Laut Angaben der „NG“ nimmt ungeachtet dessen, dass die Kandidaten-Liste von „Jabloko“ noch nicht durch die Zentrale Wahlkommission bestätigt worden ist, der Druck auf die Partei zu. Allerdings vorerst punktuell. Die Organisation erwartet die offizielle Registrierung der föderalen Liste der Kandidaten für die Staatsduma-Wahlen erst am 5. August. Bisher aber hat man in der Zentralen Wahlkommission die Echtheit der vorgelegten Dokumente in Zweifel gezogen.
Bei der Tagung der Zentralen Wahlkommission am vergangenen Freitag wurden Zweifel an den Dokumenten der Partei „Jabloko“, die für die Registrierung der Kandidaten zu den Wahlen zur Staatsduma (Russlands Unterhaus – Anmerkung der Redaktion) eingereicht worden waren, angemeldet, wonach der Partei eine Mitteilung über die ermittelten Mängel zugesandt wurde. Die Wahlkommission entschied, dass unter den Kandidaten für das russische Unterhaus Personen seien, die mit NGOs verbunden seien, die den Status ausländischer Agenten tragen. Als solche Personen erwiesen sich konkret Andrej Piwowarow und Marina Agalzowa. Ein Dementi (oder eine Bestätigung) soll bis zum 3. August erfolgen.
Wie die Sekretärin der Zentralen Wahlkommission Natalia Budarina erläuterte, seien entsprechend den Ergebnissen der Überprüfung Informationen aus dem Justizministerium hinsichtlich von zwei Kandidaten erhalten worden, die mit Organisationen verbunden waren, die ins Register der NGOs aufgenommen wurde, die Funktionen ausländischer Agenten wahrnehmen. Andrej Piwowarow ist Vorsitzender und Gründer der Organisation „Offenes Petersburg“ (einer NGO, die die Funktion ausländischer Agenten in Russland wahrnimmt). Und Marina Agalzowa habe Gelder von der Organisation „Institut für Recht und öffentliche Politik“ (ebenfalls eine NGO, die laut offizieller russischer Sicht Funktionen ausländischer Agenten im Land wahrnehme) erhalten. Piwowarow befindet sich bereits zwei Monate in Krasnodar in U-Haft und wird dort mindestens bis zum 29. Oktober bleiben (wenn nicht eine Haftprüfungsverhandlung anders entscheidet – Anmerkung der Redaktion). Dem Politiker wird die Teilnahme an der Tätigkeit einer „unerwünschten Organisation“ angelastet (Artikel 284.1 des russischen Strafgesetzbuches).
Den Kandidaten wurde vorgeschlagen, der Zentralen Wahlkommission entsprechende Erläuterungen bezüglich der Angaben vorzulegen, die durch eine Überprüfung des Justizministeriums gewonnen wurden. Die Kommission plant, die Registrierung der Liste der Partei „Jabloko“ nicht früher als am 5. August. Nunmehr müssen alle Agitationsmaterialien auf entsprechende Art und Weise markiert werden. Und die Angaben über den Status eines ausländischen Agenten sind im Abschnitt mit den Informationen über den Kandidaten auszuweisen.
Derweil geht der punktuelle Druck auf „Jabloko“-Kandidaten auch andernorts weiter. Im Vorfeld der offiziellen Registrierung für die Staatsduma-Wahlen interessierten sich im Autonomen Bezirk der Chanten und Mansen die Vertreter der Rechtsschutzorgane für den 38jährigen Kandidaten und Unternehmer Iwan Menschenin aus Chanty-Mansijsk. Am vergangenen Donnerstag stoppt im Stadtzentrum eine Streife der Verkehrspolizei überraschend seinen Wagen und überprüfte ihn mehrere Stunden lang auf Drogen und Alkohol. 2Aber damit war die Geschichte nicht beendet. Während die Inspektoren die Dokumente ausstellten, kamen weitere Autos zu ihnen gefahren, aus den Mitarbeiter in Zivil ausstiegen. Wie ich verstand, waren dies Vertreter des Föderalen Dienstes für die Kontrolle des Drogenverkehrs. Nach einer gewissen Zeit kehrten die Inspektoren zurück und erklärten, dass sie mein Auto hinsichtlich eines Vorhandenseins verbotener Stoffe kontrollieren wollen. Aber selbst danach ließ man mich nicht weiterfahren. Weiter verlangte man, einen medizinischen (Alkohol-) Test vorzunehmen. Ich pustete ins Röhrchen, das auswies, dass ich absolut nüchtern bin. Aber danach forderte man von mir, eine medizinische Untersuchung in einer psycho-neurologischen Vorsorgeeinrichtung vorzunehmen, wo ich Analyse abgab, darunter eine Harnprobe. Erst danach ließ man mich gehen“, berichtete der Kandidat. Das gesamte Vorgefallene bringt Menschenin mit der politischen Tätigkeit in einen Zusammenhang.
In Petersburg verschwand aus der Liste der „Jabloko“-Kandidaten für die Wahlen zur gesetzgebenden Versammlung (Regionalparlament – Anmerkung der Redaktion) plötzlich die Kandidatin Ksenia Michailowa. Die Territoriale Wahlkommission Nr. 18 im Petrograder Stadtbezirk hatte ihre Registrierung abgelehnt. In der Kommission erklärte man, dass Michailowa keinen Bescheid über die Ausgaben der minderjährigen Kinder vorgelegt hätte. Bei „Jabloko“ erklärt man, dass ihre Kandidatin den kompletten Dokumentensatz bereits am 22. Juli vorgelegt hätte. Dabei lehnte man es in der Wahlkommission nach Aussagen der „Jabloko“-Vertreter ab, einen neuen Bescheid entgegenzunehmen. „Alle, laut Gesetz erforderlichen Dokumente waren vorgelegt worden. Die Entscheidung über die Ablehnung einer Registrierung wird vor Gericht angefochten werden“, erklärte Michailowa. Wie der „Jabloko“-Abgeordnete im Petersburger Stadtparlament Boris Wischnewskij, der für das Stadtparlament und die Staatsduma kandidiert, erklärte, „ist Ksenia eine bekannte Anwältin und Menschenrechtlerin und befasst sich viele Jahre mit der Verteidigung politischer Häftlinge und bei öffentlichen Veranstaltungen Festgenommen sowie mit der Verteidigung der Wahlrechte der Bürger, wobei sie widerrechtlich entfernte Kandidaten verteidigt und oft Erfolg erzielt. Jetzt begleicht man mit ihr (offene) Rechnungen“.
Wie der „NG“ der Leiter des föderalen „Jabloko“-Stabs Grigorij Grischin erklärte, beabsichtige die Partei nicht, sich von ihren Kandidaten loszusagen, denen Verbindungen mit ausländischen Agenturen vorgeworfen werden. „Die Zentrale Wahlkommission hat uns Zeit für die Vorlage zusätzlicher Dokumente eingeräumt, doch was dies für Dokumente sind, ist uns bis zum Schluss unklar. Dabei hat es sich mit der Kandidatin Agalzowa so ergeben, dass das Institut, mit dem sie zusammengearbeitet hatte, ins Register der (unerwünschten Organisationen) bereits nach dem Einreichen der Dokumente in der Zentralen Wahlkommission durch „Jabloko“ geraten ist. Das heißt: Von uns verlangt man, dass wir die Zukunft voraussehen. Und mit Piwowarow ist es schwer, Kontakt zu unterhalten. Und der Zugang zu ihm hängt nur vom Wunsch der Rechtsschützer ab. Wenn man will, wird er einen Schriftwechsel beginnen und kann die Dokumente vorlegen, wenn sie nicht wollen, wird er es nicht können“, betonte der Politiker.
Nach Meinung der „Jabloko“-Vertreter sei die Entscheidung über die Verbindungen von Kandidaten der Partei mit ausländischen Agenten eine politisch motivierte. „Die Zentrale Wahlkommission nimmt nicht ohne eine Beteiligung der Administration des Präsidenten Beschlüsse an, wobei sie sich auf irrsinnige Gesetze stützt, die oben erfunden worden sind. Wir lassen uns nicht erpressen. Natürlich kann man unsere Kandidaten von den Wahlen ausschließen. Aber wir selbst werden uns von ihnen in keinem Fall trennen, selbst wenn man uns im Ergebnis ihrer Registrierung verpflichtet, einen „gelben Stern“ (wie einst die Juden in der Nazizeit – „NG“) anzuheften, und ungeachtet dessen, dass wir vier Millionen Exemplare der Agitationszeitung neu drucken müssen“, teilte Grischin mit. Der „Jabloko“-Vertreter erwartet, dass sich der Druck auf die Opposition nur verstärken werde.
„Durch ihre Handlungen stimulieren die Herrschenden eher das Interesse für „Jabloko“, wobei sie beweisen, dass die Partei eine Oppositionskraft ist“, formulierte Alexej Kurtow, Präsident der Russischen Assoziation politischer Konsultanten, seine Meinung gegenüber der „NG“. „Bisher ist kein großer Druck auf die Struktur von (Parteigründer Grigorij) Jawlinskij nicht zu bemerken. Aber selbst einzelne Attacken schaffen Informationsanlässe und lösen beim Protestwähler Mitgefühl aus“.