Die COVID- oder Impf-Pässe (CovPass) werden für Europa bald zu einer Realität. In Deutschland wird man sie bereits noch vor Beginn der Sommerferien, die für die meisten Bundesländer in der zweiten Juni-Hälfte beginnen, einführen. Es handelt sich dabei um ein spezielles Programm für Smartphones. Dieses Programm vermittelt ein vollständiges Bild von der Vakzinierung der jeweiligen konkreten Person oder über das Vorhandensein von Antikörpern bei denen, die am Coronavirus erkrankten. Der elektronische COVID-Pass, der – wie angenommen wird – sich in Form eines speziellen Programms auf allen Smartphones der Bürger der EU-Länder befinden wird, wird laut Berichten von n-tv unter Führung des US-amerikanischen Konzerns IBM realisiert. Seine Anpassung an deutsche Smartphones nehmen in Deutschland die Unternehmen Ubirch, Bechtle und Covdigital vor.
Es ist klar, dass die neuen einzuführenden oder geplanten Regeln die Einreise der Personen in die EU-Länder erschweren wird, die nicht mit den dort zum Einsatz zugelassenen Vakzinen geimpft worden sind. Bekanntlich betrifft dies auch die Bürger Russlands, die beinahe durchweg einheimische Vakzine nutzen. Mehr noch, die einseitig von der EU einzuführenden Maßnahmen können vom Wesen her zu einem neuen „eisernen Vorhang“ werden, die den Zugang von Bürgern Russlands nach Europa wesentlich einschränken.
Es stellt sich die traditionelle Frage, wer hat Schuld und was tun. Augenscheinlich muss man damit beginnen, dass die Idee des COVID-Passes von Anfang an im Kreml keine Billigung gefunden hatte. Bekannt ist die Äußerung von Dmitrij Peskow, des Pressesekretärs des Präsidenten der Russischen Föderation, dass die russische Führung bisher weit von einem gemeinsamen Standpunkt hinsichtlich einer Vereinbarung mit anderen Ländern zur Frage nach einem Zertifikat, dass eine Vakzinierung bestätigt, entfernt sei. Jetzt eilen die Ereignisse den Vorstellungen der russischen Beamten voraus. Aber Klarheit hinsichtlich einer Veränderung ihrer Position zu dieser Frage gibt es keine. Die Diskussion in dieser Hinsicht verlagert sich in den Bereich einer Anerkennung des russischen Impfstoffs Sputnik-V im Westen, der auf Russlands Territorium die größte Verbreitung bzw. Anwendung gefunden hat. Die Fragestellung ist vom Prinzip her eine richtige. Obgleich ohne solch einen formellen Aspekt wie die Einführung eines COVID-Passes in Russland selbst die Anerkennung des russischen Vakzins wenig für eine Bewegungsfreiheit für die Bürger Russlands über die Grenzen Europas.
Das Wichtigste ist aber die Frage nach dem Erhalt eines entsprechenden Zertifikats von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Für dessen Erhalt ist eine Zusendung der gesamten Dokumente, die die Tests und Herstellung von Sputnik-V betreffen, an die Adresse dieser Agentur erforderlich. Wie die französische Zeitung „Le Monde“ betont, sei solch ein Antrag durch Russland bereits Ende Januar dieses Jahres eingereicht worden. Wie aber Anfang April der deutsche Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte, hänge die Registrierung von Sputnik-V in der EU direkt vor der Vorlage aller Daten bei der europäischen Aufsichtsbehörde EMA durch die russische Seite ab. Somit entsteht der Eindruck, dass Russland nicht alle für eine Zulassung erforderlichen Daten der EMA vorgelegt hat.
Der „NG“ ist es nicht gelungen, diesbezüglich einen Kommentar der russischen Seite zu bekommen, obgleich sie sich mit einer schriftlichen Anfrage sowohl an das Gamaleya-Institut als auch an das russische Gesundheitsministerium gewandt hatte. Der „NG“ wurde mitgeteilt, dass die ausgewiesenen Institutionen zur Gewährung eines Interviews zum Thema Sputnik-V vorerst nicht bereit seien. In diesem Zusammenhang muss die geplante zweite Inspektionsreise einer EMA-Delegation zwecks Überprüfung von „klinischen und Produktionsobjekten“ in Russland, die mit der Herstellung von Sputnik-V verbunden sind, alarmieren. Bisher ist schwer einzuschätzen, wer wirklich an der Schaffung bürokratischer Hindernisse für die Reisen von Bürgern Russlands nach Europa schuldig ist – die russischen Beamten oder Russlands Gegner in der EU. Vom Prinzip her können ein Interesse an einer Einschränkung der Kontakte von Russlands Bürgern und der Europäer sowohl die einen als auch anderen haben.
P.S. der „NG Deutschland“
Am 20. Mai jährt sich zum 30. Mal der Jahrestag des Falls des Eisernen Vorhangs für die Bürger Russlands, da an diesem Tag 1991 der Oberste Sowjet der damaligen Sowjetunion das Gesetz über die Modalitäten für die Ein- und Ausreise verabschiedete. Es öffnete die Grenzen gen Westen, auch wenn die Anlaufschwierigkeiten dazu erst nach drei Jahren überwunden worden war. Vor diesem Hintergrund bedrückt es, dass jetzt viel schneller Restriktionen in Kraft gesetzt werden und dementsprechend auch ein neuer „Eiserner Vorhang“ viel schneller auftauchen kann.