In der Ukraine beabsichtigt man, „den Widerstand gegen den Informationskrieg“ zu verstärken. In der nächsten Zeit schickt sich die Werchowna Rada (das ukrainische Parlament – Anmerkung der Redaktion) an, Änderungen am geltenden Gesetz „Über das Fernsehen und den Rundfunk“ zu erörtern. Der Wortlaut kann durch eine Reihe neuer Verbote und härterer Sanktionen ergänzt werden. Diese Gesetzesvorlage wurde bereits im vergangenen Jahr registriert und hatte viele Streits zum Thema Redefreiheit und Unabhängigkeit der Massenmedien ausgelöst. Allerdings haben sich im letzten Jahr auch andere Anlässe für derartige Streits ergeben.
Als Initiator der Änderungen am Gesetz, das die Tätigkeit von Funk- und Fernsehgesellschaften regelt, trat der Abgeordnete Oleg Dunda von der regierenden Partei „Diener des Volkes“ auf. Er erläuterte: „Die Ukraine befindet sich seit 2014 im Zustand eines Hybrid-Krieges mit der Russischen Föderation. Zur gleichen Zeit reicht das zum heutigen Tage existierende Instrumentarium für eine Bekämpfung des russischen Einflusses auf die Massenmedien und den Informationsraum für eine effektive Abwehr der russischen Propaganda und der Weitergabe ihrer Meldungen durch ukrainische Medien nicht aus“. Der Abgeordnete betonte, dass die staatliche Aufsichtsbehörde für den Medien-Markt – die Nationale Kommission für Fragen des Fernsehens und Rundfunks – keine Hebel für eine Einflussnahme habe, die erlauben würden, die Verstöße gegen die Gesetzgebung, die in TV- und Rundfunkprogrammen zugelassen werden, zu beseitigen.
Daher hat der Autor des Gesetzentwurfs vorgeschlagen, erstens in das Gesetz das direkte Verbot für eine „Übertragung von Äußerungen, die eine Verneinung der Tatsache der militärischen Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine, der Okkupation eines Teils der Ukraine durch die Russische Föderation und der Führung eines Hybrid-Krieges gegen die Ukraine durch die Russische Föderation enthalten“, aufzunehmen. Zweitens werden neue Arten von Bestrafungen für die Gesetzesverletzer vorgeschlagen. Es geht darum, dass die Nationale Kommission nicht bloß Überprüfungen vornimmt und den Fernsehkanälen Verwarnungen ausspricht, in deren Sendungen Thesen erklingen, die nicht mit der offiziellen Position Kiews übereinstimmen. In der Gesetzesvorlage wird vorgeschlagen, für die Verstoßenden eine Strafe im Umfang von 25 Prozent der Lizenzeinnahmen einzuführen. Wenn der Sender im Verlauf eines Monats den zugelassenen Verstoß nicht beseitigt oder es zum Fall eines erneuten Gesetzverstoßes kommt, wird sich der Nationale Rat mit einer Klage zwecks Annullierung der Sendelizenz des TV- oder Rundfunksenders an ein Gericht wenden müssen. Die Rede ist gleichfalls von der Möglichkeit einer Annullierung der Lizenz eines Providers von Programmleistungen. Der Abgeordnete Dunda betonte, dass von der Situation im Informationsraum die Unabhängigkeit und Souveränität des Staates abhängen könnten. Daher müsse die Kontrolle eine strenge sein.
Von derartigen Erwägungen waren die Mitglieder des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine ausgegangen, als sie im Februar dieses Jahres Sanktionen hinsichtlich des Abgeordneten Taras Kosak von der Partei „Oppositionsplattform – Für das Leben“ beschlossen, der als Besitzer der drei oppositionellen Fernsehkanäle „ZIK“, „112. Kanal“ und „NewsOne“ fungierte. Zu einer Folge der Sanktionen wurde die Schließung dieser Fernsehkanäle. Die Beanstandungen der Offiziellen waren darauf hinausgelaufen, dass sie in Sendungen Äußerungen zugelassen hätte, die sich mit Thesen der „russischen Propaganda“ decken würden. Im Herbst dieses Jahres wurde aufgrund der gleichen Ursachen per Beschluss des ukrainischen Sicherheitsrates die Internet-Nachrichtenseite www.strana.ua blockiert. Zur gleichen Zeit wandte sich der Nationale Rat für Fernsehen und Rundfunk mit einer Klage zur Annullierung der Lizenzen von noch zwei Fernsehkanäle – „Unser“ und „Maxi TV“ – an ein Gericht. Diese beiden Sender gehören dem Politiker Jewgenij Murajow (Partei „UNSERE“), den man in der Ukraine zum prorussischen Lager der Opposition rechnet.
Das heißt: Seit Jahresbeginn hat man in der Ukraine erfolgreich, ohne ein besonderes Gesetz die Praxis einer Blockierung jener Medien angewandt, deren Informationspolitik sich nicht mit der offiziellen Position deckte. Jene politischen Kräfte, die auf eine Wiederherstellung der Kontakte mit der Russischen Föderation ausgerichtet sind, haben regelmäßig einen Angriff auf die Redefreiheit signalisiert. Der andere Teil der Opposition, die die Partei „Europäische Solidarität“ von Petro Poroschenko einschließt, hat aber die Entscheidungen des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung bezüglich einer Blockierung der „Sprachrohre der russischen Propaganda in der Ukraine“ unterstützt. Beanstandungen gegenüber den Offiziellen haben sich seitens der Poroschenko-Partei erst in der letzten Zeit ergeben, als die Abgeordneten von „Diener des Volkes“ das Gesetz über den Kampf gegen die Oligarchen durch die Werchowna Rada durchboxten. Als eines der Kriterien, denen entsprechend in der Ukraine Oligarchen definiert werden, ist der Einfluss auf die Medien ausgewiesen worden.
Der Politologe Alexander Radtschuk zählte in einem Kommentar für die Nachrichtenseite „Wort und Taten“ die Fragen auf, die in der Ukraine in aller Munde sind: „Was wird sich für die ukrainischen Medien nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Beseitigung der Oligarchen als eine gesellschaftliche Schicht verändern? Wird man sie massenhaft verkaufen? Wer wird Einfluss und die Kontrolle über die Massenmedien erlangen? Wie beeinflusst die Situation die Redefreiheit?“. Der Experte betonte, dass die Personen, die den Status eines Oligarchen erhalten werden, sich von den ihnen gehörenden Medien trennen müssten. „Ja, aber was weiter geschehen wird, ist eine interessante Frage. Schließlich kann entsprechend der Gesetzgebung der Rat für nationale Sicherheit und Verteidigung zusammen mit dem Nationalen Rat für Fragen des Fernsehens und Rundfunks das Ansehen der Käufer von Medien überprüfen. Erstens können sich viele Fragen ergeben. Hat der Nationale Rat genug Vollmachten und Möglichkeiten für eine Überprüfung solcher Angaben. Zweitens, selbst wenn das Ansehen des Käufers ein tadelloses sein wird und keine Verbindungen mit Oligarchen festgestellt werden, wird der Staat bestimmt den Content verfolgen und in einzelnen Fällen potenziell die Redaktionspolitik der Medien beeinflussen“.
Bisher gibt es auf viele Fragen noch keine Antworten. Die Partei „Europäische Solidarität“ hat aber mitgeteilt, dass sie Erklärungen in Bezug auf Straftaten, die bei der Annahme des Gesetzes begangen wurden, in den Rechtsschutz- und Antikorruptionsorganen eingereicht habe. Wie Mitglieder der Poroschenko-Partei erläuterten, gehe es um eine Überschreitung der Vollmachten durch Beamte, eine Behinderung der Tätigkeit von Volksabgeordneten usw. All dies steht mit dem Abstimmungsprozedere in einem Zusammenhang. Im Ergebnis dessen wurde, wie das Mitglied der Poroschenko-Partei Wladimir Wjatrowitsch betonte, ein Gesetz verabschiedet, das „dem Präsidenten und dem Rat für nationale Sicherheit und Verteidigung absolut verfassungswidrige Vollmachten einräumt, um den einen oder anderen unbequemen Politiker zu einem Oligarchen zu erklären“. „Außerdem erlaubt das Gesetz Präsident Selenskij, die Kontrolle über die vierte Staatsgewalt, die Medien, zu erhalten und den Medien-Markt neuaufzuteilen“, betonte Wjatrowitsch.
In dieser Situation hätte man den Gesetzentwurf des vergangenen Jahres über Änderungen am Gesetz über das Fernsehen und den Rundfunk vergessen können. Seit dem Zeitpunkt seiner Regierung hatte man mehrmals eine Behandlung geplant. Doch eine Abstimmung hat nicht stattgefunden. Jetzt ist das Dokument, wie Vertreter der regierenden Partei behaupten, auf die Tagesordnung der Werchowna Rada für die nächste Zeit gesetzt worden. Es wird unbedingt eine neue Welle von Streitereien auslösen. Selbst die Juristen, die im ukrainischen Parlament arbeiten, haben eine Reihe von Anmerkungen bezüglich des Gesetzentwurfs vorgebracht. Sie wiesen auf die Unklarheit mehrerer Normen hin, die sowohl das Wesen der Verbote als auch die Sanktionen aufgrund von Verstößen betreffen. Außerdem wurde in einem Gutachten hervorgehoben, dass die Konvention über die Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten einem jeden Bürger in einem demokratischen Staat „das Recht auf eine freie Meinungsäußerung“ garantiere. „Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Auffassungen zu vertreten, Informationen und Ideen ohne ein Eingreifen der staatlichen Machtorgane und unabhängig von den Grenzen zu erhalten und weiterzugeben“. Einschränkungen für dieses Recht werden im Falle direkter Aufrufe zur Verübung von Straftaten oder zur Teilnahme an verschiedenen Formen von Gewalt, Diskriminierung und Feindseligkeit zugelassen. Jetzt hat die Werchowna Rada zu entscheiden, ob man „die Verleugnung der Tatsache der Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine“ als ein Verbrechen oder einen Aufruf zur Verübung einer Straftat ansehen kann.