Am Mittwoch, dem 30. Juni ist in Kaluga die XVI. bilateralen Städtepartnerkonferenz zu Ende gegangen, an der über 350 Vertreter deutscher und russischer Städte und Kommunen teilgenommen hatten. Sie signalisierte klar, dass die Grundlage der deutsch-russischen Beziehungen die Zivilgesellschaften bilden. Beide Seiten unterstrichen, dass sie auch weiterhin entschieden darauf eingestellt seien, die Zusammenarbeit in den Städten und Kommunen zu verstärken.
Bei der Eröffnung der Konferenz erklärten Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow in ihren Grußadressen die Bereitschaft zum Dialog. Bundesaußenminister Heiko Maas betonte in einer Videobotschaft, dass „die Antwort auf die Turbulenzen in unseren Beziehungen nicht weniger, sondern mehr Dialog zwischen Deutschland und Russland“ sei.
Vor Beginn der Veranstaltung hatten Deutschlands Botschafter in Moskau, Dr. Géza Andreas von Geyr, gemeinsam mit dem Mitglied des Föderationsrates (das Oberhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion), Senator Anatolij Artamonow, dem Sondervertreter des Präsidenten der Russischen Föderation für internationale kulturelle Zusammenarbeit Michail Schwydkoi sowie hochrangigen Vertretern des Verwaltungsgebietes Kaluga Blumen am Grab des Unbekannten Soldaten zur Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkrieges niedergelegt. „Wir Deutschen wissen, was für eine Verantwortung auf uns liegt und sind für die Versöhnung dankbar“, erklärte Botschafter Géza Andreas von Geyr.
Später wandte sich der hochrangige Diplomat an die Teilnehmer der Konferenz. Im Verlauf seiner Grußworte unterstrich er die Bedeutung der XVI. Städtepartnerkonferenz Russlands und Deutschlands, die einer der Kulminationspunkte des Programms des gegenwärtigen Deutschlandjahres in Russland 2020/2021 sei und dem der Gedanke von der Vielfältigkeit zugrunde liege. Nach seinen Worten rücke diese Konferenz gleichfalls die Mannigfaltigkeit in den Vordergrund – die Vielfältigkeit der Kontakte zwischen den Menschen, aber auch eine Vielfältigkeit des Austauschs über die Linie der Zivilgesellschaften mit einem offenen und freien Diskurs.
„Das Miteinander der Zivilgesellschaften zeigt das Interesse der Menschen zweier Länder aneinander und gibt den Beziehungen zwischen Staaten ihren eigentlichen Charakter“, unterstrich der Botschafter.
Er betonte, dass damit werde die Konferenz auch eine positive Wirkung auf die deutsch-russischen Beziehungen in den kommenden Jahren entfalten werde und damit eine wahre „Konferenz der Zukunft“ sei.
Zu Beginn der Konferenz fand eine Podiumsdiskussion statt, die der Frage galt, was die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Politik für die deutsch-russischen Beziehungen leisten könne. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit befanden sich eine Retrospektive auf die tragische Geschichte beider Länder und der 80. Jahrestag des Überfalls von Nazi-Deutschland auf die Sowjetunion am 22. Juni.
Im Rahmen einer ganzen Reihe von Arbeitssektionen wurden konkrete Pläne und Vorschläge für die Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Kommunen formuliert. In diesem Zusammenhang wurde der Verstärkung der Zusammenarbeit in der Wirtschaft und dem Gesundheitswesen Aufmerksamkeit geschenkt. Im Bereich der Berufsausbildung wurden Tandemprogramme im Rahmen einer dualen Ausbildung diskutiert. Eine besondere Richtung in der Arbeit des Forums bildeten Fragen der kommunalen Praxis, die die Bürger in beiden Ländern bewegen, darunter qualitätsgerechter und erschwinglicher Wohnraum, die Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs, der Bau von Schulen und Kindergärten. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit einer der Arbeitsgruppen stand die aktuelle Relevanz der Erinnerungen an den 22. Juni 1941 für eine Intensivierung der bilateralen Beziehungen. Diese Diskussion verlief stellenweise sehr emotional.
Eine ganze Reihe von Vertretern aus Städten und Kommunen wiederholte die schon lange formulierte Bitte an die Adresse der „großen“ Politik, die kommunale Zusammenarbeit und die gemeinsame Jugendarbeit durch eine Erleichterung des Visa-Regimes zu unterstützen.
Das parallel zur Konferenz stattgefundene IV. Jugendforum der Deutsch-Russischen Städtepartnerschaften arbeitete ebenfalls eine Reihe konkreter Vorschläge aus. Die Jugendlichen konzentrierten ihr Augenmerk auf eine Erweiterung des Dialogs, darunter mit Hilfe innovativer digitaler Formate.
Mit Blick auf die deutsch-russischen Beziehungen unterstrichen zahlreiche Vertreter die Verantwortung der Städte und Kommunen für die deutsch-russischen Beziehungen im Rahmen der sogenannten „Urban Diplomacy“. Wie auch in der Vergangenheit war die Bereitschaft auszumachen, neue Partner zu suchen und so Verantwortung zu übernehmen. Borowsk im Gebiet Kaluga, Tula und Weimar signalisierten bei der Konferenz ein Interesse an Partnerschaftsbeziehungen.
Aus der Sicht des Forumsteilnehmers und Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für Energiefragen, Pawel Sawalnyj, seien die Kontakte auf der Ebene der Städte „einer der wichtigen Schritte auf dem Wege für ein Herauskommen aus der Krise und zur Wiederherstellung der Beziehungen Russlands und Deutschlands“.
Die durch die Pandemie ausgelöste Krise sei zu einer außerordentlich ernsten Herausforderung geworden, habe die Anfälligkeit unserer ganzen Welt, die Zerbrechlichkeit der Beziehungen, die starke zu sein schienen, sowie der Werte, die als unbedingte wahrgenommen wurden, aufgezeigt.
Hervorgehoben müsse die russisch-deutsche Wirtschaftszusammenarbeit, die sich ungeachtet der politischen Sanktionen und künstlich geschaffenen Hindernisse entwickle. Die Energiewende schaffe neue Möglichkeiten für die Entwicklung der Wirtschafts- und Energiezusammenarbeit Russlands und Deutschlands. Unter anderem eröffnen sich große Perspektiven auf dem Gebiet der neuen Technologien für die Energieeffizienz und Dekarbonisierung sowie die Wasserstoff-Energetik.
Damit jedoch diese Perspektiven realisiert werden, sind Achtung und Vertrauen der Partner gegenüber notwendig. Letzteres werde heute einer Erosion im Zusammenhang mit der anhaltenden politischen Krise ausgesetzt. Notwendig sei eine Wiederherstellung des gegenseitigen Verstehens, eine Überwindung der bestehenden Schwierigkeiten, meinte Sawalnyj. „Wir Politiker aller Ebenen, die Vertreter des öffentlichen Lebens müssen jetzt bei der Überwindung dieser Schwierigkeiten aktiver und hartnäckiger sein, solange der Schaden durch diese nicht zu einem fatalen wird. Umso wertvoller sind der Dialog und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
In der Staatsduma der siebten Legislaturperiode leite ich die Freundschaftsgruppe mit dem deutschen Bundestag. Sowohl von russischer als auch deutscher Seite gehören mehrere dutzend Abgeordnete aus allen Fraktionen dieser Gruppe an. Die deutsche Freundschaftsgruppe mit Russland ist ganz und gar im Bundestag die zahlenmäßig zweitstärkste. Dies ist ein Beleg dafür, dass die Bürger, die Wähler eine Normalisierung der Beziehungen möchten. Und die zu wählenden Politiker, die von deren Stimmen abhängen, berücksichtigen dies“, meinte der Staatsduma-Abgeordnete von der Kremlpartei „Einiges Russland“.
Zum Abschluss der Konferenz bekundete das Deutsch-Russische Forum e. V. den Co-Organisatoren – dem Bundesverband Deutscher West-Ost-Gesellschaften e. V., der Stiftung West-Östliche Begegnungen und der Internationalen Assoziation der Partnerschäfte, aber auch der Gastgeberseite Kaluga – tiefen Dank. In einer Mitteilung des Forums heißt es, dass „unter überaus schwierigen Bedingungen eine Konferenz organisiert wurde, die in gleicher Weise sowohl die Deutschen als auch die Russen bereicherte“.
Zum Abschluss der Konferenz wurde der Austragungsort der nächsten deutsch-russischen Städtepartnerkonferenz bekanntgegeben. Sie wird im Jahr 2023 in der Ruhr-Metropole Essen stattfinden.