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Berlin versucht, die Brücken mit Russland zu bewahren


Johann Saathoff, der im Sommer vergangenen Jahres das Amt des Koordinators der deutschen Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft übernommen hat, konnte erstmals seit sechs Monaten nach Russland kommen. Hauptanlass waren Veranstaltungen im Rahmen des Deutschland-Jahres in Russland, das im Jahr 2021 stattfindet. Zu einem seiner Hauptereignisse wurde die große deutsch-russische Ausstellung „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“ in der Staatlichen Eremitage von Sankt Petersburg. Und an der Abschlusszeremonie hatte Saathoff teilgenommen. Die Schau hatte die Aufmerksamkeit des Publikums auf die europäischen Wurzeln der russischen Kultur akzentuiert. Und allem nach zu urteilen, war dieser Aspekt, die Nähe Russlands zu Europa nicht nur aus geografischer Sicht, sondern auch in geistiger Hinsicht, das Bestimmende für den jetzigen Besuch des deutschen Gastes.

Unter den Bedingungen der gegenwärtigen Zuspitzung der Beziehungen der Russischen Föderation mit den Ländern der Europäischen Union wird das Deutschland-Jahr in Russland zu einem überaus wichtigen Faktor, der die existierenden Brücken in den Beziehungen beider Länder zu bewahren erlaubt. Leider hat sich auf der Internetseite des russischen Außenministeriums kein Platz für eine Mitteilung über diesen Besuch gefunden. Mehr noch, es entsteht der Eindruck, dass das russische Außenamt geneigt ist, solch ein wichtiges Ereignis im Leben beider Länder zu ignorieren. Doch dieses Jahr, zu dessen Unterstützung der hochrangige deutsche Gast gekommen war, ist schließlich aus vielerlei Hinsicht ein besonderes Vorhaben. Deutschland wird dem russischen Publikum in seiner ganzen Mannigfaltigkeit vorgestellt – als ein modernes und weltoffenes Land, das fest in den europäischen Strukturen verwurzelt ist. Darunter mit seinen intensiven und sich über Jahrhunderte hinweg herausgebildeten Wechselbeziehungen mit Russland.

Die Position des russischen Außenministeriums wird natürlich in Vielem durch die schwierige Situation bestimmt, die in den Beziehungen Moskaus sowohl mit Brüssel als auch mit Berlin entstanden ist. Der „Fall Nawalny“ hat die bilateralen Beziehungen extrem zugespitzt. Und in Russland macht man sich sogar Gedanken über einen Austritt aus dem Europarat aufgrund des Nawalny-Falls, wenn man anhand der Kommentare sowohl von Politikern als auch Beamten des Außenministeriums urteilt.

Betont werden muss die prinzipielle Haltung von Johann Saathoff, der, als die Geschichte mit Alexej Nawalny gerade erst anfing, gegen irgendwelche Restriktionen für die Entwicklung der Beziehungen der Zivilgesellschaften Deutschlands und Russlands selbst unter Berücksichtigung der entstandenen Widersprüche plädierte. Dies erklärte der deutsche Politiker eindeutig gegenüber der Deutschen Welle im Verlauf seiner Russland-Reise. Mehr noch: Als Russland-Beauftragter, Mitglied des außenpolitischen Bundestagausschusses und Koordinator der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in der Bundesversammlung zu Fragen der Energiepolitik war er kategorisch gegen eine Verknüpfung der politischen Meinungsverschiedenheiten mit der Wirtschafts- und Energie-Zusammenarbeit. Bei einer Begegnung mit dem Vorsitzenden des Staatsduma-Ausschusses für Energiefragen Pawel Sawalnyj in Moskau betonte der deutsche Gast, dass es heute in den Beziehungen Russlands und Deutschlands viele Probleme gebe. Doch sie dürften nicht die Zusammenarbeit im Energiebereich beeinflussen, da sie für die gemeinsame Zukunft wichtig sei. Das Wichtigste sei heute in diesem Bereich der Abschluss des Baus der Gaspipeline „Nord Stream 2“. Nach Meinung von Saathoff sei es, da dies ein kommerzielles Vorhaben sei, das sich bereits in einem sehr fortgeschrittenen Fertigstellungszustand befinde, sowohl gegenüber dem Business als auch gegenüber den Bürgern verantwortungslos, es aufgrund politischer Ursachen aufzugeben, womit all seinen Beteiligten ernsthafte Verluste beschert werden würden. Wie Saathoff anmerkte, bestehe die Aufgabe darin, „Brücken zu bauen und sie nicht zu zerstören“. Es wäre gut, wenn nicht nur die Vertreter der russischen Wirtschaft diese Position vertreten würden, sondern auch die Staatsbeamten, von denen in Vielem das Klima in den Beziehungen beider Länder abhängt.