Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Abchasien verwickelt die Russische orthodoxe Kirche in eine neue Spaltung


Das Oberhaupt der selbstproklamierten Abchasischen orthodoxen Kirche, der Geistliche Wissarion Aplia hat erklärt, dass die Frage nach dem Status seiner Kirche in Moskau und nicht in Tbilissi geklärt werden müsse. Zuvor hatte er an den Patriarchen Moskaus und Ganz Russlands Kirill und den georgischen Patriarchen Ilia II. eine Mitteilung gesandt, wonach er beabsichtige, das Katholikosat (Katholikat) auf dem Territorium der Republik wiederherzustellen. „Die Abchasische orthodoxe Kirche gehörte nicht zum Bestand der Georgischen orthodoxen Kirche. Sie ist eine Erbin des Abchasischen Katholikosat und stellt ihren Status des Abchasischen Katholikosats wieder her. Der Kirchenrat der Abchasischen orthodoxen Kirche wendet sich an das Moskauer Patriarchat, da die Mission der Wiederherstellung des orthodoxen Christentums im Kaukasus dem Moskauer Patriarchat zukommt“, heißt es in einem Appell, der auf der offiziellen Internetseite der Abchasischen orthodoxen Kirche veröffentlicht wurde.

Seinerseits hat der Sekretär von Ilia II., der Oberpriester Michail Botkoweli, Aplia nach Tbilissi eingeladen. „Wir haben uns mit Ihrem Appell an die Patriarchen Georgiens und Russlands vertraut gemacht. Ungeachtet dessen, dass wir mit dem Inhalt und dem Geist des Schreibens kategorisch nicht einverstanden sind, begreifen wir die Notwendigkeit des Beginns eines Dialogs. Wie Sie wissen, trennt der Feind, Gott aber vereint. Daher denken wir, dass es nützlicher wäre, sich zu diesem Thema mit Ihnen in Tbilissi zu treffen und direkt die Problemfragen zu erörtern“, erklärte der georgische Geistliche in einem Schreiben. Das Oberhaupt der Abchasischen orthodoxen Kirche hat jedoch die Begegnung abgelehnt, wobei er das Angebot als eine „Hinterlist“ bezeichnete, und erklärt, dass, wenn auch Verhandlungen möglich seien, so nur in Moskau. „Die Frage muss dort geklärt werden, wo vor 100 Jahren entschieden worden war. Nur dorthin werden wir zurückkehren, dort werden wir uns unterhalten. Nur so. Dort, wo man dich umbringt, wo man dich vernichtet, dorthin zu fahren und zu reden, lohnt nicht. Wir wissen, womit die Reise von Nestor Lakoba nach Georgien endete, wie die Reise von Wladislaw Grigorjewitsch (Ardsinba, Abchasiens erster Präsident, der auf einer Moskau-Reise zwecks einer geplanten Heilbehandlung verstarb – „NG“) ausging. Man kann den Georgiern nicht vertrauen“, sagte Aplia in einem Interview des abchasischen Fernsehkanals Apsua TV. „Für uns ist die Erklärung von Patriarch Tichon von 1918 über die Unrechtmäßigkeit der Ansprüche der georgischen Kirche auf das Territorium Abchasiens eine Regel und ein Kanon“, fügte er hinzu.

In der Georgischen orthodoxen Kirche versicherte man die Bereitschaft zu einem direkten Dialog mit der Abchasischen orthodoxen Kirche. „Kategorisch inakzeptabel ist der Ton, mit dem er in dem Interview spricht. Dies ist auf jeden Fall eine sehr aggressive Rhetorik, die durch uns in keinem Falle als Grundlage für einen Dialog akzeptiert werden kann. Was das angeht, wo die Gespräche erfolgen werden, so macht es für sie wahrscheinlich Sinn, sich des Stellens von Bedingungen zu enthalten. Wir haben einen direkten Dialog im Blick, ohne eine Einmischung durch irgendwen. Natürlich würden wir dies wünschen. Wir haben dies im Verlauf einer langen Zeit gewollt. Wir sind zu solch einem Dialog bereit“, sagte Botkoweli in einem Interview des georgischen Fernsehsenders „Rustawi-2“.

Dies ist nicht der erste Versuch von Wissarion Aplia, das Moskauer Patriarchat zu nötigen, sich in die Kirchensituation in der Region einzuschalten. Im Februar dieses Jahres hatte er gar die Gottesdienste in seinen Kirchen ausgesetzt – „bis zur Bestimmung des Status der Abchasischen orthodoxen Kirche“. Freilich nach Verhandlungen in Moskau hinter den Kulissen, zu denen laut Angaben von Medien der Republik der Geistliche persönlich gekommen war, wurde der Kirchenstreik beendet. Der Kleriker hatte erklärt, dass die „Russische orthodoxe Kirche bei der Herausbildung einer autonomen Kirche in Abchasien helfen wird“.

Die Aktivierung Aplias hängt wahrscheinlich mit jenen Prozessen zusammen, die sich derzeit sowohl in der weltweiten Orthodoxie als auch in der Georgischen orthodoxen Kirche abspielen. Nachdem des Moskauer Patriarchat die Kontakte mit dem Patriarchen Bartholomäus von Konstantinopel abgebrochen hatte, wobei es ihn einer Spaltung der Orthodoxie aufgrund der Bildung der Orthodoxen Kirche der Ukraine bezichtigt hatte, stellte sich für die Oberhäupter der anderen (orthodoxen) Kirche die Frage, wen man in diesem Streit unterstützen solle. In der Georgischen orthodoxen Kirche hatte man zwar auch erklärt, dass man nicht beabsichtige, während der Liturgie den Namen des Oberhauptes der Orthodoxen Kirche der Ukraine, des Metropoliten Epiphanius (Dumenko) zu erwähnen, doch es gibt auch jene, die für eine Anerkennung der neuen ukrainischen religiösen Organisation eintreten.

Mehr noch, im März dieses Jahres hatte Ilia II. Patriarch Bartholomäus dafür gedankt, dass die Kirche von Konstantinopel vor dreißig Jahren die Autokephalie der Georgischen orthodoxen Kirche anerkannt hatte. Dabei gab es in dem entsprechenden Schreiben nicht ein Wort darüber, dass die Russische orthodoxe Kirche die Eigenständigkeit der Georgischen Kirche bereits 1943 anerkannt hatte. Im Mai dieses Jahres erklärte Patriarch Bartholomäus in einem Interview des georgischen Fernsehkanals Formula News, dass die Russische orthodoxe Kirche „kein kanonisches Recht hat, nicht nur Abchasien eine kirchliche Unabhängigkeit zu gewähren, sondern auch überhaupt irgendwem“. „Dies ist eine exklusive Vollmacht von Konstantinopel, was die Tradition und das Handeln der orthodoxen Kirche im Verlauf von Jahrhunderten bestätigen“, unterstrich Bartholomäus. Nach seiner Version würde Moskau seine Bischöfe nach Abchasien und Südossetien entsenden, deren Territorien zur Jurisdiktion der Georgischen orthodoxen Kirche gehören würden.

In der Russischen orthodoxen Kirche verurteilte man diese Anschuldigungen. „Die russische Kirche hat keinerlei Bischof weder in Abchasien noch in Südossetien. Wir haben schon lange festgestellt, dass das Patriarchat von Konstantinopel schlecht informiert ist“, hielt der Vorsitzende der Abteilung für auswärtige Kirchenbeziehungen des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), dagegen. „Die russische Kirche hat auch nie auf das Recht Anspruch erhoben, „überhaupt irgendwem beliebigen“ eine Autokephalie zu gewähren. Die Ansprüche auf das Recht, irgendwem beliebigen eine Autokephalie zu gewähren, erhebt gerade Konstantinopel. Aber in der Geschichte wurden Autokephalien nicht nur das Patriarchat von Konstantinopel gewährt. Zum Beispiel ist die Autokephalie der alten Georgischen Kirche durch das Patriarchat von Antiochien gewährt worden. Abchasien und Südossetien werden als kanonisches Territorium des Georgischen Patriarchats anerkannt. Und die russische Kirche hat dies nie angefochten“, fügte der Kirchendiplomat hinzu.

Freilich, im November 2019 ist es zu einem Konflikt zwischen beiden Kirchen gekommen. In die Diözesen der Russischen orthodoxen Kirche war ein Dokument gesandt worden, in dem mit der Unterschrift des Vorsitzenden des Lehrkomitees des Moskauer Patriarchats, des Oberpriesters Maxim Koslow, „Absolventen der geistlichen Hochschulen im Range eines Priesters“ angetragen wurde, „zu einer Dienstreise mit einer Dauer von drei Jahren“ für einen Dienst auf den russischen Militärstützpunkten in Abchasien und Südossetien aufzubrechen. In Georgien empörte man sich über diesen Vorschlag. „Sie wollen Absolventen geistlicher Schulen zur Hilfe für Armeekommandeure zu russischen Truppenteilen entsenden, die sich in Abchasien, in der Region Zchinwali (so bezeichnet man in Georgien Südossetien – „NG“) befinden. Die Russische Kirche hatte aber immer die Jurisdiktion der Georgischen Kirche sowohl in Abchasien und in der Region Zchinwali anerkannt und kennt sie an. Daher sind für uns solche Erklärungen unverständlich. Und sie versetzen uns alle in eine schwere Lage“, schrieb Ilia II. an Patriarch Kirill.

Und auch in Abchasien selbst gibt es keine Einheit im Verständnis dafür, unter welcher kirchlichen Jurisdiktion seine orthodoxen Gläubigen sein sollten. Im Jahr 2009 hatte Wissarion Aplia die Abchasische orthodoxe Kirche registrieren lassen. Aber im Jahr 2011 entstand auch noch die Heilige Metropolie von Abchasien des Archimandriten Dorotheus (Dbar). Zusammen mit den Bewohnern des Nowoafon-Klosters (Neues Athos Kloster) ist Dbar der Auffassung, dass die Kirchenfrage Abchasiens Patriarch Bartholomäus klären könne. „Ich messe dem keine ernste Bedeutung bei, was durch die Führung der Abchasischen orthodoxen Kirche getan wird, da bei ihnen keinerlei Logik auszumachen ist. Alles erfolgt spontan, undurchdacht, übereilt usw. Daher haben wir bei der Klärung der abchasischen Kirchenfrage seit bereits 28 Jahren keinerlei Bewegung. Es ist klar, dass es auch eine Reihe anderer Ursachen gibt, sagen wir einmal so, keine rein kirchlichen, die ebenfalls erfolgreich den Prozess der Wiederherstellung der Kirche in Abchasien bremsen. Aber auch hier gibt es bei der abchasischen Kirchenseite (bei der, die sich mit Schreiben an die Russische orthodoxe Kirche und an die Georgische orthodoxe Kirche gewandt hatte) keine klare Sichtweise dafür, was man tun muss. Und das Wichtigste, es gibt keinen Mut, die Wahrheit zu sagen“, schrieb Dorotheus Dbar am 24. Oktober auf Facebook.