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Wie die USA und die BRD sich anschicken, der Ukraine im Kampf gegen „Nord Stream 2“ zu helfen


Am 21. Juli wurde das lange erwartete Abkommen zwischen den USA und der BRD bezüglich des Zusammenwirkens der Seiten zu Fragen, die mit der Gaspipeline „Nord Stream 2“ zusammenhängen, veröffentlicht. Dieses Abkommen ist das Ergebnis langer Abstimmungen zu den Ergebnissen des USA-Besuches der im September die politische Arena verlassenden Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg betonte unter Berufung auf einen hochrangigen offiziellen Vertreter in Washington, dass die Formulierungen in der Erklärung beabsichtigt zweideutige seien, da die Vereinigten Staaten Russland keine „Roadmap“ ihrer möglichen Antwort auf „irgendein böswilliges Verhalten“ geben wollen.

Versuchen wir einmal, ausgehend von der technisch-ökonomischen und finanzökonomischen Logik die wichtigsten strukturellen Blöcke des Komplexes der Fragen zu analysieren, die die Verhandlungen (den Überwasserteil des Eisberges) und die Interessen (seinen unter dem Wasser liegenden Teil) der USA und der BRD hinsichtlich „Nord Stream 2“ und folglich auch in Bezug auf Russland und der Ukraine zu analysieren. Ich sehe drei Blöcke solcher Fragen: (1) BRD – RF — Ukraine, (2) BRD – USA – Ukraine – Nord Stream 2 und (3) USA – BRD – Nord Stream 2.

 

(1) BRD – RF – Ukraine

 

Auf der Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Verhandlungen vom 16. Juli erklärte die Bundeskanzlerin, dass „Nord Stream 2“ ein „zusätzliches Projekt“ sei und nicht zu einem Ersatz für den Gastransit durch die Ukraine werden dürfe, dass die „Ukraine ein Transitland für Erdgas bleibt“ und dass Deutschland handeln werde, „wenn Russland dieses Recht der Ukraine, ein Transitland zu sein, nicht einlösen wird“.

Es sei erstens angemerkt, dass jegliches neue Infrastruktur- und Transportprojekt hinsichtlich der bereits existierenden Transportinfrastruktur ein „zusätzliches“ ist. Weiter aber kommt der „Matrix-Effekt“ zur Wirkung. Anders gesagt: Es erfolgt eine Umverteilung der Transportströme im Rahmen dieser neuen erweiterten Infrastruktur unter Berücksichtigung der bestehenden vertraglichen Einschränkungen. Das heißt der bestehenden Pflichten des Frachtgutversenders, die im Vertrag für den Transport (für den Transit – wenn durch Drittländer) vereinbarten Gasmengen zu den im Vertrag vereinbarten Konditionen (z. B. „pumpe oder bezahle“, „nutze oder verliere“, „nutze oder liefere auf einen Zweitmarkt“ usw.) zu pumpen. Dabei kann die Laufzeit des Vertrages für den Transport (Transit) kürzer als die Laufzeit des Liefervertrages, in dessen Realisierung dieser Vertrag über den Transport (Transit) integriert worden ist, sein.

Dies ist eine Diversifizierung der Lieferrouten, das heißt eins der drei Elemente des Begriffs „Diversifizierung“. Wobei ein gemeinsames Element für den Lieferanten (Exporteur) und Käufer (Importeur) in dieser Triade, da es deren gemeinsamen Interessen hinsichtlich einer Erhöhung der Zuverlässigkeit und Störungsfreiheit der Lieferungen verteidigt.

Ist der Vertrag des Frachtgutversenders mit dem Betreiber des Gastransportsystems ausgelaufen, ergibt sich für ihn die juristisch bedingte Möglichkeit, entweder den bestehenden Vertrag mit dem gleichen Betreiber des Gastransportsystems sowie entsprechend der gleichen Route sowie mit den gleichen Punkten der Übergabe-Übernahme des Gases zu verlängern und/oder einen neuen Vertrag zu neuen Bedingungen mit diesem Betreiber abzuschließen. Oder er kann nach neuen Wegen für den Transport seines Gases für den internationalen Markt suchen. Und bei Bestehen alternativer Routen, die aber zu den gleichen Übergabe-/Übernahmepunkten führen, kann er die Transportkonditionen vergleichen, die durch die Betreiber der Gastransportsysteme auf diesen Routen angeboten werden, sowie für den Abschluss eines neuen Vertrages denjenigen unter ihnen auswählen, der sowohl für den Lieferanten (Exporteur) als auch den Käufer (Importeur) akzeptabler ist. Dies bedeutet, der zuverlässiger hinsichtlich der technischen Parameter (weniger Risiken von Havarien, folglich weniger Ausgaben für eine Instandsetzung, die den Tarif für das Durchpumpen erhöhen), wirtschaftlich vorteilhafter (geringere Tarife für den Transport, was bedeutet, dass das zu liefernde Gas bei geringeren Preisen für dieses rentabel bleibt) usw. ist.

Mit Inbetriebnahme von „Nord Stream 2“ wird die Gestaltung einer neuen Konfiguration der technischen Infrastruktur für die russischen Gasexporte nach Europa abgeschlossen. Dies ist eine neue technisch-wirtschaftliche Realität in der Gasversorgung Europas. Die Aussagen von Merkel können nicht außerhalb dieser neuen Realität betrachtet werden. Abgeschlossen wird die Neuformatierung der historisch seit Ende der 1960er Jahre bestehenden Infrastruktur für die Exportlieferungen sowjetischen und im Weiteren des russischen Gases nach Europa (ein System linearer Exportkorridore – des ukrainischen und später des polnischen) zu einem radialen und Ringsystem für dessen Lieferungen, das an ein und denselben Übergabe-/Übernahme-Punkten in der Europäischen Union enden wird. Zu den beiden linearen Korridoren kommen ein nördlicher halber Ring (die Offshore-Pipelines „Nord Stream 1“ und „Nord Stream 2“ mit ihren Onshore-Anschlussleitungen OPAL plus Gazelle und EUGAL) und ein südlicher halber Ring (die Offshore-Leitung „Turk Stream“ plus ihre Onshore-Fortsetzung „Balkan Stream“) dazu.

Dabei wird die Onshore-Anschlussleitung von „Nord Stream 2“ – die Gaspipeline EUGAL – bereits genutzt. Über sie fließen die durch „Nord Stream 1“ gelieferten Gasmengen, die GAZPROM nicht im Rahmen der kompletten Leistung von OPAL, sondern nur im Umfang von 50 Prozent ihrer Leistung auf der Grundlage einer Entscheidung des EU-Gerichts aufgrund einer Klage der polnischen Aufsichtsbehörde liefert.

Im Rahmen dieser neuen Konfiguration für die Lieferungen wird sich die Relevanz des ukrainischen Korridors verändern. Seine wichtige Rolle wird aber zweifellos gewahrt werden – sowohl bis zum Jahr 2024 als auch danach. In meinem Verständnis bereits in einer neuen Qualität. Nicht als einziger (anfangs) oder hauptsächlicher (im Weiteren) Transitkorridor, sondern als ein wichtiges Element des diversifizierten Systems der russischen Lieferungen in die EU. Und dabei mit einem anderen Zweck. Das heißt: Die Ukraine wird ihr Transitrecht und die Möglichkeit, dies zu nutzen, aber nicht die Pflicht, der Haupt- (oder gar Hilfs-) Transitkorridor zu bleiben, bewahren.

Die neue Rolle der ukrainischen Route im Rahmen der neuen radialen und Ringinfrastruktur der russischen Gaslieferungen nach Europa ist meines Erachtens die Rolle eines gewissen ausgleichen Infrastrukturkorridors unter Bedingungen, unter denen die russischen Exportströme begründet zum nördlichen und zum südlichen halben Ring zwecks deren Auslastung bis zu den projektierten Leistungen (Fragen der Rentabilität), im Interesse einer Reduzierung der Transportkosten (aufgrund des moderneren technischen Zustands und der kürzeren Lieferrouten über beide „Nord Stream“-Pipelines) und einer größeren Umweltfreundlichkeit der neuen Gasleitungen (als ein Ergebnis des wissenschaftlich-technischen Fortschritts) umgeleitet werden. Ich würde sogar sagen, dass die Ukraine im Rahmen des radialen und Ringsystems der russischen Gaslieferungen in die EU eine neue wichtige Rolle eines – wie bereits erwähnt – gewissen „ausgleichenden Infrastrukturgliedes“ in diesem System erlangt, das in einer gewissen Art und Weise der Rolle von Saudi-Arabien ähnelt, die dieses arabische Land in der jüngsten Vergangenheit als ein „ausgleichender Lieferant“ von Erdöl auf dem Weltmarkt gespielt hat. Natürlich unter der Bedingung einer adäquaten Modernisierung des ukrainischen Exportkorridors.

Geld dafür kann nur vom internationalen Markt oder von interessierten Ländern der Europäischen Union kommen. Und nur zu Bedingungen einer Projektfinanzierung. Und es ist klar, dass einer Rückzahlung der Investitionen für solch eine Modernisierung nur durch das Durchpumpen russischen Gases durch den modernisierten Korridor zur EU gewährleistet werden kann. Dies bedeutet aber keine im Voraus und proaktiv garantierte Auslastung eines Teils des ukrainischen Gastransportsystems im Interesse eines Transits russischen Gases in die EU ohne einen Bezug zu den konkreten technischen und ökonomischen sowie finanziellen und rechtlichen und Vertragsbedingungen.

Unter den bestehenden Realitäten kann es aber auch nichts Anderes geben. Denn Russland ist ein souveräner Staat. Und man kann ihm nicht die Pflicht aufzwingen, sein Gas durch einen von außen aufgezwungenen Korridor zu exportieren oder Gas von Drittländern über sein Territorium im Transit zwecks Auslastung des ukrainischen Gastransportsystems und im Weiteren zu dessen weiteren Lieferung nach Europa passieren zu lassen, damit dieses Gas dort mit dem russischen Gas konkurriert. Dafür gibt es keine internationalen rechtlichen Grundlagen.

Dies erkläre ich unter anderem als ein Mann, der sich lange Zeit mit Fragen des Vertrags zur Energie-Charta befasste, auf den einige westliche Experten gern zur Begründung einer „Zwangspflicht“ – sozusagen einer gewissen neuen „positiven Diskriminierung“, die in der regulierenden Praxis der EU zugelassen und umfangreich angewandt wird – verweisen.

Dabei habe ich mich mit dem Vertrag zur Energie-Charta sowohl „von außen her“ (indem ich fast zwei Jahre der Leiter der russischen Delegation bei den Verhandlungen zum Vertrag zur Energie-Charta Anfang der 1990er Jahre war) als auch „von innen her“ (indem ich sechs Jahre lang als stellvertretender Generalsekretär des Sekretariats der Energie-Charta in Brüssel in den 2000er Jahren wirkte) befasst, als diese Frage (nach einer zwangsweisen Öffnung eines Zugangs von Drittländern zu einem Transit durch die Russische Föderation neben dem Wunsch der Russischen Föderation an sich) mehrfach in erster Linie durch die EU und die Ukraine angesprochen wurde.

Nicht ein Land erwirbt für ewig die Rolle eines „Transitkorridors“. Das heißt, man darf nicht die sich juristisch unterscheidenden Begriffe „Recht“ und „Pflicht“ verwechseln, darunter das „Recht auf einen Transit“ (Merkel: „Recht der Ukraine, ein Transitland zu sein…“) und die „Pflicht auf die Bewahrung eines Transits“ (Merkel: „Unser Verständnis war, ist und bleibt, dass die Ukraine Transitland für Erdgas bleibt…“) für das Lieferland. Zumal Merkel warnte, dass die BRD auch aktiv handeln werde, „wenn Russland dieses Recht der Ukraine, ein Transitland zu sein, nicht einlösen wird“.

Der Lieferant und der Käufer bewerten ständig die Risiken für die Lieferung über die eine oder andere bestehende Route durch das eine oder andere Land. Die Diversifizierung der Lieferwege gewährt solch eine Möglichkeit. Und wenn diese Risiken nach Meinung zumindest einer der Seiten zu übermäßig großen werden, beginnt die Suche nach alternativen Varianten sowohl im Rahmen des Systems der Pipelinelieferungen (Schaffung oder Übergang zu alternativen Routen, darunter ohne eine Transitkomponente) oder auch ein Übergang zu LNG-Lieferungen, der vom Wesen her eine „virtuelle Pipeline“ ohne eine Transitkomponente ist.

Daher ist die einzige Möglichkeit für ein Transitland, die Lieferungen über sein Territorium zu bewahren, ständig eine größere wirtschaftliche Attraktivität des Transports über sein Territorium im Vergleich zu alternativen Routen zu demonstrieren. Und nicht den Versuch zu unternehmen, solche Lieferungen über sein Territorium gewaltsam zu bewahren, darunter mit Hilfe von Drittländern.

Berlin hat angedeutet, dass Deutschland bereit sein werde, Antwortmaßnahmen zu ergreifen, wenn Russland die Lieferungen der Energieträger als ein Druckmittel gegen die Ukraine anwendet. Dabei sei laut der Agentur Bloomberg unter Berufung auf eigene Quelle nicht ausgeschlossen, dass zu einer möglichen Antwortmaßnahme eine Einschränkung der Gaslieferungen aus Russland in die BRD werden könne.

Zu den betroffenen einer in solch einem (meines Erachtens wenig wahrscheinlichen) Fall erzwungenen Nichteinhaltung der Vertragspflichten werden Unternehmen Deutschlands, die Käufer des russischen Gases, und GAZPROM, dessen Lieferant per Pipelines. Solch eine Situation wird nicht zu den Umständen höherer Gewalt (Force majeur) gerechnet werden. Daher werden sich für die Unternehmen beider Seiten Gründe und Möglichkeiten ergeben, ihre Rechte und verletzten Vertragspflichten vor Gericht und anderen Gremien zu verteidigen. Für GAZPROM und die Russische Föderation mit Instrumenten der WTO. Für die deutschen Unternehmen – ebenfalls mit Instrumenten der WTO sowie des Vertrags zur Energie-Charta (im letzten Fall direkt vor einem internationalen Schiedsgericht unter Umgehung von Gerichten der nationalen Jurisdiktion). Konkret: mit einer Klage gegen die (bereits neue) deutsche Bundesregierung. Und im Falle einer „Reaktion auf der Ebene der EU“ – auch mit einer Klage gegen die EU. Wie dies bereits das Unternehmen Nord Stream 2 AG getan hat, indem es am 26. September 2019 eine entsprechende Klage gegen die EU beim internationalen Schiedsgericht (UNCITRAL — United Nations Commission on International Trade Law, deutsch: Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht) gemäß Artikel 26 des Vertrags zur Energie-Charta wegen den Änderungen an der Dritten Gasdirektive der EU, die die Investitionen für das Projekt diskriminieren.

 

(2) BRD – USA – Ukraine – Nord Stream 2

 

Nach Aussagen von US-Außenminister Anthony Blinken hätten in Vorbereitung auf das Treffen Bidens und Merkels Washington und Berlin Handlungen zur Gewährleistung eines „wirtschaftlichen und strategischen Schutzes solcher Länder wie die Ukraine“ erörtert. Dementsprechend kamen der US-Präsident und die deutsche Kanzlerin überein, der Ukraine bei Projekten zu helfen, die sowohl mit der Energiewirtschaft als auch der Diplomatie zusammenhängen.

Worin kann solch eine Hilfe bei der Unterstützung des Energiesektors der Ukraine bestehen? In einer bilateralen Finanzierung der Modernisierung des Gastransportsystems der Ukraine, um das Interesse des russischen Lieferanten an einer möglichen Umleitung eines Teils seiner langfristigen (das heißt der garantierten, wie in den früheren und im jetzigen Transitabkommen) Exportlieferungen über diese Route zu erhöhen? Ich schließe solch eine Möglichkeit aus. Das Beispiel der vergangenen Jahre hat deutlich gezeigt, dass die USA und die EU mit allen Kräften versuchten, Russland/GAZPROM zur Bewahrung des Transits durch die Ukraine zu zwingen, um „sie selbst nicht materiell zu unterstützen“, indem ihr die ausfallenden Transiteinnahmen kompensiert werden.

Die Inlandsförderung in der Ukraine ist unzureichend, um den eigenen Gasbedarf des Landes zu decken und Exportlieferungen zu sichern. Jegliche Modernisierung des Gastransportsystems der Ukraine im Interesse einer Beibehaltung des Transits ohne eine Beteiligung Russlands, genauer gesagt: von GAZPROM als ein garantierter Transit-Frachtgutversender ist unmöglich, denn die kommerzielle Rentabilität solch eines langfristigen und kostspieligen Investitionsprojekts ist unmöglich. Denn ohne langfristige Verträge mit „GAZPROM EXPORT“ für ein Durchpumpen, die durch das russische Unternehmen mit dem Betreiber des Gastransportsystems der Ukraine abgeschlossen werden, gibt es keine anderen zuverlässigen Quellen für eine Rückzahlung der finanziellen Ressourcen, die augenscheinlich nur auf dem internationalen Markt und nur zu Garantien für Transitlieferungen von Gas gewonnen werden können. Die USA und/oder die BRD werden weder Investitionen an sich für solch ein Projekt noch direkte Garantien für deren Rückzahlung geben.

Ja, aber was sie bestimmt zu gewähren bereit wären (und sie würden darauf bestehen), wenn – sagen wir einmal – das Projekt eines internationalen Konsortiums zur Modernisierung des Gastransportsystems der Ukraine (oder des aus ihm ausgeklammerten Transitkorridors) erfolgen könnte – wobei wiederholt sei, ohne eine Beteiligung von Russland/GAZPROM ist es unmöglich, solch ein Projekt kommerziell zu realisieren -, so sind dies gebundene Kredite und/oder Garantien ihrer Export-Import-Banken für die Lieferungen amerikanischer und/oder deutscher Anlagen und Ausrüstungen für die Modernisierung des ukrainischen Gastransportsystems. Wobei angenommen wird, dabei zweimal zu gewinnen – durch die Zinsen für die gebundenen Kredite und durch die Lieferungen der Anlagen und Ausrüstungen (und folglich durch die Zunahme der Auslastung ihrer – in den USA und/oder in Deutschland – Produktionskapazitäten und durch die Zunahme der Beschäftigung).

Solch ein neuer Marshallplan ist jetzt in einer gemeinsamen Ausführung der USA und BRD für die Ukraine und auf einer „Gas“-Basis – auf der Grundlage eines Transits russischen Gases in die EU – wahrscheinlich unmöglich. Im Unterschied zum originalen Nachkriegs-Marshallplan der Vereinigten Staaten für Westeuropa (Ende der 1940 und Anfang der 1950er), der auf einer „Öl“-Basis war – auf der Grundlage von Erdöllieferungen aus dem Nahen Osten nach Europa und vor allem durch die amerikanischen Unternehmen, die zum Internationalen Ölkartell gehörten. Dem Marschall-Plan lagen Lieferungen amerikanischer (in erster Linie auf dem US-Binnenmarkt überschüssiger) Erzeugnisse nach Westeuropa zugrunde, die auf der Basis gebundener Kredite erworben wurden, die eben durch die USA den Westeuropäern gewährt worden waren.

Was wahrscheinlich möglich ist, so ist dies ein „Marshallplan“ für die Ukraine auf einer „Wasserstoff“-Basis. Was im Übrigen jüngst (am 9. Juli auf der INNOPROM in Jekaterinburg) Anatolij Tschubais, Sondervertreter des russischen Präsidenten für Kontakte mit internationalen Organisationen für das Erreichen der Ziele hinsichtlich einer stabilen Entwicklung, erklärte. „Frau Merkel wird … einen offiziellen USA-Besuch zwecks Erörterung der Frage großer deutsch-amerikanischer Investitionen in der Ukraine für die Errichtung eines Mega-Projekts zur erneuerbaren Energie unternehmen. Ziel sind die Produktion von Wasserstoff und dessen Export nach Deutschland“. Freilich erklärte er da auch sofort, dass „die Bürger Russlands sich beeilen müssen und dieses Wettrennen mit der Ukraine nicht verlieren dürfen“. Seinem Appell („grünen Wasserstoff“ in Russland zu erzeugen und ihn über das bestehende Gastransportsystem von GAZPROM in die EU zu exportieren) kann ich aber kategorisch nicht zustimmen. Aber eine wirtschaftliche Logik des Wasserstoff-Investitionsprojektes der USA und der BRD für die Ukraine ist für mich durchaus erkennbar. Im Rahmen der Logik eines neuen „Marshallplans“ (wo stets der Hauptnutznießer nicht derjenige sein wird, dem man hilft, sondern derjenige oder diejenigen, der bzw. die hilft bzw. helfen).

Im internationalen Abschnitt der EU-Wasserstoff-Strategie wird direkt auf die Zweckmäßigkeit einer Involvierung der Ukraine in die Produktion des sogenannten „grünen“ oder „erneuerbaren“ Wasserstoffs (der durch Elektrolyse von Wasser auf der Basis von Elektroenergie aus erneuerbaren Energiequellen) mit dessen weiteren Lieferung in die EU hingewiesen. Denn es wird eingestanden, dass die EU im besten Falle lediglich die Hälfte ihres prognostizierten Bedarfs an „grünem“ Wasserstoff sichern kann. Und die zweite Hälfte der Elektrolyse-Anlagen (mit einer Leistung von 40 Gigawatt) zwecks dessen Produktion soll in den Ländern der sogenannten Südlichen und Östlichen guten Nachbarschaft (in erster Linie in Nordafrika, auf dem Westbalkan und in der Ukraine) geschaffen werden. Es geht also um das Tandem Elektroenergie aus erneuerbaren Energiequellen und Wasserstoff, das heißt „grünem“ oder „erneuerbarem“ Wasserstoff.

Folglich muss man die übermäßigen Kapazitäten der ukrainischen AKW, die noch zu Sowjetzeiten projektiert und errichtet wurden, zum Einsatz bringen, wo bereits eine aktive Ersetzung der russischen Anlagen und Ausrüstungen durch amerikanische, vor allem von der Firma Westinghouse Electric Corporation erfolgt. Die Ukraine ist ein recht sonnenreiches Land. Daher stellt man sich eine Entwicklung einer Energiewirtschaft auf der Basis erneuerbarer Energiequellen in ihm auf der Grundlage von Solar-Kraftwerken vor. Ich bin nicht sicher, dass es den Vereinigten Staaten und Deutschland gelingen wird, den ukrainischen Markt der Solarzellen zu erobern (70 Prozent deren Weltherstellung sind doch in China konzentriert). Aber über die Mechanismen der gebundenen Kredite besteht durchaus eine Chance. Ausgeklammert bleiben dabei die Frage nach einer Nutzung der fruchtbaren ukrainischen Schwarzerde-Böden für den Bau von Sonnenkraftwerken und andere mittelbare, aber recht wesentliche Folgen solch einer Entscheidung.

Was aber bereits ganz bestimmt die BRD in der Ukraine im Rahmen solch eines „Mega-Projekts zur erneuerbaren Energie“ sieht, dies ist ein Absatzmarkt für ihre Elektrolyse-Anlagen „Made in Germany“. Im Grunde genommen liegt gerade dieser Logik das der Russland (über die deutsch-russische Außenhandelskammer) aufgedrängte deutsche Modell einer außenwirtschaftlichen Zusammenarbeit in der Wasserstoff-Energetik zugrunde, gegen das ich aktiv auftreten (gegen die Herstellung von „grünem“ Wasserstoff und dessen weiteren Export in die EU/BRD über das existierende Gastransportsystem), dessen immer aktiverer Verfechter aber das für mich nahe Energieministerium ist (immerhin habe ich fast zwei Jahre in ihm gearbeitet, wobei ich in der Gaidar-Regierung für die außenwirtschaftliche Zusammenarbeit und direkten ausländischen Investitionen verantwortlich war, und lange Zeit, bis zu meiner Tätigkeit in Brüssel als Berater des Ministeriums wirkte).

Dieses Modell liegt auch – ich habe keinen Zweifel daran – der vorgeschlagenen „Wasserstoff-Zusammenarbeit“ der EU – und insbesondere der BRD – mit anderen Nachbarländern der EU/BRD zugrunde. Die Bundesrepublik stellt für die Unterstützung und Propagierung gerade solch eines Modells zwei Milliarden Euro von den neun Milliarden Euro, dir für das gesamte Wasserstoff-Programm vorgesehen sind, bereit.

Also zeichnet sich im Rahmen der „Wasserstoff-Zusammenarbeit“ der USA und der BRD mit der Ukraine als ein Teil des „wirtschaftlichen und strategischen Schutzes“ letzterer „in den Projekten, die mit der Energetik verbunden sind“, folgende Konstruktion ab: Die Ukraine ist ein Absatzmarkt für AKW-Anlagen (aus den USA), Solarzellen (aus den USA und der BRD) sowie von Elektrolyse-Anlagen (aus Deutschland) für die Erzeugung von Elektroenergie (erneuerbare Energiequellen/AKW). Und auf der Grundlage ihrer überschüssigen Produktionsmengen soll (für eine Nivellierung der regelmäßigen nächtlichen und Tages-„Einbrüche“ in der Auslastung für die AKW und für eine Ausgleichung der nichtvoraussagbaren meteorologischen Spitzenzeiten für die Sonnenkraftwerke), indem diese Elektroenergie zu einem Null- oder negativen Preis erworben wird, „grüner“ oder „erneuerbarer“ Wasserstoff für den Export in die EU produziert werden. (Der Binnenmarkt der Ukraine wird noch lange nicht für einen Konsum von Wasserstoff bereit sein.) Dafür wird es notwendig sein, das ukrainische Gastransportsystem für Wasserstoff oder Methan-Wasserstoff-Gemische zu modernisieren. Und es ist klar, auf der Grundlage amerikanischer und/oder deutscher Anlagen und Ausrüstungen sowie Technologien. Bei der Kommentierung des Themas „Nord Stream 2“ erklärte Biden auf der Pressekonferenz am 16. Juli, dass die USA und Deutschland Freunde seien. „Gute Freunde ‑ das weiß man schon seit Langem ‑ können das vertragen, auch dass wir nicht unbedingt einverstanden sind“. Und ich füge dabei hinzu, dass sich Freunde stets einigen. Besonders wenn es um die Möglichkeit geht, sich auf Kosten eines dritten zu einigen.

Freilich ist unbekannt, woher solch eine Menge an Methan ohne russisches Erdgas genommen werden soll, um eine geringere Tiefe der Modernisierung des Gastransportsystems bei dessen Umstellung auf den Export von Methan-Wasserstoff-Gemischen als für deren Umstellung vollkommen auf den Transport von Wasserstoff zu gewährleisten. Für dessen Umstellung auf Wasserstoff werden prinzipiell andere Stähle und andere Materialien für den linearen Teil der Gaspipelines und die Verdichteranlagen gebraucht. Und dies verlangt um ein Mehrfaches mehr an Ausgaben. Für mich ist aber vollkommen offensichtlich, dass alle finanziellen Ressourcen, die für solch ein Programm einer „Wasserstoff-Kooperation“ bereitgestellt werden, auf der Grundlage einer Projektfinanzierung und nur in Form von gebundenen Krediten (für den Erwerb gerade amerikanischer und/oder deutscher Anlagen und Ausrüstungen) zur Verfügung gestellt werden. Und es ist offenkundig, mit staatlichen Garantien der ukrainischen Regierung. Ergo hat erstens der ukrainische Steuerzahler für dieses ganze Vergnügen, dass es gemeinsame amerikanisch-deutsche Interessen zum „wirtschaftlichen und strategischen Schutz“ der Ukraine „in Projekten, die mit der Energetik verbunden sind“, gibt, zu zahlen. Zweitens kann die Modernisierung des ukrainischen Gastransportsystems für Lieferungen von Wasserstoff oder Methan-Wasserstoff-Gemischen zu einem für die USA und BRD guten und fernen (ausländischen wie seinerzeit das Bíkini-Atoll für die USA oder abgelegenen wie Nowaja Semlja für die UdSSR) Testgelände für die Erprobung amerikanischer und deutscher Anlagen und Ausrüstungen auf ihm werden, damit alle Risiken der „Lernkurve“ die Ukraine treffen. Es sei daran erinnert, dass ein großangelegter Pipelinetransport von Wasserstoff über große Entfernungen und bei einem hohen Druck heute ein technologisch nicht durchgearbeitetes und mit hohen Risiken (in erster Linie mit möglichen ernsthaften technogenen Risiken) verbundenes Unterfangen ist.

Also erhalten wir einen neuen „Marshallplan“, dieses Mal für die Ukraine und auf Kosten der Ukraine.

 

(3) USA – BRD – Nord Stream 2

 

Der größte Interessenkonflikt besteht im Grunde genommen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland. Der amerikanische Kampf gegen „Nord Stream 2“ ist ein Konkurrenzkampf mit allen (und jetzt auch mit früher unerlaubten) Mitteln um das LNG der USA gegen das russische Pipelinegas auf dem EU-Markt, das diesen Konkurrenzkampf im Rahmen des globalen Wettbewerbs gewonnen hat.

Dies ist vom Wesen her eine rein innere amerikanische Angelegenheit. Unter dem Vorwand des Kampfes gegen „Nord Stream 2“, wobei sie angeblich die Energiesicherheit Europas verteidigen, versuchen die USA, ihr LNG dorthin zu bringen. Dieses Bild war bereits vor zehn Jahren klar, als der bekannte Öl- und Gasanalytiker Thierry Bros (der damals in der französischen Investitionsbank Société Générale arbeitete) in seinem Buch „After the US Shale Gas Revolution“ schrieb, dass die USA in Europa hohe Gaspreise bräuchten, um die Wettbewerbsfähigkeit ihres LNG zu sichern. Was sie auch zu tun versuchen. Daher brauchen sie es, dass das billige russische Pipelinegas von dort verschwindet, was über „Nord Stream 2“ nach Nordwesteuropa kommen wird, wo die hauptsächlichen Zentren des Gasverbrauchs und die LNG-Empfangsterminals konzentriert sind. Die Trasse von „Nord Stream 2“ ist kürzer als der ukrainische Transitkorridor, Die Pipeline „Nord Stream 2“ ist technologisch moderner. Ein höherer Druck und eine geringere Anzahl von Verdichterstationen bedeuten geringere Transportkosten und einen geringeren Transporttarif. Daher kann das russische Gas, das über „Nord Stream 2“ in die EU kommt, wettbewerbsfähiger bei einem geringeren Niveau der Gaspreise als das amerikanische LNG in Europa bleiben. Die Vereinigten Staaten brauchen dies nicht. Daher versuchen sie auf jegliche Weise das russische Gas auszubooten, das über „Nord Stream 2“ fließen wird, unter anderem mit Schreckgespenstern vom Typ „GAZPROM hält einen großen Teil des Marktes in der EU, indem es nichtmarktwirtschaftliche Methoden verwendet“ (direkt oder aus dem Munde der osteuropäischen „Jungeuropäer“ – ihrer NATO-Juniorpartner). Daher müsse man dessen Anteil beschneiden.

Diese Behauptung ist aber vom Wesen her falsch. Ich stimme Spencer Dale, dem Chefökonom von BP, absolut zu, der in den letzten Jahren überall wiederholt, dass das russische Gas seinen heutigen Anteil auf dem europäischen Markt (etwa ein Drittel) im globalen Wettbewerb gewonnen habe. Wir leben heute bereits in der Ära eines globalen Gasmarkts. Der internationale LNG-Markt hat die regionalen Märkte (vorrangig) der Gasnetz-Betreiber zu einem einheitlichen globalen Gasversorgungssystem vereint. Und Russland hält auf ihm, unter anderem auch in Europa, seinen Anteil im Rahmen des globalen Wettbewerbs. Folglich: Wenn es nicht möglich ist, uns im Rahmen eines sauberen, eines offenen Wettbewerbs zu zügeln und zu übertrumpfen, werden administrative Maßnahmen gebraucht. Der Konkurrenz muss aus dem Weg geräumt, am besten aber getötet werden. Indem ihm sozusagen Glasscherben in die Laufschuhe gestreut werden. Eben darauf ist die Politik der USA hinsichtlich „Nord Stream 2“ gerichtet. Und weiter gesehen – in Bezug auf das russische Gas in Europa.

Diese Logik des Kampfes des US-amerikanischen LNG gegen das russische Pipelinegas in Europa wurde in der letzten Zeit zu einer allgemein verbreiteten Erkenntnis, in unserem Land besonders, nachdem sich zu diesem Thema im Herbst 2017 die beiden ersten Personen in der russischen Hierarchie geäußert hatten.

Es gibt aber noch einen wichtigen Aspekt, über den kaum einer spricht – oder fast keiner. Ich bin der Auffassung, dass der Kampf der USA gegen „Nord Stream 2“ nicht so sehr ein Kampf der Vereinigten Staaten gegen Russland als vielmehr ein Kampf der USA gegen die BRD ist. Gegen den eigenen außenpolitischen Partner, gegen den „eigenen Freund“ laut den Worten Bidens. Und dieser Kampf hängt damit zusammen, dass die USA die BRD nötigen wollen, das teurerer amerikanische LNG zu kaufen und damit die Wettbewerbspositionen Deutschlands im globalen Wettbewerb außerhalb der Energiebranchen – der Waren des Maschinenbaus, der Erzeugnisse der Hochtechnologie-Sektoren und Verarbeitungsindustrie usw. – zu verschlechtern. In solch einem Fall wird die Energie-Komponente in den gesellschaftlich erforderlichen Kosten in die Höhe gehen und aufgrund dessen sich die deutschen Wettbewerbspositionen auf dem globalen Markt der Erzeugnisse der verarbeitenden Branchen verschlechtern.

Daher verwendet der berüchtigte Senator Ted Cruz aus Texas (wo die wichtigsten Exportterminals und Betriebe für LNG der USA konzentriert sind) das Bild Russlands und die Geschichte um „Nord Stream 2“ als Schreckgespenst für das Durchboxen eigener Wirtschaftsinteressen, nicht nur der USA, sondern auch seines Bundesstaates, für den er ständig für einen Sitz im Senat kandidiert.

Am deutlichsten und unverhohlensten ist diese These im Wortlaut des allerersten amerikanischen Sanktionsgesetzes Nr. 115-44 „Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act“ vom 02.08.2017 artikuliert worden. Im Artikel 257 „Die Energiesicherheit der Ukraine“ lautet der abschließende Punkt 10, dass die „Regierung der USA dem Export amerikanischer Energieressourcen zwecks Schaffung neuer Arbeitsplätze in den USA, Hilfe für die Verbündeten und Partner der USA und Verstärkung der Außenpolitik der USA erstrangige Aufmerksamkeit schenken“ müsse. Als ein gesonderter Punkt im Artikel 257 steht auch der direkte Widerstand gegen den Bau von „Nord Stream 2“. Dort heißt es, dass „die offizielle Politik der USA … die Fortsetzung des Widerstands gegen das Pipelinevorhaben „Nord Stream 2“ ist, wobei dessen zerstörerische Wirkung auf die Energiesicherheit der EU, die Entwicklung des Energiemarktes in Zentral- und Osteuropa und die Energiereformen in der Ukraine berücksichtigt werden“. Der Abschnitt 232 „Sanktionen gegen die Entwicklung von Pipelines in der Russischen Föderation“ ist vollkommen einem Widerstand gegen den Bau von exportorientierten Pipelines der Russischen Föderation gewidmet.

Ja, so sieht der Hintergrund der Unterstützung der Energie-Unabhängigkeit und der Energie-Souveränität der Ukraine aus. Und der Zusammenarbeit mit der BRD in dieser Frage.

Eben so sehe ich die Blöcke der Fragen, die die abgeschlossenen Verhandlungen (der Überwasserteil des Eisberges) und die Interessen (sein unter Wasser liegender Teil) der USA und der BRD in Bezug auf „Nord Stream 2“ und die Resultate, die die Seiten in dem letztlich erzielten Abkommen zwischen Washington und Berlin verankerten, betreffen.

 

Standpunkt der Redaktion „NG Deutschland“ (www.ngdeutschland.de)

In der gemeinsamen amerikanisch-deutschen Erklärung, die auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes in Bezug auf „Nord Stream 2“ veröffentlicht wurde, heißt es: „Deutschland betont, dass es sich in Bezug auf Nord Stream 2, soweit es unter deutsche rechtliche Zuständigkeit fällt, sowohl an den Wortlaut als auch den Geist des Dritten Binnenmarktpakets halten wird, um Entflechtung und Zugang von Drittparteien sicherzustellen. Dazu gehört auch die Bewertung von Risiken aufgrund der Zertifizierung des Projektträgers für die Sicherheit der Energieversorgung der EU.

Die Vereinigten Staaten und Deutschland stimmen in der Auffassung überein, dass es im Interesse der Ukraine und Europas liegt, den Gastransit durch die Ukraine auch über 2024 hinaus fortzusetzen. Im Einklang mit dieser Auffassung verpflichtet sich Deutschland dazu, alle verfügbaren Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um eine Verlängerung des Gastransitabkommens der Ukraine mit Russland um bis zu zehn Jahre zu ermöglichen, und hierfür einen Sondergesandten zu ernennen. Die Verhandlungen sollen so bald wie möglich, spätestens aber am 1. September, beginnen. Die Vereinigten Staaten verpflichten sich dazu, diese Bemühungen uneingeschränkt zu unterstützen“.

Die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland teilte bei ihrem Auftritt bei Anhörungen im US-Senatsausschuss für internationale Angelegenheiten mit, dass die Offiziellen der USA und der BRD im Abkommen zu „Nord Stream 2“ die Bereitschaft bekunden würden, eine Verlängerung des Vertrags über den Transit russischen Gases durch die Ukraine um zehn Jahre zu erreichen. „Noch ein Aspekt dieses Abkommens ist die Unterstützung der Prolongierung des Transit-Abkommens zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine. Wie Sie wissen- läuft dessen Geltungsdauer im Jahr 2024 aus. Wir werden unter Ausnutzung der Hebel zur Einflussnahme erreichen, dass man ihn um zehn Jahre verlängert“, sagte sie. Nuland fügte hinzu, dass das Abkommen gleichfalls vorsehe, dass Washington und Berlin anstreben, „sowohl die wirtschaftliche Abhängigkeit der Ukraine des Transits russischen Gases als auch die Abhängigkeit der Ukraine von Gaslieferungen aus der Russischen Föderation auf ihr Territorium zu verringern“. Die stellvertretende US-Außenministerin teilte gleichfalls mit, dass das von den Vereinigten Staaten und der BRD vorbereitete Abkommen bezüglich „Nord Stream 2“ vorsehe, dass die deutsche Seite bereit sein werde, Maßnahmen in dem Fall zu ergreifen, wenn Russland die Lieferung von Energieträgern für die Ausübung von Druck auf andere Länder ausnutzen oder aggressive Handlungen gegen die Ukraine vornehmen werde. „Die BRD hat sich verpflichtet, Maßnahmen auf nationaler Ebene zu ergreifen, aber auch Maßnahmen auf EU-Ebene, darunter Sanktionen zu erreichen, wenn Russland die Energiewirtschaft als Waffe verwendet oder aggressive Handlungen gegen die Ukraine unternimmt“, sagte sie.

Nach Aussagen Nulands würden solche Antwortmaßnahmen darauf abzielen, um „den russischen Export von Energieträgern nach Europa einzuschränken“.

Das Erreichen der Vereinbarungen haben vor allem die an dem Projekt beteiligten Firmen begrüßt. So veröffentliche das deutsche Unternehmen Wintershall Dea die folgende Erklärung:

„Als ein internationales Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland begrüßen wir das Reloading der transatlantischen Beziehungen sowie das Streben Berlins und Washingtons nach einer gemeinsamen Überwindung der politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen.

Wir sind davon überzeugt, dass „Nord Stream 2“ einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung der Energiesicherheit in Europa und dessen Übergang zu einer klimasicheren Energieversorgung leisten, aber auch helfen wird, den weiteren Rückgang der Umfänge der eigenen Gasförderung in Europa zu kompensieren. Diese Pipeline wird zu einer modernen, wirtschaftlich effizienten und ökologisch sicheren Route, über die das Gas direkt zu den europäischen Verbrauchern gelangen wird. Im Unterschied zu vielen anderen Infrastrukturprojekten hat „Nord Stream 2“ keinerlei Subventionen oder eine staatliche Finanzierung erhalten. Eine gut entwickelte Infrastruktur – dies sind Optionen und keine Pflichten. Als ein Finanzinvestor des Projekts hoffen wir, dass „Nord Stream 2“ in kürzester Frist abgeschlossen und in Betrieb genommen wird“.

Nach Meinung des Ostausschusses der

Nach der Meinung vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft hätten sich „Deutschland und die USA auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt, um den Konflikt um die Ostseepipeline Nord Stream 2 zu lösen. Diese sieht unter anderem die Unterstützung der Ukraine bei der Transformation ihres Energiesektors, die Stärkung der europäischen Energiesicherheit und das Bekenntnis zur Zusammenarbeit in der Klimapolitik vor. Dazu sagt der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes:

„Wir hoffen, dass die nun erzielte deutsch-amerikanische Verständigung über Nord Stream 2 die jahrelangen Unsicherheiten für die beteiligten Unternehmen beseitigt und den Weg für dieses wichtige europäische Energieprojekt endlich freimacht.

Wir halten Nord Stream 2 weiterhin für eine Schlüssel-Infrastruktur für die künftige deutsche und europäische Energieversorgung. Kurzfristig wird die Pipeline uns helfen, die rasch sinkende Erdgasproduktion in den Niederlanden und Norwegen und einen steigenden Gasbedarf durch den Kohle- und Atom-Ausstieg auszugleichen. Mittelfristig hat die Pipeline großes Potenzial, auch Wasserstoff zu transportieren und die jahrzehntelange, verlässliche Energiepartnerschaft mit Russland zu einer Klimapartnerschaft weiterzuentwickeln. Angesichts des großen Potenzials Russlands für eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung Europas würde ein energiewirtschaftliches „Decoupling“ von Russland die Energiewende in der EU und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gefährden. Die heutige Verständigung ist ein wichtiges Signal gegen ein solches „Decoupling“.

Wir begrüßen die angekündigte finanzielle Unterstützung der Ukraine beim Umbau ihrer Energieversorgung. Das Land hat beste Voraussetzungen für die Bereitstellung und den Einsatz erneuerbarer Energien und grünen Wasserstoffs und kann damit eine wichtige Rolle für die Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft spielen. Wichtig ist, dass aus diesen Voraussetzungen schnell konkrete Projekte werden. Die deutsche Wirtschaft steht bereit, sich hier einzubringen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die angestrebte weitere Nutzung und Modernisierung des Gastransitsystems der Ukraine ist wichtig, um diese Infrastruktur auch für die Zukunft intakt zu halten. Wenn jetzt die Weichen richtig gestellt werden, hat das ukrainische Erdgasnetz auch eine Wasserstoff-Zukunft.

Europäische Energiepolitik muss grundsätzlich weiter in Brüssel, nicht in Washington gemacht werden. Die angekündigte enge Abstimmung der USA und Deutschlands in der Energie- und Klimapolitik in Mittel- und Osteuropa kann aber einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. Diese wird nur durch Kooperation gelingen,“ heißt es in einer Pressemitteilung des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft vom 22. Juli.

Dies sei eine Frage des Bedarfs. Werde es eine Nachfrage geben, werde es auch einen Transit russischen Gases durch die Ukraine nach 2024 geben, erklärte der russische stellvertretende Außenminister Alexander Gruschko in einem Kommentar zur Vereinbarung der USA und der BRD zu „Nord Stream 2“.

„Nach Schätzungen führender internationaler Agenturen wird der Bedarf an Gas nur zunehmen. Gerade davon müssen sich die Endverbraucher leiten lassen. Da der Transit kein primäres, sondern ein sekundäres Element in den Gasbeziehungen ist. Wird es eine Nachfrage geben, wird es auch einen Transit geben“, sagte Gruschko laut der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti auf eine Frage zur Perspektive des Transits russischen Gases nach 2024. Dabei erklärte er, dass er nicht verstehe, wie die „titanischen Anstrengungen“ der USA zur Abschaltung Europas vom russischen Gas und der Versuch es zu zwingen, amerikanisches zu kaufen, mit der Forderung nach einer Beibehaltung des Gastransits über die Ukrainenach 2024 zusammenpassen. „Es ergibt sich, dass die USA die Europäer überreden müssen, weiter russisches Gas zu erwerben, denn ohne einen Endverbraucher kann es auch keinen Transit geben“, betonte Gruschko.

„GAZPROM ist stets an „Nord Stream 2“ wie an ein Wirtschaftsprojekt herangegangen. Sein Ziel ist es, die Zuverlässigkeit, Stabilität und Diversifizierung der Gaslieferungen für den Markt der Europäischen Union zu sichern. Aber auch eine Reduzierung der Kosten des Gases für die Endverbraucher durch eine kürzere Transportroute – fast um 2.000 Kilometer weniger bis zum Territorium Deutschlands als über das Gastransportsystem der Ukraine. Und die Einhaltung aller erforderlichen modernen Umweltschutzanforderungen. So werden die CO2-Emissionen durch „Nord Stream 2“ um das 5,6fache geringer sein, unter anderem durch die Reduzierung der Anzahl der Verdichterstationen, als für die ukrainische Transportroute.

Dabei hat GAZPROM stets die Bereitschaft zur Fortsetzung des Gastransits durch die Ukraine unterstrichen, unter anderem auch nach 2024, ausgehend von der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des technischen Zustands des ukrainischen Gastransportsystems.

Die Fragen der neuen Mengen der Einkäufe von Gas aus Russland für einen Transit über das Territorium der Ukraine müssen zu marktwirtschaftlichen Bedingungen und entsprechend den Marktpreisen geklärt werden. Für die Mengen der neuen Einkäufe an russischem Gas mit einem Transport über die ukrainische Route über die gesamten aktuellen Transitverbindlichkeiten hinaus ist GAZPROM bereit, sogar das Volumen des Transits durch die Ukraine aufzustocken.

Wir halten die Beteiligung der deutschen Partner an solch einer Arbeit unter Berücksichtigung der bereits skizzierten Pläne zur Dekarbonisierung der EU-Wirtschaft für eine durchaus begründete“.