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Wem gereicht in Russland der Konflikt mit dem Westen zum Nutzen


Der Vorsitzende der führenden Fraktion im Europaparlament – der Europäischen Volkspartei -, Manfred Weber, hat sich für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen, wenn die Lage im Donbass zu einer angespannten wird. Moskau, so Weber, setze den „Kurs gefährlicher Provokationen“ fort und strapaziere die Geduld des Westens, indem es Truppen an der Grenze zur Ukraine stationiere. Nach Aussagen des Politikers könnten zu wirksamen Sanktionen eine Abschaltung Russlands vom System SWIFT oder das Einfrieren von Oligarchen-Konten werden.

Zuvor hatten Besorgnis über die Dislozierung russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine europäische Führungsspitzen bekundet, unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Kreml erwiderte, dass sich die Militärs über das Territorium ihres Landes bewegen würden und sie dazu das volle Recht hätten. Der Pressesekretär des russischen Präsidenten Dmitrij Peskow erklärte, dass „niemand vorhat, sich auf einen Krieg mit der Ukraine einzulassen und keiner irgendeine Möglichkeit solch eines Krieges akzeptiert“. Dabei könne nach seinen Worten die Führung der Ukraine an sich den Wunsch haben, „die inneren Probleme mit Gewaltmethoden zu lösen“, was für die Russische Föderation gefährlich sei.

In den Jahren des Donbass-Konfliktes haben sich die Positionen und der Diskurs der Seiten nicht verändert. Russland behauptet, dass es selbst keine Seite des Konfliktes sei und jedes Mal gezwungen sei, nur auf die Aktivität der „Hitzköpfe“ in Kiew zu reagieren. Ihrerseits erklärt die Ukraine, dass all ihre Handlungen eine Antwort auf die militärische Präsenz Russlands in der Region seien. Die westlichen Länder sind geneigt, den Kiewer Standpunkt zu unterstützen. Und das Normandie-Verhandlungsformat hört auf, ein effektives zu sein. Unter anderem auch aufgrund der generellen Spannungen in den Beziehungen Moskaus und des Westens. Man kann sich schwer vorstellen, dass Russland aus Furcht vor Sanktionen die Truppen abziehen wird. Dies würde vollkommen der Verhaltenslinie widersprechen, an die Wladimir Putin alle gewöhnt hat: Er wird niemals unter einem Druck handeln oder zumindest nicht so vorgehen, dass dies wie Handlungen unter Druck erscheinen könnte.

Manfred Weber erinnerte auch an die Gesundheit von Alexej Nawalny. Deren Verschlechterung müsse nach Meinung des Politikers ebenfalls zu einem Anlass werden, die Sanktionen zu verschärfen. Es hatte den Anschein, dass vor dem Hintergrund des ungelösten Problems Nawalnys und des Zustands der Beziehungen mit dem Westen, der an den Kalten Krieg erinnert, Russland überhaupt keine neuen Spannungsherde schaffen sollte. Doch die Logik des Moskauer Verhaltens in der ukrainischen Frage ist bereits vorgegeben. Der Donbass ist ein ungelöstes Problem: Russland kann ihn weder angliedern noch als einen unabhängigen anerkennen und an Kiew abtreten. Wenige Monate vor den Parlamentswahlen nimmt die russische herrschenden Elite selbst ein gefährliches Spiel auf, denn der Kontext kann von ihr entschlossene Handlungen hier und jetzt verlangen. Sie würde aber wahrscheinlich gern solch ein Szenario vermeiden.

Zur gleichen Zeit jedoch macht gerade die Perspektive von Sanktionen den Offiziellen der Russischen Föderation keine große Angst. Die russische herrschende Elite hat bereits mehrere Wellen von Restriktionen überlebt, hat sich an die neue Normalität gewöhnt. Überdies ist für den Teil der Elite, der aus Vertretern der bewaffneten und Rechtsschutzorgane besteht, die Situation eines klaren, offensichtlichen Konflikts mit dem Westen ein natürliches Umfeld. Nur wenn sich die Vertreter der bewaffneten und Rechtsschutzorgane in ihr befinden, können sie effektiv (wie ihnen scheint) das Land lenken.

Die Beziehungen von Staaten, dies ist stets eine Balance zwischen einem Konflikt und einem Kompromiss. Die Bewegung in Richtung eines Kompromisses bedeutet, dass jegliche neuen Privilegien für die Militärs und Geheimdienste aufhören, aktuelle zu sein. Der Fokus der Aufmerksamkeit verlagert sich in Richtung der realen sozial-ökonomischen Probleme. Und von der Fähigkeit, sie zu lösen, hängt das Vertrauen gegenüber den Offiziellen ab. Die Vertreter der bewaffneten und Rechtsschutzorgane aber sind es einfach nicht gewohnt, das Land unter solchen Bedingungen zu führen.

Sanktionen sind ein völlig anderes Element. Jegliche Wirtschaftsprobleme kann man mit dem äußeren Druck erklären. Jegliche erleichterten Arbeitsbedingungen für die Geheimdienste – damit, dass „der Feind vor dem Tor“ steht. Dies bedeutet nicht, dass die Vertreter der bewaffneten und Rechtsschutzorgane selbst auch vorsätzlich die westlichen Sanktionen provozieren (obgleich man dies auch nicht ausschließen kann). Damit kann man aber durchaus deren Unwillen erklären, die Ursachen für die Sanktionen zu beseitigen, kürzer zu treten und sich zu bemühen, einen Kompromiss zu erreichen. Sie spüren das Umfeld, in dem sie ihr Mandat verlängern und verstärken können.