Die Anzahl der Kandidaten der „Jabloko“-Partei, die aufgrund einer sichtbaren oder nichtersichtlichen Verbindung mit Nawalny-Vertretern leiden, nähert sich einem Dutzend. Das selektive Ausschließen von den Wahlen erfolgt aufgrund von Klagen der Konkurrenten oder von Staatsanwälten oder simpel auf Beschluss von Wahlkommissionen auf der Grundlage von Bescheiden aus dem russischen Justizministerium. Experten heben hervor, dass „Jabloko“ letztlich dennoch gewinne: Die einzige außerparlamentarische Partei sei der Champion hinsichtlich der Verluste unter den oppositionellen Kandidaten und werde unweigerlich die Aufmerksamkeit des Protestelektorats gewinnen.
Die Offiziellen schließen weiter „Jabloko“-Vertreter aus den Listen der regionalen Kandidaten für die Staatsduma (das Unterhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) aus oder setzen sie der Gefahr solch eines Ausbootens aus. Aufmerksamkeit wird auch gegenüber den Teilnehmern der Wahlkampagnen in den Subjekten der Russischen Föderation demonstriert. Der Anlass ist einer – eine Beteiligung an verbotenen extremistischen Organisationen, das heißt: ein Zusammenwirken mit Nawalny-Vertreter (da ein entsprechendes neues Gesetz rückwirkend zur Geltung gebracht wird – Anmerkung der Redaktion). In den vergangenen Tagen hat es bereits mehr als drei Fälle gegeben – in Tatarstan, Nishnij Nowgorod und Jakutien.
Die Zentrale Wahlkommission beschloss, die Journalistin Natalia Resontowa aus der Kandidatenliste von „Jabloko“ auszuschließen. Sie leitete die Gruppe von Nishnij Nowogorod. Zuvor hatte man ihr schon eine Registrierung als Kandidatin für die Staatsduma im Direktwahlbezirk Nr. 129 verweigert. Die Entscheidung der Wahlkommission stützte sich auf ein Gutachten der regionalen Verwaltungen des Justiz- und des Innenministeriums. Diese Institutionen behaupten, dass Resontowa angeblich eine Beziehung zu extremistischen Organisationen habe und nicht an den Wahlen teilnehmen könne.
Zur gleichen Zeit teilte die Wahlkommission von Jakutien dem „Jabloko“-Kandidaten für einen Sitz in der Staatsduma im Wahlbezirk Nr. 24 und Leiter der regionalen Abteilung der Partei Anatolij Nogowizin mit, dass aus dem Justizministerium Informationen über seine Beteiligung an der Tätigkeit einer „extremistischen Organisation“ eingegangen seien und eine Überprüfung dieser Informationen erfolge. Die Gefahr eines Ausbootens hat sich auch für den Vorsitzenden der Tatarstan-Abteilung von „Jabloko“ und Kandidaten für die Staatsduma Ruslan Sinatullin ergeben. Er führt die Kandidatenliste der Partei in dieser Region an und kandidiert im Direktwahlbezirk Nr. 31. Ein Gericht hat Sinatullin bereits entsprechend einer Klage der Staatsanwaltschaft als eine Person eingestuft, die an einer extremistischen Organisation der Nawalny-Anhänger beteiligt war. Zuvor hatte das gleiche Gericht einer analogen Klage der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die „Jabloko“-Kandidatin für einen Sitz im Unterhaus, Jelena Isotowa, stattgegeben.
Es sei daran erinnert, dass zuvor das Moskauer Stadtgericht einen Beschluss über die Aufhebung der Registrierung von Lew Schlosberg als Kandidat für die Staatsduma im hauptstädtischen Wahlbezirk Nr. 207 fasste. Und in Bezug auf den Staatsduma-Kandidaten Alexander Korowainyj wurde ein ordnungsrechtliches Protokoll zu einem entfernten Videoclip zur Unterstützung der Nawalny-Vertreter ausgestellt. Der „Jabloko“-Duma-Kandidaten in der Altai-Region Viktor Rau wurde bereits per Gerichtsentscheid wegen der Teilnahme an den Januar-Meetings zur Unterstützung Nawalnys von den Wahlen ausgeschlossen.
Die „Jabloko“-Kandidaten bekommen auch bei den Regionalwahlen Probleme. Die Wahlkommission von Nowgorod schickt sich an, ein Gericht zwecks Aufhebung der Registrierung von Maxim Nikitin und Roman Maximow zu wenden. Beide kandidieren für das Regionalparlament. Man beabsichtigt, sie wegen einer angeblichen Verbindung mit „extremistischen Organisationen“ auszubooten. Maximow hatte früher eine Ordnungshaft abgesessen, und Nikitin erhielt Strafarbeiten wegen der Teilnahme an Kundgebungen zur Unterstützung politischer Häftlinge (laut Angaben der NGO „Memorial“ vom 16. August gibt es in Russland 410 politische Häftlinge – Anmerkung der Redaktion). Bemerkenswert ist, dass die Wahlkommission anfangs keine Fragen in Bezug auf die Parteiliste hatte. Die Kandidaten wurden registriert. Jetzt aber hat die Wahlkommission beschlossen, dass sie diese, ihre eigene Entscheidung über die Registrierung vor Gericht anfechten werde.
Betont sei, dass derartige Nachrichten praktisch tagtäglich eingehen. Und während die einen Kandidaten ihr Recht zu kandidieren vor Gericht durchsetzen, schließen die Wahlkommissionen und Gerichte andere von den Wahlen aus. Es gibt schon viele solcher Fälle eines Ausschlusses. Von daher ergibt sich die Frage: War die anfängliche Nichtaufnahme aktiver Nawalny-Anhänger in die „Jabloko“-Kandidatenliste das Ergebnis einer Absprache der Partei mit den Offiziellen, die die Oppositionellen etwas betrogen haben? Oder ist der Ausschluss von Kandidaten in den Regionen für „Jabloko“ von Vorteil, da dies in irgendeine Art und Weise doch eine PR-Aktion ist? Freilich wäre es da vorteilhafter gewesen, alle Nawalny-Vertreter auf die Liste zu setzen, um die Wahlkampagne mit einem Skandal zu beginnen. Die finale Frage besteht darin: Mit wem wird die Partei von Grigorij Jawlinskij nach dem selektiven Ausschluss einer Vielzahl von Kandidaten vor den Wählern antreten?
Alexej Kurtow, der Präsident der Russischen Assoziation politischer Konsultanten, erinnerte die „NG“ daran: „Jawlinskij ist ein vorsichtiger, akkurater und gewiefter Politiker. Daher hatte er sich von Anfang an von den Vertretern der außerparlamentarischen Opposition distanziert. Er befürchtete, dass man seine Partei nicht zu den Wahlen zulassen könne. Daher hatte er auf eine Auffüllung der Kandidatenliste durch „unerwünschte“ Personen verzichtet. Jetzt aber leiden jene der Kandidaten, die am aktivsten ihre staatsbürgerliche Position sowohl auf föderaler als auch auf regionaler Ebene gezeigt hatten“. Nach Meinung des Experten bringe solch eine Lage der Dinge für die Partei nur Scherereien, da in der Liste und vor Ort News-Maker und starke Kandidaten verloren gehen würden, die in der Lage seien, Wähler anzuziehen. Doch für ein Hochfahren einer großer Informationskampagne zu deren Unterstützung fehle es „Jabloko“ an Zeit als auch an Ressourcen. „Wenn man eine Bilanz zieht, so hat „Jabloko“ sicherlich nicht stark gewonnen, aber auch nicht stark verloren, während die Partei in den Grenzen ihrer elektoralen Nische bleibt. Und überhaupt haben diese Wahlen klar gezeigt: Die hauptsächlichen Akteure bleiben nach wie vor nur die Parlamentsparteien. Den übrigen fehlt es an Kräften für einen realen Kampf“, betonte Kurtow.
Der 1. Vizepräsident des in Moskau ansässigen Zentrums für Polittechnologien Alexej Makarkin merkte an, dass, „wenn es einen Vertrag der Partei mit dem Kreml geben würde, das heißt, alles Geschehene das Ergebnis eines durchdachten Plans gewesen wäre, es für die Partei Jawlinskij weitaus vorteilhafter gewesen wäre, demonstrativ die bekanntesten Nawalny-Vertreter auf die Liste zu setzen und bei ihrem Ausschluss sich als die oppositionellste Partei zu erklären“. Aber solch ein Frontalzusammenstoß hätte Folgen, die Zentrale Wahlkommission hätte „Fehler in den Dokumenten“ finden können. „Wahrscheinlich war das Erreichen eines Konsenses in Bezug auf Nawalny eine Bedingung für die Teilnahme an den Wahlen. Deshalb sind die „Jabloko“-Vertreter rational an die Registrierung der (Kandidaten-) Liste herangegangen, was zu Reputationsproblemen unter dem Protestelektorat und gleichzeitig zu Problemen mit dem Ausschluss von Kandidaten führte“, erklärte der Experte. Das heißt: Es hat sich herausgestellt, dass „Jabloko“ wie auch die anderen oppositionellen Kräfte nicht vor den sich ständig verändernden Spielregeln versichert sind. „Das Problem für die Opposition besteht darin, dass sie es mit einer sich ständig verändernden durchgehenden Doppellinie zu tun hat. Was gestern für die Herrschenden akzeptabel war, erweist sich heute als inakzeptabel“. Makarkin ist der Auffassung: Die Wahlen dieses Jahres würden sich dadurch unterscheiden, dass die Herrschenden die Lehren sowohl der Proteste in Weißrussland als auch die Straßenaktionen in Chabarowsk sowie der Wahlen zum Moskauer Stadtparlament im Jahr 2019 berücksichtigt hätten. Die Offiziellen hätten gleichfalls die Abschwächung des „Krim-Effekts“ ins Kalkül gezogen. Derweil sei die Haltung der Offiziellen hinsichtlich der „Jabloko“-Listen für die Partei sowohl eine vorteilhafte als auch eine verlustbringende. Einerseits erfolge eine Ausdünnung der Listen, besonders in den Duma-Wahlbezirken und in den Regionen. Andererseits würden die ernsthaften Probleme für „Jabloko“ unter den Menschen der radikal oppositionellen Subkultur eine Zunahme der Unterstützung auslösen. „Da „Jabloko“ im Protestelektorat ein Reputationsproblem hatte, bleibt beim Auftreten von Konflikten mit den Offiziellen ein nüchternes Ergebnis für die Partei – die emotionale Unterstützung des Protestelektorats in Form eines Votums für die bei den Wahlen verbliebenen Kandidaten“, betonte Makarkin.
Der Leiter der Politischen Expertengruppe Konstantin Kalatschjow erläuterte der „NG“: „Die Nichtaufnahme aktiver Nawalny-Vertreter in die (Kandidaten-) Liste war eine Entscheidung von „Jabloko“ an sich. Nicht nur zwecks Absicherung vor einem Ausschluss von den Wahlen, sondern auch für eine Wahrung ihrer Identität. Und die jetzigen Ausschlüsse von Kandidaten stehen mit „sich neu ergebenen Umstände“ in einem Zusammenhang. Es macht keinen Sinn, dies als eine gewisse PR-Aktion von „Jabloko“ anzusehen. Die Situation verändert sich einfach jeden Tag. Die Verschärfung und neuen Überprüfungen garantieren neue Verluste“. Nach Meinung des Experten werde man die Bilanz der Wahlkampfstrategie von „Jabloko“ anhand des Ergebnisses beurteilen müssen. Wenn man jedoch „auf ein Einnehmen einer harten entgegengesetzten Position setzt, so wäre es logischer gewesen, auf die Listen jene zu setzen, deren Anwesenheit ein Marker für den radikalen oppositionellen Charakter ist“. Nach Aussagen Kalatschjows „sieht alles — von der Seite aus gesehen — wie ein Scheitern der Politik von Kompromissen und Vereinbarungen aus, auch selbst wenn es nichts dergleichen gegeben hat“.