Mitstreiter von Alexej Nawalny haben Informationen von Medien, wonach sein Team beschlossen habe, nach Georgien zu gehen und dorthin das Studio für die Herstellung von Videos zu verlegen, als Fake bezeichnet. Sie behaupten, dass einige Mitarbeiter der Stiftung für Korruptionsbekämpfung (die SKB ist in Russland als ein ausländischer Agent anerkannt worden) sich einfach in Georgien erholen würden. Zuvor war die Auflösung der Stäbe von Alexej Nawalny bekanntgegeben worden. Man bereitet sich darauf vor, sie wie auch die SKB als extremistische Organisationen anzuerkennen – mit allen sich daraus für die Mitarbeiter ergebenden Konsequenzen.
Bereits im April wurde bekannt, dass der einstige Vizeenergieminister der Russischen Föderation und heutige Mitstreiter von Nawalny, Wladimir Milow, Russland aufgrund Befürchtungen einer Festnahme verlassen hat. Gemeldet wird, dass er sich in Litauen niedergelassen habe. Dort befindet sich auch der Koordinator der aufgelösten Nawalny-Stäbe Leonid Wolkow. Der Gründer der SKB selbst bleibt im Gefängnis, und die Organisation Amnesty International hat ihn wieder auf ihre Liste der politischen Häftlinge gesetzt.
Anders gesagt: Die um Nawalny vereinigten Oppositionellen gehen de facto in die Illegalität. Sie verwandeln sich in eine Vereinigung politischer Emigranten und Untergrundkämpfer. Endgültig und unweigerlich ändert sich ihre Denkweise, in Richtung einer stärkeren Radikalität, Kompromisslosigkeit und eines Revolutionären. Das legale politische Feld ist diesen Menschen nunmehr unzugänglich. Folglich verwandeln sie sich auf professionellen bzw. Berufsoppositionellen in Berufsrevolutionäre. Und dieser Trend kann zu einem dominierenden werden. Den revolutionären Diskurs beginnen nach den Nawalny-Vertretern andere Vertreter der Opposition und hinsichtlich der Herrschenden kritisch eingestellten Publizisten unterschiedlicher Anschauungen aufzugreifen.
Der Übergang der Anhänger Nawalnys zu den Illegalen und ihre Transformation zu Revolutionären-Untergrundkämpfern beeinflussen unweigerlich den Charakter des Kampfs um die Macht in Russland. Vom Wesen werden die konsequentesten und entschieden eingestellten Gegner der herrschenden Elite zu neuen Bolschewiken. Ihre Gemeinschaft ist eine revolutionäre Kaste, die durch die Erfahrungen sowohl aus der Überwindung und den Leiden als auch aus dem erstarkenden Misstrauen gegenüber anderen geeint wird. Bemerkenswert ist, dass gerade die Anhänger Nawalnys lange Zeit gezwungen sein werden, sich zu wählerischen und verdächtigenden zu machen.
Die Abgeschlossenheit und das Misstrauen – eine beinahe Tschekisten-Psychologie. Und man kann sagen, dass die neuen Tschekisten den alten eine Herausforderung stellen. Das Privileg der neuen Generation besteht darin, dass sie weitaus besser die digitalen Technologien versteht und sie ausnutzt. Im Großen und Ganzen verlagert sich das Wirken der Untergrundkämpfer in das Internet. Gerade dort stellen sie den Kontakt mit ihrem Publikum her, posten sie kompromittierendes Material über die Herrschenden. Die gegenwärtige Tschekisten fühlen sich ihrerseits in diesem Umfeld sehr unkomfortabel, verhalten sich äußerst inakkurat. Von daher unter anderem das Bestreben der Vertreter der bewaffneten und Rechtsschutzorgane, das Internet einzuschränken, es unter ihre Kontrolle zu stellen.
Die außerparlamentarische, die Nicht-System-Opposition hört unter solchen Bedingungen auf, öffentliche Debatten mit den Offiziellen zu konkreten Problemen anzustreben. Sie arbeitet nur für eine Demontage des Regimes und die Mobilisierung ihres Elektorats im Internet. Die Vertreter der herrschenden Elite haben in der von der Opposition projektierten Realität keinerlei Perspektiven. Daher werden sie sich mit jeglichen Mitteln an der Macht festklammern. Dabei ist das Wichtigste – und das Gefährlichste – für das Land das, dass sich im Milieu der Berufsrevolutionäre eine Elite etabliert, die hinsichtlich ihrer Angewohnheiten und ihres Denkens der heutigen analog ist. Auf die Ablösung einer herrschenden Kaste bereitet sich eine andere vor, eine in sich geschlossene, kompromisslose und revanchistische. Und es kann keinerlei Gewissheit dahingehend geben, dass sie ein neues demokratisches Paradigma für die Führung des Landes mit sich trägt. Diejenigen, die erzwungenermaßen zu neuen Bolschewiken geworden sind, werden eher in Russland das Format einer Kasten-Herrschaft reproduzieren. Diese Bewegung im Kreis ist schwerlich zu stoppen.