Weißrussen haben eine Petition zum Schutz der unabhängigen Anwaltschaft vorbereitet. Die Arbeit der Juristen nicht zu behindern, rufen europäische Kollegen auf. Die offiziellen bereiten sich derweil darauf vor, die unabhängige Anwaltschaft auf Gesetzesebene zu verbieten.
Unter der Petition zur Verteidigung der unabhängigen Anwaltschaft haben bisher über 4.000 Weißrussen unterschrieben. Sie wird für ein Unterschreiben noch bis zum 26. März zugänglich sein. Danach wird geplant, das Dokument an die Regierung und das Justizministerium zu senden.
In der Petition wird konstatiert, dass sich der Druck auf die Verteidiger politischer Häftlinge verstärke. Und die sich in Vorbereitung befindlichen Veränderungen in der Gesetzgebung über die Anwaltstätigkeit würden die unabhängige Anwaltschaft im Land völlig vernichten. Die sind durch den Entwurf des Gesetzes „Über die Änderung von Gesetzen zu Fragen der Anwaltstätigkeit“ vorgesehen, den die Herrschenden hinter dem Rücken der Öffentlichkeit vorbereitet haben. Irgendwer hat ihn ins Internet gestellt.
Die wichtigste Neuerung ist, dass den Anwälten, die individuell oder in Anwaltsbüros tätig sind, verboten wird, mit Ordnungsrechts- und Strafrechtsfällen zu arbeiten. Dies bedeutet, dass Rechtshilfe hinsichtlich solcher Fälle nur die Anwälte gewähren können, die in Büros für Rechtskonsultationen tätig sind, die sich unter einer direkten Kontrolle des Justizministeriums befinden. Außerdem sieht die Gesetzesvorlage eine vollständige Kontrolle des Zugangs zum Anwaltsberuf durch das Justizministerium vor. Alle Referendare muss das Justizministerium bestätigen. Ohne dessen Billigung wird es gleichfalls unmöglich sein, die Vorsitzenden der territorialen Anwaltskollegien zu ernennen.
„Die Republik Belarus muss als ein Mitgliedsstaat der UNO der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Anwälte, die Rechtshilfe gewähren, von den Organen des Innern und der Staatsanwaltschaft besondere Aufmerksamkeit schenken. In den Prinzipien und Leitlinien der UNO wird die Wichtigkeit dessen unterstrichen, dass die Anwälte ihre Arbeit „frei und unabhängig“ erfüllen können, ohne eine Einmischung der staatlichen Organe“, heißt es im Wortlaut der Petition. Im Zusammenhang damit fordern ihre Autoren, den Entwurf des Gesetzes „Über die Änderung von Gesetzen zu Fragen der Anwaltstätigkeit“ zu überarbeiten und aus ihm die Normen auszuschließen, die den Anwälten, die individuell tätig sind, und Anwaltsbüros verbieten wird, mit Ordnungsrechts- und Strafrechtsfällen zu arbeiten; eine öffentliche Diskussion des Gesetzentwurfs durchzuführen, aber auch den Druck auf Anwälte zu beenden.
Auf die Situation mit dem rechtlichen Schutz in Weißrussland hat man in Europa das Augenmerk gelenkt. Der Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft (CCBE) richtete an das Justizministerium Weißrusslands einen Appell. Sein Text wurde im Twitter-Account der Organisation veröffentlicht. Der CCBE ruft Weißrusslands Justizministerium auf, die Entscheidung über den Entzug der Lizenzen der Anwälte Ludmilla Kasak, Michail Kiriljuk, Konstantin Mikhel und Maxim Konan aufzuheben, da er davon überzeugt ist, dass dies mit deren Arbeit in Bezug auf politisch spektakuläre Fälle zusammenhänge. Gleichfalls wird das Justizministerium gebeten, die Verfolgung von Anwälten wegen einer „öffentlichen Kritik an der Situation mit den Menschenrechten in Weißrussland“ zu beenden.
Die Staatspolitik hinsichtlich der Anwaltschaft illustriert der Auftritt des Vorsitzenden des Weißrussischen republikanischen Anwaltskollegiums Viktor Tschaitschiz auf der jüngsten Konferenz des Minsker städtischen Anwaltskollegiums. Dessen Text veröffentlichte am Dienstag das Menschenrechtszentrum „Vesna“ („Frühling“). Viktor Tschaitschiz ruft die Anwälte auf, auf „politische Erklärungen“ zu verzichten und keine Fakten einer Verletzung von Menschenrechten zu veröffentlichen, ihre Mandanten nicht als politische zu bezeichnen und den Handlungen von Staatsangestellten zu bewerten. Er sprach ebenfalls über die sich in Vorbereitung befindlichen Änderungen in der Gesetzgebung über die Anwaltschaft und rief die Kollegen auf, „die Situation nicht zu dramatisieren“ und weiter zu arbeiten, sich dabei von den Anweisungen der staatlichen Behörden leiten zu lassen. Der Leiter des Weißrussischen republikanischen Anwaltskollegiums versprach, dass, wenn die Anwälte seinen Ratschlägen Gehör schenken und „sich aus der Politik raushalten“ würden, „das Gesetz für uns erheblich milder und weitaus besser“ ausfallen werde. „Tschaitschiz versucht, die Anwälte für die Liquidierung der Unabhängigkeit der Anwaltschaft durch den Staat verantwortlich zu machen, die aktiv und prinzipiell die Rechte der Mandanten verteidigen und sich über Verletzungen der Rechte äußern, anstatt im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben des Vorsitzenden des Weißrussischen republikanischen Anwaltskollegiums die Anwaltschaft zur Verteidigung dieser Unabhängigkeit zu mobilisieren“, kommentierte der Jurist von „Vesna“ Alexej Loiko die Situation.
„Wenn man alle Anwälte, die auf dem Gebiet des Strafrechts praktizieren, in eine juristische Konsultation zusammenfasst, ist es bei Bestehen jener Vollmachten, die der Leiter hat, und bei Bestehen der Regel, wonach die Leiter in Abstimmung mit dem Justizministerium ernannt werden und der Vorsitzende des Kollegiums mit dem Justizministerium abgestimmt wird, und bei der Möglichkeit des Justizministeriums, die Lizenzen sogar ohne eine disziplinarische Prozedur zu beenden oder zu einer Attestierung vorzuladen, unmöglich, solche Bedingungen als Unabhängigkeit zu bezeichnen“, bewertete der Anwalt Dmitrij Lajewskij (er verteidigt den Ex-Chef der Belgazprombank Viktor Babariko) die Konsequenzen der Verabschiedung der vorgeschlagenen Änderungen.
„Das Sahnehäubchen auf der Torte ist der Entwurf der Gesetzesänderungen, der … vorsieht, dass die Referendare durch das Justizministerium bestätigt werden, die Mitglieder des Kollegiumsrates durch das Justizministerium bestätigt oder ernannt werden. Das heißt: Wenn solche Änderungen vorgenommen werden, wird keiner gegen den Willen des Justizministeriums zu einem Anwalt werden. Aber wenn einer zu einem Anwalt wird, kann der Rat des Kollegiums, der durch das Justizministerium bestätigt worden ist, die Unebenheiten bzw. Reibungspunkte regulieren. Und auf das wird man einen Punkt setzen können“, schreibt der Jurist auf seiner Internetseite.
Wie dieser Tage bekannt wurde, kann Sergej Sikrazkij seine Anwaltslizenz verlieren. Ihr wurde vorgeschlagen, eine außerplanmäßige Neuattestierung am 24. März zu durchlaufen. Das teilte der Anwalt auf seiner Internetseite mit. Sergej Sikrazkij verteidigt oft Journalisten, die jetzt zu einer Zielscheibe für die Offiziellen geworden sind.