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Lukaschenko erwartet im Februar einen Staatsstreich


Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko behauptet, dass der kollektive Westen im Land einen zweiten Staatsstreichversuch vorbereite. Und erneut hat er eine personelle Umbesetzung im KGB begonnen und verstärkt die Regierung mit Vertretern aus den Sicherheits-, bewaffneten und Rechtsschutzorganen. Den Weißrussen zeigt man die neuen Führungskräfte schon nicht mehr.

„Die Situation bleibt eine angespannte, und sie erlaubt uns nicht, sich in Ruhe zu wiegen. Sie wissen besser als andere, dass der erfolglose Versuch eines Staatsstreichs die Pläne des Gegners nicht veränderte. Der kollektive Westen mischt sich weiter in die inneren Angelegenheiten des Landes ein, wobei er auf einen Machtwechsel aus ist. Und das Gefährlichste für uns – auf eine Vernichtung der Unabhängigkeit unseres Staates“, erklärte Alexander Lukaschenko am Montag, als er die Personalentscheidungen im System des Inlandsgeheimdienstes KGB traf. „Als eines der möglichen Daten für einen erneuten Versuch einer Revolution (als Tag X, wie sie meinen) wird der Zeitraum für die Abhaltung des Verfassungsreferendums angesehen“, teilte er mit. Es sei daran erinnert, dass am Donnerstag letzter Woche die nächste Mitstreiterin Lukaschenkos und Vorsitzende des Oberhauses des weißrussischen Parlaments Natalia Katschanowa in einem Gespräch mit Journalisten mitteilte, dass das Referendum zum Verfassungsentwurf Ende Februar stattfinden werde.

Nach Aussagen Lukaschenkos offenbare sich die Vorbereitung zu einem zweiten Staatsstreich in der Verhängung von Sanktionen, der Finanzierung der Proteste und der Ausbildung von Kämpfern. „Wir wissen dies nicht bloß, wir arbeiten damit“, versicherte der Staatschef. Im Zusammenhang damit ordnete er an, jegliche „verfassungsfeindlichen Erscheinungen“ zu unterbinden, die Situation in den Arbeitskollektiven zu kontrollieren („dafür haben wir entsprechende Institute geschaffen“), eine offensive Informationspolitik „unserer Massenmedien“ verfolgen und „die Effektivität der Auslandsaufklärung“ erhöhen.

Alexander Lukaschenko warf dem Westen nicht nur die Organisierung eines Staatsstreichs in Weißrussland vor, sondern unternahm auch den Versuch, die europäischen Länder gegeneinander auszuspielen. Er kritisierte unter anderem Litauen und Polen dafür, dass „sie es sind, die illegale Migranten nach Deutschland und andere Länder des alten Europas bringen“. „Polen und Litauen werfen zielgerichtet Belarus eine angeblich künstliche Schaffung einer Migrationskrise vor, wobei sie Spezialoperationen zur Einrichtung von Kanälen für eine Verlassen der Internierungsorte für die Migranten auf das Territorium Deutschlands und Frankreichs durchführen sowie massenhaft und zynisch die Menschenrechte verletzen“ sagt er. 2Sie lassen extra diese Menschen aus den Lagern, wobei sie verstehen, dass sie nicht nach Polen und nicht nach Litauen gekommen sind. Genauso wie sie auch nicht nach Belarus kamen. Sie sind gekommen und gehen weiter. Sie gehen nach Deutschland. Sie sind nach wärmeren Ländern, wie sie sagen, unterwegs. Die Polen und Litauer verstehen dies und lassen sie still und leise aus den Lagern. Die Deutschen nehmen sie zu Tausenden bei sich auf dem Territorium fest. Wir besitzen diese Daten“. Nach seinen Worten sei die Zahl der an der Grenze ums Leben gekommenen Migranten weitaus höher, als offizielle Quellen melden würden. Er rief die Deutschen und Franzosen auf, „aufzuwachen und bei sich Klarheit zu erlangen“.

Interessant ist, dass man weder die Personen noch die Namen der neuen Führungskräfte im KGB, die Lukaschenko ernannt hatte, der Öffentlichkeit zeigte und nicht nannte. Öffentlich war lediglich die Ernennung des neuen Justizministers. Zu ihm wurde der Ex-Vizeinnenminister Sergej Chomenko, der Oleg Slischewskij ablöste, der zehn Jahre lang auf diesem Posten gearbeitet hatte. Bei der Ernennung des Kaderoffiziers Sergej Chomenko hat Lukaschenko selbst angemerkt, dass dies für viele merkwürdig sei, und erläuterte, dass im neuen Amt nicht die professionellen Kompetenzen des neuen Ministers, sondern seine organisatorischen Fähigkeiten gefragt seien, seine Diszipliniertheit sowie Ergebenheit und Treue. „Da wird man heute nicht bis zehn, zwanzig oder sogar bis drei zählen können. Da muss man eine Entscheidung treffen oder die getroffene Entscheidung realisieren“.

Die Experten-Community überraschen die Handlungen und Erklärungen Lukaschenkos nicht. Weißrusslands Staatsoberhaupt setze, wobei er sich an die Macht festklammere, nicht einfach auf die Vertreter der bewaffneten, Sicherheits- und Rechtsschutzorgane, sondern schaffe aus ihnen auch eine Kaste von Unberührbaren. Formal gebt es in Weißrussland noch keine Militärjunta, doch vom Inhalt her unterscheide sich das weißrussische Regime wenig von einer Militärjunta, denn die Vertreter der Rechtsschutzorgane haben außerordentlich umfangreiche Rechte, betonte der Politologe Valerij Karbalewitsch in einem Kommentar für die „NG“. Die neue Ernennung unterstreiche die Zunahme des Einflusses der Sicherheits- und Rechtsschutzstrukturen im Staatsapparat, sagte der Experte bei der Kommentierung der neuen personellen Umbesetzungen. Er lenkte gleichfalls das Augenmerk darauf, dass nicht gesagt worden sei, wer und in welches Amt ernannt wurde: „So etwas hat es früher nicht gegeben. Jetzt aber versteckt man immer mehr die Führungskräfte der Sicherheits- und Rechtsschutzstrukturen. Und wenn man auszeichnet, sagt man nicht – wen, und wenn man Ernennungen vornimmt, sagt man nicht – wen. Dies belegt, dass das Regime sich immer mehr in einen Kokon einhüllt und zu einem monolithischen wird“.

Nach Meinung des Experten sei das Neue in den Erklärungen Lukaschenkos der Versuch, innereuropäische Streitigkeiten auszunutzen und dort Konflikte zu befeuern. „Lukaschenko möchte die europäischen Länder entzweien, Deutschland gegen Litauen und Polen einstellen. Zumal es auch dort Konflikte gibt, insbesondere für Polen mit der EU. Lukaschenko gießt auch Öl ins Feuer dieser Konflikte“, sagte Valerij Karbalewitsch der „NG“. Nach Meinung des Experten werde es Alexander Lukaschenko nicht gelingen, sein Ziel zu erreichen, allein schon weil er ein so schlechtes Ansehen in Europa habe, dass bereits keiner auf das von ihm Gesagte Aufmerksamkeit lenke.