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Den Kaspi-Energieressourcen bahnte man einen Korridor nach Europa


Ende vergangenen Jahres ist das Projekt des „Südlichen Gaskorridors“ abgeschlossen worden. Im Ergebnis des Baus der Transanatolischen Gaspipeline (TANAP), die das letzte Glied des „Südlichen Gaskorridors“ darstellt, hat das aserbaidschanische Erdgas einen Zugang zum europäischen Markt erhalten. Dadurch wird Aserbaidschan sein Gas direkt in Länder Südeuropas liefern können.

Geometrie der Pipelines

Die Geschichte der Projekte für Kaspi-Pipelines reicht bis Anfang der 90er Jahres des vergangenen Jahrhunderts zurück. Gerade damals waren viele Vorhaben für Pipelines ausgearbeitet worden, darunter für den Export aserbaidschanischer Kohlenwasserstoff-Ressourcen. Sie sollten den Zugang für die Kaspi-Kohlenwasserstoffe auf die internationalen Märkte unter Umgehung des russischen Territoriums sichern.

Besonderes Augenmerk der westlichen Länder galt Aserbaidschan. Es hatten sich die geografische Lage des Kaspi-Staates und die gesammelten Erfahrungen auf dem Gebiet der Förderung von Kohlenwasserstoffen ausgewirkt. Die USA und die EU betrachteten das Erdöl Aserbaidschans und später auch das Gas dieses Kaspi-Landes als eine potenzielle Quelle von Ressourcen für künftige Pipelines, die in westlicher Richtung verlaufen.

Es erfolgte ein Ringen um die Auswahl von Routen für den Export der künftigen Mengen an Kaspi-Kohlenwasserstoffen zwischen Russland und dem Westen. Die potenziellen Pipelines wurden als ein mächtiges Instrument des geopolitischen Einflusses in der Kaspi-Region und gleichzeitig als alternative Routen für den Transport von Kohlenwasserstoffen in die europäischen Länder betrachtet.

Aserbaidschans Politik

Das Interesse Aserbaidschans für die Realisierung von Gaspipeline-Projekten ergab sich nach der Entdeckung von großen Gasfeldern. Dementsprechend führte dies zur Aufnahme einer industriellen Gasförderung und zur Verwirklichung des Vorhabens für eine Gaspipeline. Bis zum Jahr 2006 wurde die Gasleitung Baku-Tbilissi-Erzurum gebaut (verläuft fast parallel zur Baku-Tbilissi-Ceyhan-Pipeline – Anmerkung der Redaktion). Das Projekt sicherte den Zugang aserbaidschanischen Gases zur Türkei, die ihrerseits durch die Pipeline-Infrastruktur ans Kaspische Meer gelangte.

Aserbaidschan unterstützte aktiv das großangelegte „Nabucco“-Gaspipeline-Projekt, dass die EU vorantrieb. Seine Realisierung sollte eine Integrierung Aserbaidschans und dessen Kohlenwasserstoff-Ressourcen in den europäischen Gasmarkt sichern. Die EU vermochte jedoch nicht das ambitionierte Pipeline-Vorhaben zu realisieren. Dies verhinderte das Fehlen der erforderlichen Gasmengen für die geplante „Röhre“. Außerdem hätte man die Gaspipeline auf dem Grund des Kaspischen Meeres verlegen müssen, wogegen Russland und der Iran aufgetreten waren.

Im Ergebnis all dessen unterzeichneten Aserbaidschan und die EU im Jahr 2011 eine Deklaration über die Realisierung des Projekts „Südlicher Gaskorridor“. Das Vorhaben umfasste drei Teile: die Gaspipeline Baku-Tbilissi-Ceyhan, die Transanatolische Pipeline (TANAP) und die Transadriatische Pipeline (TAP).

Die TANAP erhielt von der Europäischen Union Unterstützung, die damit rechnete, die Quellen für den Erhalt von Erdgas zu diversifizieren. Dieses Vorhaben war für Aserbaidschan interessant, das die Möglichkeiten für den Export seines Gases auf den europäischen Markt zu erweitern suchte. Die Interessiertheit von Baku und Ankara an dessen Verwirklichung, aber auch die politische Unterstützung seitens der EU und der USA schufen günstige Bedingungen für den Bau der Gaspipeline.

Im Jahr 2012 signierten Aserbaidschan und die Türkei einen Vertrag über den Bau der Transanatolischen Pipeline. Im Mai 2018 wurde diese Gaspipeline in Betrieb genommen. Sie beginnt ab der georgisch-türkischen Grenze und endet an der Westgrenze der Türkei. Die Leistung der Pipeline beträgt 16 Milliarden Kubikmeter im Jahr.

Im Jahr 2016 billigte die EU-Kommission den Bau der Transadriatischen Gaspipeline (TAP). Und bereits Ende des vergangenen Jahres war das Projekt verwirklicht worden. Diese Leitung verläuft über das Territorium Griechenlands und Albaniens und auf dem Meeresgrund der Adria bis nach Italien. Ihre Leistung soll jährlich 16 Milliarden Kubikmeter ausmachen. Dabei sind sechs Milliarden Kubikmeter für die Türkei bestimmt, die verbleibenden zehn Milliarden Kubikmeter sind für die europäischen Länder Italien, Griechenland und Bulgarien.

Somit haben sich am Vorhaben „Südlicher Gaskorridor“ Aserbaidschan, Georgien, die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Albanien und Italien beteiligt. Die Gesamtlänge der Energieroute beträgt 3500 Kilometer. Gegenwärtig bleibt die einzige Quelle zum Auffüllen der Gaspipelines, über die die aserbaidschanischen Kohlenwasserstoffe auf den europäischen Markt exportiert werden, das im Kaspischen Meer gelegene Schah-Denis-Feld.

Bilanzierung

Der Abschluss der Schaffung des „Südlichen Gaskorridors“ wurde zum Ergebnis der langjährigen Anstrengungen Aserbaidschans, der Türkei, der EU und der USA zur Gestaltung einer neuen Infrastruktur, die für den Export der Kaspi-Kohlenwasserstoffe bestimmt ist.

Die Schaffung des Energiekorridors ist vor allem für Aserbaidschan vorteilhaft. Es erhielt die Möglichkeit, das geförderte Gas direkt in europäische Ländern — nach Griechenland und Italien – zu liefern. Zur gleichen Zeit hat die Involviertheit Aserbaidschans in die Energieversorgung der europäischen Länder dessen Abhängigkeit von der europäischen Energiepolitik verstärkt. Die EU erhielt einen mächtigen Hebel zur Beeinflussung des offiziellen Bakus, da sich die aserbaidschanische Wirtschaft in einer starken Abhängigkeit von der Förderung und dem Export der Kohlenwasserstoffressourcen, aber auch von den Preisen für Öl und Gas befindet.

Die Realisierung des „Südlichen Gaskorridors“ entspricht auch den Interessen der Türkei. Ankara hat seine Positionen verstärkt, da es die Möglichkeiten für eine Kontrolle der Gaslieferungen in die europäischen Länder erweiterte und die Mengen des Exports an aserbaidschanischem Gas beeinflussen kann. Durch die Kontrolle des Gasventils hat Ankara seine Positionen erheblich verstärkt.

Die Schaffung des „Südlichen Gaskorridors“ entspricht überdies den Interessen der Länder Südeuropas. Sie haben die Möglichkeit erhalten, das Gas direkt und über eine sichere Route zu liefern. Es wird erwartet, dass bereits in diesem Jahr 6,2 Milliarden Kubikmeter aserbaidschanischen Gases nach Europa gelangen werden, und in den weiteren Jahren werden die Lieferungen erhöht werden. Insgesamt hat die EU die Quellen für den Erhalt von Gas diversifiziert, indem es Lieferungen aus der Kaspi-Region erreichte.

Die Realisierung des „Südlichen Gaskorridors“ haben die Vereinigten Staaten unterstützt. Beginnend ab den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben die US-amerikanischen Administrationen angestrebt, der Pipeline-Infrastruktur in der Kaspi-Region ein neues Format zu verleihen. Die Einschränkung einer Beteiligung des Irans an neuen Pipeline-Projekten und das Anlegen neuer Exportrouten unter Umgehung des russischen Territoriums waren Schlüsselaufgaben der Washingtoner Politik in der Kaspi-Region. Die USA unterstützen nach wie vor die Gestaltung eines Pipelinesystems, das die Lieferungen von Kohlenwasserstoffen in der Richtung Ost-West gewährleisten soll. In dieser Frage rechnet auch Aserbaidschan im Weiteren, dass es sich auf die politische Unterstützung der Vereinigten Staaten und der EU stützen kann, die die neuen Pipelines als eine Alternative zur russischen Richtung der Lieferungen von Kohlenwasserstoff-Ressourcen ansehen.

Perspektiven des Energie-Korridors

Nach Vollendung des Baus der Transadriatischen Gaspipeline wurde die Schaffung des „Südlichen Gaskorridors“ abgeschlossen. Die projektierte Leistung sollen die zum Korridor gehörenden Pipelines in den nächsten Jahren erreichen. Dies lässt zumindest das Tempo der Gasförderung in Aserbaidschan erwarten, das in den letzten Jahren angestiegen ist. Im Jahr 2020 machte die Gasförderung 36,7 Milliarden Kubikmeter aus. Es stehen die Erschließung und Ausbeutung neuer Felder in Aserbaidschan bevor, deren Gas die Pipelines füllen soll. Bisher sind die aserbaidschanischen Gaslieferungen durch die gebauten Pipelines unerheblich. Im vergangenen Jahr lieferte Aserbaidschan rund elf Milliarden Kubikmeter Gas in die Türkei.

Die Projekte der Pipelines, die im letzten Jahrzehnt in Betrieb genommen wurden, haben anfangs die Möglichkeit einer Erhöhung ihrer Kapazität vorgesehen. So war hinsichtlich der TANAP die Rede von einer Steigerung der Durchlassfähigkeit bis auf 31 Milliarden Kubikmeter bis zum Jahr 2026 und in Bezug auf die TAP – bis auf 20 Milliarden Kubikmeter. Eine Steigerung der Menge an zu exportierendem Gas ist jedoch nur bei einer Forcierung der Gasförderung in Aserbaidschan möglich. Dabei kann eine Erhöhung des Exports an Kohlenwasserstoffen nur im Falle einer Zunahme des Gasverbrauchs in den europäischen Ländern erfolgen. Nur dann kann man eine Zunahme der aserbaidschanischen Gaslieferungen erwarten.

Hier ergeben sich jedoch für Aserbaidschan viele Frage. Einerseits rechnet Baku damit, in den nächsten zehn Jahren einen bestimmten Anteil des europäischen Gasmarktes einzunehmen. Für die Verwirklichung dieser Aufgabe werden erhebliche Investitionen vorgenommen. In dieser Frage kann Baku mit der Unterstützung der EU und der USA rechnen, die die aserbaidschanischen Kohlenwasserstoffe als eine Alternative zu den russischen Ressourcen betrachten. Zur gleichen Zeit müssen Aserbaidschan und die anderen Kaspi-Anrainerstaaten die ambitionierten Pläne der EU zur Dekarbonisierung der Wirtschaft ins Kalkül ziehen. Bis zum Jahr 2025 rechten die EU damit, in dieser Frage signifikante Veränderungen zu erreichen und den Verbrauch fossiler Ressourcen zu reduzieren, wobei die Rolle des Gases nur in der Übergangsperiode anerkannt wird. Derzeit ist es schwer zu sagen, wie erfolgreich die Umsetzung der Pläne sein wird, die durch die EU verkündet wurden. Man kann jedoch erwarten, dass die Anstrengungen der europäischen Länder letztlich zu einer Verringerung des Gasverbrauchs führen werden. Dies kann die physischen Mengen der Gaslieferungen aus Aserbaidschan reduzieren.

Solange dies nicht geschehen ist, rechnet Aserbaidschan damit, neue Lagerstätten zu erschließen und auszubeuten, die erlauben werden, die Gasförderung zu steigern und zusammen damit die Gasexporte nach Europa zu forcieren. Dementsprechend werden in den nächsten Jahren die Anstrengungen Aserbaidschans, der Türkei und der anderen Teilnehmer des „Südlichen Gaskorridors“ auf die Gestaltung von Bedingungen für das Erreichen der projektierten Leistung durch das Pipelinesystem ausgerichtet sein.

Zu Beginn dieses Jahres haben Aserbaidschan und Turkmenistan den Streit über die Zugehörigkeit eines Feldes im Kaspischen Meer geregelt (bekannt ist es in Turkmenistan als „Serdar“- und in Aserbaidschan als „Kyapaz“-Feld). Die turkmenisch-aserbaidschanischen Vereinbarungen ließen die Diskussion zu den Fragen wiederaufleben, die mit der Beteiligung von Aschgabat an unterschiedlichen transkaspischen Projekten zusammenhängen. Erörtert werden unter anderem Varianten, bei denen turkmenisches Gas über das Territorium Aserbaidschans einen Zugang zu Europa erhält.

Es ist jedoch schwerlich zu erwarten, dass Aserbaidschan in den nächsten Jahren ein reales Interesse an den turkmenischen Ressourcen bekunden wird. Baku rechnet damit, die eigene Förderung zu steigern, was erlauben wird, die Kapazitäten des Energiekorridors auszulasten und in der Perspektive auch den Gasexport durch diesen zu erhöhen. Bisher beteiligt sich die aserbaidschanische Seite aktiv an der Erörterung der Idee für den Bau einer Transkaspischen Gaspipeline. Dieses Vorhaben kann jedoch für Aserbaidschan nur in einem Fall interessant sein – bei einem Mangel an eigenen Ressourcen, die für ein Befüllen der vorhandenen Pipelines und bei einem drastischen Anstieg des Verbrauchs in Europa nötig sind. Dementsprechend verliert Baku im Falle einer Steigerung der eigenen Gasförderung, die erlauben wird, die Pipelines des „Südlichen Gaskorridors“ zu befüllen, das Interesse am turkmenischen Gas. Solange dies nicht geschehen ist, kann man erwarten, dass die Ideen zur Realisierung der Transkaspischen Gaspipeline und turkmenische Gaslieferungen nach Europa noch mehrfach im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen werden.

Als ein konsequenter Anhänger der Umsetzung des Projekts der Transkaspischen Gaspipeline treten die USA auf. Die amerikanische Seite agiert für die Idee einer Beteiligung Turkmenistans an Gaslieferungen für den europäischen Markt. Ungeachtet der geringen Wahrscheinlichkeit des Vorhabens und der Notwendigkeit dessen Abstimmung mit den anderen Kaspi-Anrainerstaaten initiieren die Vereinigten Staaten ständig dessen Erörterung.

In der fast 30jährigen Geschichte des Bestehens als ein unabhängiger Staat vermochte Aserbaidschan die Förderung von Kohlenwasserstoff-Ressourcen zu steigern. Mit Unterstützung der Türkei, der USA und der Europäischen Union wurden neue Pipelines gebaut, die Lieferungen aserbaidschanischer Kohlenwasserstoffe auf den türkischen Markt sicherten und später sie auf den europäischen Markt gebracht haben.

Die Verwirklichung des „Südlichen Gaskorridors“ und die Menge an Kohlenwasserstoffen, die durch ihn exportiert werden, werden in den nächsten Jahren keinen grundlegenden Einfluss auf den europäischen Gasmarkt ausüben. Man kann in der Zukunft jedoch nicht ausschließen, dass sich im Falle einer Aufstockung der Liefermengen aus Aserbaidschan – und dies kann nach Erhöhung der Leistung der vorhandenen Pipelines und einer Steigerung der LNG-Liefermengen erfolgen – die Konkurrenz auf dem europäischen Gasmarkt verstärken wird.