Während sich Russland mit einer Deeskalation der Situation in den grenznahen Gebieten der armenisch-aserbaidschanischen Grenze befasst, entfaltet die Türkei in dieser Region des Südkaukasus eine aktive militärische und Wirtschaftstätigkeit. Der Transport- und Infrastrukturminister der Türkei Adil Karaismailoğlu weilte dieser Tage in Bergkarabach. Und Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew unterzeichnete eine Anordnung, der entsprechend türkischen Unternehmen die strategischen Erzgruben Gaschgatschai, Elbeidasch und Agdusdag, die sich auf früher von Armenien kontrollierten Territorien befinden, für einen Zeitraum von 30 Jahren zur Erkundung, Erschließung und Ausbeutung übergeben worden sind.
Quellen in Baku melden, dass gerade unter Beteiligung von Karaismailoğlu die Unterzeichnung der Abkommen über die Übergabe der „sehr wertvollen“ Erzgruben an türkische Firmen erfolgte. Wie die aserbaidschanischen Medien schreiben, weise die im Südosten der Region Kelbadschar gelegene Erzgrube Agdusag mindestens bis zu 100 goldhaltige Quarz- und Quarz-Karbonat-Adern. Und in fünf von ihnen sei eine Goldmineralisierung von industrieller Bedeutung bestimmt worden (der durchschnittliche Goldgehalt lag bei 6,72 Gramm je Tonne). Offene Informationen über die Lagerstätten Gaschgatschai und Elbeidasch liegen bisher nicht vor. Wie Karaismailoğlu mitteilte, „wird die Türkei dem Bruder- und befreundeten Aserbaidschan alle erforderliche Hilfe in Bergkarabach sowohl mittels ingenieurtechnischer Projekte als auch Technologien gewähren“.
Die wirtschaftliche Expansion der Türkei in die Region wird auch durch Verteidigungsprojekte unterstützt. Diese Unterstützung äußert sich in einer Einbeziehung Aserbaidschans in permanente gemeinsame Manöver, die regelmäßig auf dem Territorium beider Länder stattfinden. Ja, und auch jetzt beteiligen sich aserbaidschanische Einheiten auf dem Territorium der Türkei an den Manövern „Anatolischer Phoenix – 2021“, an denen gleichfalls Militärs aus Qatar und der Türkischen Republik Nordzyperns teilnehmen. Und in Baku erfolgte am Donnerstag die 13. Tagung des aserbaidschanisch-türkischen Militärdialogs auf hoher Ebene. In deren Verlauf wurden Fragen diskutiert, die mit der Erweiterung der Zusammenarbeit Bakus und Ankaras „im militärischen, militär-technischen und militärischen Ausbildungsbereich“ zusammenhängen. Wie Aserbaidschans Verteidigungsminister, Generaloberst Zakir Hasanov, mitteilte, „ist solch eine Zusammenarbeit einer der grundlegenden Faktoren, die die Stabilität in der Region sichern“.
Bei den ständigen Grenzkonflikten mit Armenien verspricht die Türkei Aserbaidschan militärische Hilfe und Unterstützung und realisiert sie bereits. Türkische Spezialisten nehmen an der Minenräumung der Gebiete teil, in denen im vergangenen Herbst Kampfhandlungen stattgefunden hatten. Ankara nimmt zusammen mit russischen Militärs ein Luftraum-Monitoring der Situation in Bergkarabach vor, wohin Friedenstruppen aus der Russischen Föderation entsandt worden sind. Es scheint, dass der Einsatz türkischer Drohnen in der Konfliktzone bereits Spannungen auslöst. In den sozialen Netzwerken wurde dieser Tage ein Video gepostet, auf dem zu sehen ist, wie über Stepanakert eine Drohne großer Abmessungen kreiste, die der türkischen Aufklärungs- und Kampfdrohne Bayraktar TB2 ähnelte. Beobachter betonen, dass diese Drohne auch im Luftraum an der Grenze Aserbaidschans und des armenischen Verwaltungsgebietes Sjunik festgestellt worden sei. Sie sind sich sicher, dass die Drohne nicht durch die offiziellen Monitoringressourcen Russlands und der Türkei verfolgt werde. Dabei wurden keinerlei offiziellen Erklärungen weder in Baku noch in Jerewan sowie weder in Moskau noch in Ankara abgegeben. Aber allein das Auftauchen der effektiven Luftangriffswaffe in der Konfliktzone löst Besorgnis aus und alarmiert.
Gerade der Einsatz der Bayraktar-TB2-Drohnen durch die aserbaidschanische Armee hatte im vergangenen Jahr Baku den Sieg über die armenischen Truppen in der Zone des Bergkarabach-Konfliktes gebracht. Allem Anschein nach ist die Türkei bereit, Aserbaidschan bei der Herstellung dieser Art von Luftkampfwaffen zu helfen. Das Internetportal „Voice of Turkey“ berichtete, dass „Verhandlungen über die Eröffnung eines Werks von Baykar Makina in Aserbaidschan geführt werden“. In Aserbaidschan wirkt eine Filiale des türkischen Rüstungsunternehmens Aselsan, dessen Generaldirektor sich vor zwei Monaten mit Ilham Alijew getroffen hat. Nach Meinung von Beobachtern werde Aserbaidschan neben Drohnen andere türkische Waffen produzieren. Es sei angemerkt, dass die Ukraine bereits Triebwerke für perspektivreiche türkische Drohnen baut und sich auf die Herstellung von Drohnen auf ihrem Territorium vorbereitet. Und darüber ist man in Moskau sehr ungehalten, da nach Meinung des Kremls Kiew aggressive Pläne hege. Wahrscheinlich bergen diese türkischen Projekte neben den geopolitischen Problemen für die Russische Föderation Bedrohungen und Gefahren unterschiedlicher Art, darunter auch auf dem Gebiet des Waffen-Business.
Der schweizerische Fernsehkanal SRF kam zu der Schlussfolgerung, dass die Türkei mit dem Export von Erzeugnissen des Militär-Industrie-Komplexes nicht nur auf die NATO, sondern auch auf Russland Druck ausübe. Es wird unter anderem berichtet, dass „Bayraktar-Drohnen in Libyen, Syrien und Bergkarabach eingesetzt wurden“. „In allen Fällen unterlagen die Seiten, die traditionell durch Russland unterstützt werden, dem Gegner. Etwas Ähnliches kann jetzt in der Ukraine passieren“, schlussfolgern die Analytiker des Fernsehkanals. Und sie resümieren: „Ankara treibt ein gefährliches Spiel. Moskau wird nicht untätig bleiben, wenn die Erzeugnisse der türkischen Rüstungsindustrie immer mehr die Interessen der Russischen Föderation stören. Andererseits fühlt sich die Türkei zuversichtlich, denn die Liste der Käufer wird immer länger und länger – von Marokko, Tunesien und Qatar bis Saudi-Arabien – die Hälfte Nordafrikas und arabische Länder“, lautet das Fazit der Spezialisten.
„Leider ist Russland bisher nicht in der Lage, die Türkei daran zu hindern, ihre Militär-Industrie-Projekte im postsowjetischen Raum zu erweitern. Und unter Berücksichtigung der geopolitischen Interessen Ankaras verliert Moskau vorerst auch hier, da der Sanktionsdruck des Westens, aber auch die Begrenztheit seiner Verteidigungsressourcen eine negative Rolle spielen“, erklärte der „NG“ der Militärexperte Oberst Schamil Garejew. „Im Südkaukasus aber versucht Moskau, zum Preis hoher Unkosten sowohl zuliebe Bakus als auch Jerewans – sozusagen neutral – seine Positionen zu verstärken. Und durch die kostspielige friedensstiftende Operation, aber auch durch eine aktive militär-diplomatische Beteiligung an der Regulierung der Situation an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze werden diese Positionen augenscheinlich verstärkt werden“.