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Die Zahl der Anhänger von Leihmutterschaften nimmt in Russland zu


Es ist gut, „wie alle zu sein“ – ohne seltene Krankheiten, mit einer traditionellen sexuellen Orientierung wohlbehalten eine Ehe einzugehen und Kinder zur Welt zu bringen (wenn gewollt). Da kann man sich glücklich schätzen. Aber es klappt nicht immer so.

Das staatliche Allrussische Meinungsforschungszentrum VTsIOM hat eine Umfrage unter Einwohnern Russlands darüber durchgeführt, was sie über Leihmutterschaften wissen. An der am 5. September erfolgten Befragung hatten 1600 Menschen im Alter ab 18 Jahren teilgenommen. Die Umfragemethode basierte auf Telefoninterviews entsprechend einer stratifizierten zweistufigen zufälligen Auswahl von stationären und mobilen Telefonen. Und die Untersuchung erfolgte im Auftrag des Videoservice START.

Die überwiegende Mehrheit der Befragten (87 Prozent) waren in dem einen oder anderen Maße über die Prozedur der Leihmutterschaften informiert, und 20 Prozent waren gut informiert. Am besten besaßen Frauen (92 Prozent) und Menschen im Alter über 35 Jahre (87 bis 91 Prozent) Informationen über die Prozedur. Nichts von Leihmutterschaften wissen elf Prozent der Befragten. Von denen hatten sieben Prozent den Begriff gehört, verstehen jedoch nicht seine Bedeutung. Und vier Prozent hörten davon das erste Mal während der Befragung. Als am wenigsten informiert erwiesen sich junge Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren (18 Prozent).

Nach Meinung von 78 Prozent der Befragten seien der verbreitetste Grund für die Nutzung von Leihmutterschaften Behinderungen bezüglich der Gesundheit des Paares, das plant, sich ein Kind zuzulegen. Unter den Ursachen nannte man gleichfalls altersbedingte Einschränkungen der Ehefrau bezüglich des Austragens eines Kindes (29 Prozent) und schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit (23 Prozent). Weitere zehn Prozent nannten als Ursache den Unwillen der Frau, die Karriere zu unterbrechen, sieben Prozent – die Figur zu verderben und fünf Prozent – Dyskomfort (Schmerzen) während der Schwangerschaft zu ertragen.

Für eine zulässige halten 70 Prozent die Prozedur in einer komplizierten Situation, in der die Menschen selbständig keine Kinder zur Welt bringen können. Der Anteil solcher Menschen hat seit 2013 um zehn Prozent zugenommen. Für durchaus normal und zulässig halten die Nutzung von Leihmutterschaften in jeglicher Situation 14 Prozent, wobei solch einen Standpunkt häufiger Befragte im Alter von 18 bis 24 Jahren äußern (35 Prozent), aber auch Einwohner von Moskau, Sankt Petersburg und der anderen Millionenstädte (21 bis 24 Prozent).

Scharf gegen Leihmutterschaften traten 13 Prozent der Befragten auf. Am kategorischsten in dieser Frage sind Bürger im Alter ab 35 Jahren: 15 bis 16 Prozent gegenüber sechs bis zehn Prozent in der Altersgruppe unter 35 Jahren. Nach Meinung weiterer 18 Prozent von Befragten dürfe man die Leihmutterschaften überhaupt nicht auf gesetzlicher Ebene erlauben.

Im Juni war in der Staatsduma (das Unterhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) eine Gesetzesvorlage eingebracht worden, die den Kreis der Personen eingrenzt, die in Russland Leihmutterschaften nutzen können. Das Dokument, das von einer Gruppe von Abgeordneten unter Leitung des damaligen Vizechefs der Duma Pjotr Tolstoi (Kremlpartei „Einiges Russland“) ausgearbeitet wurde, schlägt Veränderungen im Artikel 55 des föderalen Gesetzes Nr. 323 „Über die Grundlagen des Schutzes der Gesundheit der Bürger der Russischen Föderation“ und ein völliges Verbot der Leistung für Ausländer vor. Außerdem, wenn das Dokument angenommen werden sollte, werden nur verheiratete kinderlose Paare und alleinstehende Russinnen, für die das Austragen und die Geburt eines Kindes aufgrund medizinischer Indikationen unmöglich sind, das Recht haben, die Prozedur der Leihmutterschaften zu nutzen. Ein oder beide Elternteile müssen dabei Bürger der Russischen Föderation sein. Die Autoren des Gesetzentwurfs an sich bewerteten ihn als eine „sichere Grundlage für eine erfolgreiche Lösung der Aufgaben im Bereich des Schutzes und der Garantiertheit der Rechte unserer Kinder“.

Zuvor hatte der Führer der Partei „Gerechtes Russland“ Sergej Mironow (der selbst bereits 68 Jahre alt ist – Anmerkung der Redaktion) ebenfalls vorgeschlagen, die Anwendung des Verfahrens einer künstlichen Befruchtung bzw. assistierten Reproduktion nur in den Einrichtungen zu erlauben, die zum staatlichen oder kommunalen System des Gesundheitswesens gehören. Somit werde, wie Mironow meint, eine Kontrolle über die Nutzung der Technologien, darunter der Leihmutterschaften, deren Regelung bis dahin in einem gesonderten Gesetzentwurf vorgesehen wurde, geschaffen.

Entsprechend dieser Mironow-Gesetzesvorlage können eine künstliche Befruchtung nur Eheleute in einer offiziell registrierten Ehe und alleinstehende Frauen nutzen. Und sie alle müssen die russische Staatsbürgerschaft besitzen. Als Hauptmotiv für die Ausarbeitung beider Dokumente wurde die übermäßige Kommerzialisierung des Bereichs der Leihmutterschaften ausgewiesen, ebenso mögliche kriminelle Schemas mit geborenen Kindern, aber auch jene Tatsache, dass diese Technologien Paare mit einer nichttraditionellen sexuellen Orientierung nutzten.

Die Nationale Vereinigung medizinischer Einrichtungen und die Russische Vereinigung für die Reproduktion des Menschen haben am 17. Juli an Premierminister Michail Mischustin einen Appell mit der Bitte gerichtet, die Annahme des Gesetzes über die Nutzung aller Arten medizinischer Hilfe unter Ausnutzung von Technologien zur künstlichen Befruchtung nur in staatlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens nicht zuzulassen (ein Scan des Appells ist auf der Internetseite der zweitgenannten Organisation zugänglich). Dies würde zu einer Einschränkung der Rechte und Freiheiten der Bürger führen und die Geburtenrate verringern.

In der Russischen Vereinigung für die Reproduktion des Menschen weist man darauf hin, dass rund 70 Prozent aller Fälle einer Behandlung von Unfruchtbarkeit unter Anwendung von Verfahren einer assistierten Reproduktion auf private Zentren entfallen würden. „Das Verbot für die Gewährung medizinischer Hilfe in medizinischen Einrichtungen in privater Hand und die Umleitung von Patientenströmen, darunter in andere Regionen der Russischen Föderation, führt zweifellos zu einer Einschränkung der Rechte und Freiheiten der Bürger inkl. des Rechts auf die Auswahl des Arztes und der medizinischen Einrichtung, verringert wesentlich die Zugänglichkeit und Qualität der medizinischen Hilfe, die durch den Staat garantiert wird, und verlängert um ein Mehrfaches die Zeit des Wartens auf sie“, heißt es im Appell der Mediziner-Vereinigungen.

Die Frage der künstlichen Befruchtung und besonders der Leihmutterschaften ist eine sehr delikate. Natürlich, diese Sphäre ist extrem kommerzialisiert. Da gibt es freilich ein weites Feld für die Korruption und jeglicher Missbräuche. Aber auch einen fruchtbaren Boden für Demagogie und unterschiedliche Spekulationen. Zu verbieten ist am einfachsten. Die Bürger, die über viel Geld verfügen, werden darunter nicht leiden. Sie lösen ohnehin ihre Probleme auch jetzt schon im Ausland. Ja, aber die gewöhnlichen Menschen, die über Jahre Mittel sparen und bereit sind, sich auf jegliche materiellen Opfer einzulassen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen (die Technologien einer assistierten Reproduktion sind ja keine billigen und können auch keine billigen sein), werden sich in einer ausweglosen Situation wiederfinden. Und das Kriminelle um die Leihmutterschaften wird nicht weniger werden. Eher das Gegenteil wird der Fall sein. Es wird zunehmen. Die Möglichkeiten werden erweitert.