Die COVID-Pandemie hat ihre Korrekturen am Voranbringen der Klima-Tagesordnung in der ganzen Welt vorgenommen. Dies hing hauptsächlich mit dem Produktionsrückgang in der ganzen Welt und mit der Verringerung der Emissionen zusammen. Laut dem Weltwirtschaftsbericht der UNO ist die Weltwirtschaft im vergangenen Jahr um 4,3 Prozent geschrumpft. Dieser Wert ist mehr als zweimal höher als während der globalen Finanzkrise von 2009. Die für das Jahr 2021 erwartete moderate Wiederbelebung mit 4,7 Prozent wird wohl kaum die Verluste des vorangegangenen Jahres wettmachen. Entsprechend den Schlussfolgerungen des UNEP-Reports hat der durch die COVID-19-Epidemie ausgelöste Produktionsrückgang eine kurzfristige Verringerung der CO2-Emissionen verursacht. Den Hauptbeitrag dazu leistete die Stilllegung von Industriebetrieben, die Verringerung der Transportströme und eine faktische Einstellung der Passagierflüge.
Laut einer Analyse der Weltorganisation für Meteorologie haben die ausgewiesenen Maßnahmen in China zu einer Verringerung der CO2-Emissionen innerhalb von vier Wochen um 25 Prozent geführt. Die Wiederherstellung der Produktionsumfänge bis auf den Stand vor COVID-19 löst jedoch eine akute Nachfrage nach Erdöl und Gas aus.
Christyan Malek, Chefanalytiker von J.P. Morgan für den Öl- und Gassektor, ist der Auffassung, dass die Ölpreise bereits im Jahr 2021 bis auf 100 Dollar für einen Barrel und sogar höher klettern könnten. Die Situation an den internationalen Börsen bestätigt diese Prognosen. Zum 12. Februar überstieg der Preis für Öl der Marke Brent erstmals seit Anfang letzten Jahres die 62-Dollar-Marke. Und schon am 17. Februar schnellte er bis auf 64 Dollar in die Höhe. Für die von der Pandemie erfasste Welt ist dies außerordentlich teuer. Schließlich hielt man noch vor kurzem die 60-Dollar-Marke für das Jahr 2021 als eine Obergrenze.
Natürlich ist ein derartiger Preisauftrieb offenkundig ein spekulativer, da weder die Weltwirtschaft noch der Verbrauch von Kohlenwasserstoffen bisher nicht so schnell wie die Ölpreise wachsen. Aber von welcher Art auch die „Öl-Blase“ sein mag, der Anstieg der Ölpreise zieht unweigerlich auch einen Preisauftrieb in den angrenzenden und mit dem Verbrauch von Kohlenwasserstoff-Brenn- und Kraftstoffen verbundenen Branchen nach sich. Die „Financial Times“ beruft sich auf zwei Großbanken an der Wall Street, einen neuen Erdöl-Superzyklus voraussagen, wobei JPMorgan Chase & Co. und Goldman Sachs erwarten, dass die Ölpreise ansteigen werden, sobald die Pandemie nachlässt. Ihre Berechnungen basieren darauf, dass die steuerlichen und Haushaltsstimuli für die Wirtschaft, die gegenwärtig viele Länder zum Einsatz bringen, eine Zunahme des Verbrauchs an Erdöl und Erdölprodukten fördern werden. Im Ergebnis dessen wird die Nachfrage das Angebot übersteigen, womit ein anhaltender Preisanstieg provoziert wird. Und es wird ein Öl-Superzyklus einsetzen. Nach Einschätzungen von Experten könne es zu einem Mangel beim Angebot von Erdöl kommen, wenn der Verbrauch um 1,2 bis 1,4 Millionen Barrel am Tag und mehr zunehmen werde.
Laut einer Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) werde die Welt diese Marke bereits in diesem Jahr überschreiten. Im Jahr 2021 erwartet die IEA eine Zunahme der weltweiten Nachfrage nach Erdöl um 5,4 Millionen Barrel täglich bis auf 96,4 Millionen Barrel.
Die Gas-Märkte in den COVID-Zeiten
Unter den sich ergebenden Bedingungen ist die Situation hinsichtlich der Entwicklung des internationalen Gasmarktes interessant. Wie im Energie-Bulletin des Analytischen Zentrums bei der Regierung der Russischen Föderation für Februar dieses Jahres betont wird, würden der kalte Winter und die dramatischen Entscheidungen der EU über ein Abgehen von Erdgas beim Einsatz in der Elektroenergiewirtschaft bis zum Jahr 2030 bei den Beobachtern die Empfindung einer kognitiven Dissonanz auslösen. Die Absichten der Europäischen Union, auf der Basis einer Schuldenfinanzierung den Weg einer „grünen Belebung“ zu beschreiten, würden bei allen Anhängern der Verhinderung einer globalen Erwärmung in Europa Optimismus auslösen. Die Wiederbelebung in der Wirtschaft und die langen Fröste als aktuelle Form des Auftretens einer globalen Erwärmung hätten aber bisher eine geringe Zunahme der Nachfrage nach Gas (die teilweise aus den Reserven befriedigt wird), aber auch eine Erhöhung der Gaspreise in der EU und besonders auf den asiatischen Märkten verursacht. Und kurzfristig sei eine Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivitäten ab dem Frühjahr des Jahres 2021 zu erwarten.
Doch gerade der signifikante Preisanstieg in der Winterperiode, selbst wenn er auch in erheblichem Maße mit Wetter- und Klima-Faktoren zusammenhing, veranlasst, die Perspektiven der Gasmärkte aufs Neue zu bewerten und sie von einer positiven Seite zu betrachten. Die Situation auf den Gasmärkten, die die Krise unter den Bedingungen eines Überangebots schwer bewältigten, hat sich an der Jahreswende 2020/2021 ernsthaft verändert. Die Gaspreise sprangen in die Höhe und erreichten ein Maximum seit vielen Monaten. Dabei spielten die Wetter- und Klimafaktoren nicht die letzte Rolle. Ergo kann der Konjunkturaufschwung als ein rein zeitweiliger aufgefasst werden. Gleichzeitig aber erinnern die Ereignisse der letzten Monate an die weiterhin bestehende Rolle des Gases in den Energiebilanzen für eine Flexibilität der Gasversorgung unter den Bedingungen der periodischen (und unter den Bedingungen der Klimaveränderung wahrscheinlich noch häufigeren) Wetter- und Klima-Schocks.
Die saisonalen Besonderheiten des Winters 2020/2021 bestehen in dem Impuls für die Nachfrage nach Gas. Mitte vergangenen Jahres wurden im Energiebulletin Nr. 87 die Perspektiven für die Gasmärkte als nebulöse bewertet. Die krisenbedingte Verringerung der wirtschaftlichen Aktivität hat wesentlich die Nachfrage verringert, unter anderem durch ein Nachlassen des Verbrauchs an Elektroenergie durch die Unternehmen, die die Arbeit eingestellt oder eingeschränkt hatten. Im Jahr 2019 schlug sich die Zunahme der Produktion von LNG in ein wesentliches Wachstum der Lieferungen für die europäischen Märkte um. Schließlich konnte die asiatisch-pazifische Region die zusätzlichen Gasmengen schon nicht mehr absorbieren. Schließlich wurden für die Gasmärkte zu noch einer Bedrohung die zusätzlichen Initiativen der Offiziellen hinsichtlich „grüner“ Antikrisen-Maßnahmen, die einen forcierten Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe gefördert hätten. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren hatten die für das Jahr 2021 vorausgesagten Preise keine 200 Dollar je 1000 Kubikmeter überstiegen. Ja, und in der Perspektive von mehreren Jahren erschien diese Marke als eine schwer zu überwindende. Im Zeitraum Mai-Juli vergangenen Jahres befanden sich die Gaspreise tatsächlich auf einem Minimum. Doch Ende des Jahres 2020 zeichnete sich eine drastische Wende in der weltweiten Konjunktur ab, und zwar solche eine, dass die Preise auf dem Markt der asiatisch-pazifischen Region um ein Mehrfaches anstiegen und für die letzten Jahre beispiellose Werte erreichten. In Europa war die erwähnte Marke von 200 Dollar je 1000 Kubikmeter bereits im Dezember überwunden worden. Und die Preise waren auf den Vorkrisenstand von vor zwei Jahren zurückgekehrt.
Angestiegen waren die Preise auch in den USA, obgleich nur bis auf 100 Dollar je 1000 Kubikmeter. Aber auf dem amerikanischen Markt, der schon lange von einem Überangebot geprägt wurde, war auch dieses Niveau über anderthalb Jahre lang ein unerreichbares geblieben. Zu einem wichtigen Faktor für die Verteuerung des Gases wurden Wetter- und Klimafaktoren. Im Zuge des allmählichen Abgehens der internationalen Gasverträge von der Anbindung an die Ölpreise im Zusammenhang mit dem Übergang zur Preisbildung auf der Grundlage des Wettbewerbs „Gas-Gas“ an den Hubs wird das Risiko saisonaler Schwankungen zu einem unweigerlichen Element der Preisdynamik.
In Europa war dies sowohl im Winter 2016/2017 als auch im Winter 2017/2018 zu beobachten. Es schien, dass in den letzten zwei Wintern das Auftauchen zusätzlicher Ressourcen, die in der Lage sind, den Mangel auszugleichen, zu einer Überwindung des ausgewiesenen Risikos führt. Der vergangene Winter hat jedoch gezeigt, wie dieser Eindruck unter den Bedingungen wirklich ernsthafter Temperaturschwankungen täuschen kann. Die relativ geringe Zahl von Tagen, an denen im Winter 2019/2020 im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren geheizt werden musste, wurde zu einem der wichtigen Faktoren für den Preiskollaps des letzten Jahres. Anfang des vergangenen Winters wiederholte sich das Temperatur-Bild. Mehr noch, im IV. Quartal des Jahres 2020 ging die Zahl der Heiztage sogar im Vergleich zum Vorjahr zurück, obgleich sich im Dezember die Situation zu ändern begann.
Politische Aspekte des Handels mit Energieressourcen
Für Russland bleiben die Hauptabnehmer dessen Energieressourcen im Ausland, vor allem von Gas, Europa und China. Die Energieressourcen als eine wichtige materielle Grundlage der nationalen Wirtschaft sind schon lange über den Rahmen eines simplen Handels hinausgegangen und haben heute direkt mit der Zukunft und dem Schicksal eines Landes zu tun. Nach Einschätzung der chinesischen analytischen Internetseite seien aus der Sicht der konkreten Praxis Deutschland und Russland zwei große Länder, die früher „eine Annäherung der Energiewirtschaft und Sicherheit“ praktiziert hätten.
Das Ziel der Gestaltung einer pragmatischen Energieabhängigkeit zwischen zwei Ländern sei nicht nur ein beiderseitiger Vorteil, sondern auch eine Festigung der Sicherheit und eine Verringerung des Grades einer gegenseitigen Bedrohung. Was Deutschland angeht, so hatte es in der Zeit des Kalten Krieges, um dem Druck seitens der Vereinigten Staaten Paroli zu bieten, eine Energiezusammenarbeit mit der Sowjetunion initiiert. Ein offenkundiges Ziel dieses Schrittes war eine Verstärkung des Schutzes der eigenen nationalen Sicherheit, da zu jener Zeit die Sowjetunion als größte äußere Bedrohung für Europa galt. Nach dem Kalten Krieg wurde die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energiewirtschaft zwischen Deutschland und Russland beibehalten, obgleich solch eine ernste äußere Bedrohung wie die Sowjetunion nicht mehr existierte. Beide Länder suchen nach neuen und größer angelegten Projekten für ein Zusammenwirken, wobei sie sich besonders auf deutsche Investitionen und Technologien zwecks Erweiterung der Energiezusammenarbeit stützen. Selbst als die EU ihre neue Strategie für die Energiesicherheit vorstellte, neue Branchen der Energiewirtschaft aktiv zu entwickeln begann und versuchte, ihre Abhängigkeit von der russischen Energiewirtschaft zu verringern, und nach der ukrainischen Krise mehrere Etappen von Sanktionen der EU gegen Russland durchlaufen wurden, ist die Zusammenarbeit Deutschlands mit Russland auf dem Gebiet der Energiewirtschaft ungeachtet des auf Deutschlands Regierung ausgeübten Druck seitens einer Reihe andere Mitgliedsländer der Gemeinschaft, vor allem seitens Polens, keinerlei Korrektoren unterzogen worden.
Für Russland besitzt die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit Deutschland im Energiebereich fortzusetzen, entscheidende Bedeutung für eine Aufrechterhaltung der strategischen Sicherheit ihrer europäischen Region. Beim Russland-EU-Gipfel in Sankt Petersburg im Jahr 2003 hatte Russland vorgeschlagen, vier gemeinsame russisch-europäische „Roadmaps“ bezüglich des gemeinsamen Raums zu entwickeln. Eine von ihnen – die den „gemeinsamen Wirtschaftsraum“ betraf – umfasste eine Zusammenarbeit im Energiebereich. Eine Fortsetzung dieses Plans ist der Vorschlag Putins, der im Jahr 2010 in Deutschland unterbreitet wurde, über die Gestaltung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums „von Lissabon bis Wladiwostok“ mit der Europäischen Union, in dem gleiche und ausgewogenen Beziehungen für die Lieferungen, den Verbrauch und den Transport von Energieressourcen in Europa geschaffen werden. Bereits im Jahr 2016 trat Putin gleichfalls mit der Initiative von einer Großen eurasischen Partnerschaft auf, die man als eine neue Fortsetzung dieser Konzeption ansehen kann.
Wie „Guancha“ meint, gelte gerade die Gaspipeline „Nord Stream“ zwischen Russland und Deutschland als ein Grundpfeiler für die Realisierung dieser Initiativen. In der langfristigen Perspektive besitze die Energiezusammenarbeit zwischen China, Russland und Deutschland in Eurasien große Möglichkeiten für eine Erweiterung. Sie könnten sich beispielsweise auf die entsprechenden Marktbedürfnisse, die technischen Anlagen, gewaltigen Reserven und anderen Vorteile stützen und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Spitzenwerte für CO2-Emissionen, einer Reduzierung der CO2-Emissionen und in anderen Bereichen vertiefen, aber auch eine gegenseitige Ergänzbarkeit erreichen, was die Qualität und das Niveau der Zusammenarbeit im Energiebereich in Eurasien noch mehr erhöhen müsste. Dies ist ein objektiver Prozess, der Aufmerksamkeit verdient. Daher kann man schon heute von einem „eurasischen geopolitischen Modell für die Gewährleistung der Energiesicherheit“ sprechen.
Aus chinesischer Sicht ist dies ein neuer Typ eines Regimes für das Existieren, in dem die großen Mächte miteinander zusammenwirken, wobei sie gegenseitige Zurückhaltung wahren. Wie Professor Feng Shaolei, Direktor des Zentrums für Russland-Forschungen der Ostchinesischen Pädagogischen Universität, sagte, erleichtere die kontinentale räumliche Kontinuität, die durch die eurasische Geopolitik und Geoökonomie unterstützt werde, nicht nur den Austausch zwischen den Seiten auf dem eurasischen Kontinent, sondern mache auch den eurasischen Kontinent zu einem, der voll von komplizierten und mannigfaltigen gegenseitigen Einflüssen und Verbindungen sei, aus denen es schwer sei, selbständig herauszukommen. „Guancha“ behauptet, dass das Modell einer Koexistenz unter den Bedingungen eines gegenseitigen Zügelns hinsichtlich der drei Hauptmächte Eurasiens – China, Deutschland und Russland – kein anwendbares mehr sein könne.
„Nehmen wir zum Beispiel Europa“, schreibt „Guancha“. „Obgleich die transnationalen Energieträger-Pipelines, die in Europa ab den 1970er Jahren gebaut wurden, keinen ernsten Streitigkeiten zwischen Russland und Europa aus dem Weg gegangen sind, haben diese wichtigen Infrastruktur-Bauten eine gewaltige Rolle in den Konflikten zwischen Europa und Russland gespielt, was sich besonders während zweier regionaler Krisen – in Georgien und in der Ukraine – offenbarte. Wenn es nicht eine derartige infrastrukturelle Barriere gegeben hätte, wäre die Intensität der Konflikte zwischen Europa und Russland weitaus stärker gewesen“. Die gleiche praktische Logik spiele nunmehr eine wichtige Rolle in den Beziehungen zwischen China und Russland, unterstreicht das chinesische Internetportal.
Vorerst hat die Idee von einem eurasischen Wirtschaftsraum in erheblichem Maße an ihrer Popularität in Europa verloren. Dies hängt sowohl mit einer Wiedergeburt der Idee der Transatlantischen Partnerschaft nach dem Machtantritt der Demokraten in den USA als auch mit den Ereignissen von 2014, die mit dem Beitritt der Krim zu Russland verbunden sind, zusammen. Im Frühjahr vergangenen Jahres wurde in Deutschland eine Umfrage zu diesem Thema durchgeführt. Einer der führenden Unternehmerverbände Deutschlands, der Ostausschuss – der Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft e.V. (OAOEV) -, hatte Anfang des Jahres 2020 das deutsche Meinungsforschungsinstitut Forsa beauftragt, eine Befragung von Bürgern Deutschlands hinsichtlich ihrer Haltung zu Russland durchzuführen. Interessant ist, dass sich 61 Prozent der Befragten durchaus die Möglichkeit der Gestaltung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok vorstellten. Dagegen sprachen sich lediglich 20 Prozent aus. 55 Prozent sprachen sich für eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Russland aus, und nur 28 Prozent lehnten sie ab. Besonders deutlich habe sich ein derartiges Vertrauen gegenüber Russland in den Fragen der Energiezusammenarbeit offenbart, resümiert der deutsche Unternehmerverband. Mehr als drei Viertel der Bürger Deutschlands (77 Prozent) plädierten für einen Abschluss des Baus von „Nord Stream 2“ entgegen dem Widerstand seitens der USA. Diese Forderung unterstützte die überwiegende Mehrheit der Anhänger aller im Bundestag vertretenen Parteien. Der größte Grad an einer Billigung des Projekts war unter den Anhängern der SPD (93 Prozent), weiter folgten die von CDU/CSU (89 Prozent), Der Linken (89 Prozent) sowie Bündnis 90/Die Grünen (86 Prozent). Lediglich vier Prozent der Bürger Deutschlands standen einer Fortsetzung des Baus der Pipeline negativ gegenüber.
In Deutschland teilt unter den politischen Parteien praktisch nur die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ die Idee von der Schaffung eines gemeinsamen eurasischen Raums. Im Programm dieser Partei ist sogar die Forderung nach einer Auflösung des Bundestages und nach einem Verzicht auf den Euro enthalten. Vor diesem Hintergrund wird die Schaffung einer neuen europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, wie dies im Programm genannt wird, als eine Umgestaltung des heutigen Europas verstanden, in dem, wie man annehmen kann, sich auch für Russland ein Platz finden wird. Recht stark sind die Parallelen mit der Anfang der 2000er Jahre populär gewesenen Losung von einem „Europa von Lissabon bis nach Wladiwostok“.
In diesem Kontext werden die Versuche der USA, den Abschluss des Baus und die Inbetriebnahme der Gaspipeline „Nord Stream 2“ zu verhindern, verständlicher, da sie eine neue Runde in der Rivalität zwischen der eurasischen kontinentalen Geopolitik Chinas, Russlands und Deutschlands und der ozeanischen Geopolitik der Vereinigten Staaten reflektieren. Lange Zeit brauchten die Vereinigten Staaten als eine Großmacht zu Lande und auf See kein direktes und großangelegtes Eingreifen in die Aufteilung der Interessen innerhalb Eurasiens. Sie konnten leicht die Situation verändern, indem sie etwas Gewicht den komplizierten Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Blöcken Eurasiens hinzufügten und sich so einen Gewinn sicherten. Es sei offensichtlich, betont das chinesische Portal, dass die Gestaltung gegenseitig abhängiger Energiebeziehungen zwischen Russland und Deutschland nicht einer Maximierung der amerikanischen Interessen entspreche, da dies nicht nur den Einfluss der Vereinigten Staaten auf die europäischen Länder verringere, sondern auch die Abhängigkeit von Amerika schwäche, indem der Abstand zwischen den beiden Seiten zunehme. Unter anderem seien die Unterschiede und Widersprüche in den transatlantischen Beziehungen in einem größeren Maße in der Trump-Ära aufgetreten. Diese Handlungen Russlands und Europas hätten eine noch größere Nicht-Kompatibilität mit dem Prinzip von der Maximierung der Interessen der USA offenbart.
Die Energiefrage war stets eine der hauptsächlichen, die mit der Sicherheit und Strategie verbunden sind. Daher traten die Vereinigten Staaten stets gegen jegliches mögliche Abkommen zwischen Russland und der Europäischen Union auf. Daher haben sie auch mit allen Wahrheiten und Unwahrheiten das Projekt „Nord Stream 2“ behindert und sich eingemischt, wobei auf den westlichen Teil Eurasiens Druck ausgeübt wurde. Unabhängig davon, ob sich die Republikanische oder die Demokratische Partei an der Macht befindet, wird es seitens der USA keinerlei ernsthafte Veränderungen in den Hauptzielen geben, nur einen Unterschied in der Strategie.
Bei der Bewertung der Veränderungen in der Politik der Biden-Administration im Rahmen des Projekts „Nord Stream 2“ behauptet das chinesische Portal, dass die USA ein zweifaches Ziel verfolgen würden. Einerseits bestehe es darin, eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Und andererseits – in der Sache nach einem Raum für einen Interessensaustausch bzw. -ausgleich aller Seiten, ausgehend vom Prinzip einer Maximierung der Interessen der Vereinigten Staaten.
Wenn man sich der Geschichte zuwendet, so hatten die Vereinigten Staaten auch mit allen Kräften die Energiekooperation zwischen der Sowjetunion und den Ländern Westeuropas ab Ende der 1950er bis Anfang der 1980er Jahre zu blockieren versucht, letztlich aber diese Schlacht verloren. Die UdSSR und die Länder Westeuropas inkl. die Bundesrepublik Deutschland bauten erfolgreich Öl- und Gaspipelines, die beide Seiten verbanden. Dies ist gleichfalls ein historischer Background, den Amerika wahrscheinlich berücksichtigen muss.
Allem nach zu urteilen, gibt es mehrere Ursachen, warum Biden einen Verzicht auf Sanktionen in Bezug auf „Nord Stream 2“ bekanntgab. Einerseits reflektiert dies seinen politischen Anti-Trump-Stil und realistische politische Erwägungen hinsichtlich dieser Frage, damit beispielsweise die Pipeline „Nord Stream 2“ aufhört, ein Katalysator innerer Meinungsverschiedenheiten, Widersprüche und Konflikte im Westen, was zu unkoordinierten Handlungen gegenüber Russland führt, zu sein. Andererseits bahnt dies einen Weg für ein mögliches Zusammenwirken zwischen den Vereinigten Staaten, Europa und Russland zu Fragen der Klimaveränderung und einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energiewirtschaft.