion) auf dem Lubjanka-Platz das Denkmal für die Opfer politischer Repressalien – den Solowezkij-Stein – besonders betonen. Die Idee löste eine stürmische Reaktion aus – einige unterstützen sie, andere aber üben Kritik.

Der Sondervertreter von Präsident Wladimir Putin für internationale kulturelle Zusammenarbeit, Michail Schwydkoi, betonte, dass das auf dem Lubjanka-Platz aufgestellte Denkmal „eine Konsolidierung der Gesellschaft befördern“ müsse und nicht „Zwistigkeiten und Streitereien“ auslösen dürfe. „Warum nicht für Andropow (Jurij Andropow war Vorsitzender des KGB und nach dem Tod von Leonid Breschnew kurzzeitig Staatsoberhaupt der UdSSR – „NG“) beispielsweise, der im Leben dieses Ortes eine größere Rolle als Dzierżyński gespielt hatte?“, fragte sich der ehemalige Kulturminister, als er bei der Tagung der Kommission der hauptstädtischen Öffentlichen Kammer zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und öffentlichen Kontrolle auftrat.

Bald danach wandten sich mehrere dutzend Historiker, Publizisten und Vertreter des öffentlichen Lebens gleichfalls an Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin, wobei sie vorschlugen, auf dem Lubjanka-Platz nicht den „Eisernen Felix“ aufzustellen, sondern ein Denkmal für den Großfürsten von Moskau Iwan III, den sie als „Gründer des geeinten unabhängigen Russlands“ bezeichneten. Diese Idee unterstützte nicht nur der Weltkongress des russischen Volkes (der durch den orthodoxen Geschäftsmann Konstantin Malofejew angeführt wird – Anmerkung der Redaktion), sondern auch der Weltverband der Altgläubigen. „Iwan III. ist der erste Führer unseres Staates, der in sich die russische, byzantinische und westliche Identität vereinte. Somit ist er eine Brücke zwischen der russischen und der westlichen Kultur“, sagte Leonid Sewastjanow, der Vorsitzende des Verbands. Seinen Worten zufolge würden sich die Altgläubigen als die geistigen Nachfahren von Iwan III. ansehen, da „sie in sich das Erbe der Rus vor der (Kirchen-) Spaltung und vor der Zeit der Romanow-Dynastie verkörpern, d. h. jenen Teil unserer Geschichte, der im heutigen Russland unzureichend repräsentiert wird“. Sewastjanow fügte hinzu, dass die Geheimdienste im alten Russland lange vor Dzierżyński entstanden seien, gerade unter Iwan III., den die Zeitgenossen Iwan den Großen genannt hatten.

Iwan III. ist nicht der einzige Fürst, den man an diesem symbolträchtigen Ort zu verewigen vorschlägt. „Auf dem Lubjanka-Platz in Moskau kann man ein Denkmal für Alexander Newskij oder Dmitrij Donskoi aufstellen“, schlug Andrej Batalow, stellvertretender Generaldirektor der Museen des Moskauer Kremls, bei der Tagung der Öffentlichen Kammer Moskaus vor.

Der Eiserne Felix kann potenziell selbst mit dem heiligen Namensvetter konkurrieren. „Auf dem Lubjanka-Platz muss ein Objekt Platz finden, das durch die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft geachtet wird. Gerade daher schlagen wir vor, hier eine Kapelle zu Ehren des heiligen Märtyrer Felix zu errichten“, erklärte bei der bereits erwähnten Tagung der Publizist Pawel Danilin. „Dies ist eine bei den Christen verehrte Figur, die für keinerlei Gruppe der Gesellschaft zu einem Reizfaktor wird“.

Es gibt auch jene, die aufrufen, die Errichtung von mit der Politik verbundenen Objekten auf dem Lubjanka-Platz zu vermeiden. „Ein leeres Blumenbeet (im Sinne: ohne irgendwelche andere dekorative Elemente – Anmerkung der Redaktion) ist bestimmt auch solch ein Symbol für das neue Russland. Der Appell, an diesem Ort das vor 30 Jahren abgerissene Dzierżyński-Denkmal wieder aufzustellen, dies ist kein Durchbruch zur Wiederherstellung einer gewissen historisch-architektonischen Gerechtigkeit, sondern das Streben, „die Situation zuzuspitzen“. Übrigens, an dieser Stelle befand sich in den Jahren von 1835 bis 1934 der Nikolaj-Springbrunnen, eine Arbeit von Iwan Vitali. Heute befindet er sich im Neskutschny Garten, intakt und unversehrt. Zumindest kann man ihn wiederaufstellen, wenn schon die räumliche Unvollkommenheit so sehr juckt“, nimmt der Schriftsteller Denis Dragunskij an.