Russland steht vor gewaltigen Problemen sowohl im Land als auch außerhalb von ihm. Einerseits muss eiligst das Wirtschaftsmodell für die Entwicklung geändert und inklusiver gestaltet werden, damit 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung zu Nutznießern einer Zunahme der Einkommen werden. Andernfalls werden jegliche Wahlen für die Herrschenden zu einer nur mit Validol überstehbaren Veranstaltung und mit einem unklaren Ausgang. Andererseits müssen sie die Energie und den Dynamismus, das Brodeln und den passionarischen Drive vieler Nachbarn an unseren Außengrenzen ins Kalkül ziehen.
Die Welt verändert sich vor aller Augen. Der US-amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs betonte, dass die Abhaltung des letzten G-7-Gipfels eine Geldverschwendung gewesen sei, da dieses Gremium aufgehört habe, ein repräsentatives und einflussreiches zu sein. Während 1980 auf die Volkswirtschaften der G-7-Länder 51 Prozent des weltweiten BIP entfielen, so sind es im Jahr 2021 nur ganze 31 Prozent. Zur gleichen Zeit ist der Anteil der asiatischen Länder am weltweiten BIP in dieser Zeit von neun auf 33 Prozent gestiegen.
Heute verwandelt sich bereits die G-20 in das adäquateste Gesprächsformat zu wichtigen Themen. Auf die G-20-Länder entfallen zwei Drittel der Weltbevölkerung, 85 Prozent des weltweiten BIP, 75 Prozent des Welthandels, aber auch 80 Prozent der Emissionen in die Atmosphäre, die eine Klimaveränderung verursachen.
Die aktuellen Daten belegen überzeugend, dass eine Reduzierung der Emissionen das Wirtschaftswachstum nicht untergraben. Von 1990 bis einschließlich 2019 hat sich die Emission von Treibhausgasen in der EU um 23 Prozent verringert, und das BIP ist um 60 Prozent gewachsen.
Heute werden von der Regierung Russlands Energie und der Wille zu einer Transformierung unserer Wirtschaft, eine radikale Anhebung ihres innovativen Wesens verlangt. Die von Stagflation bestimmte Wirtschaft (eine Stagnation des Wachstumstempos und eine hohe Inflation) ist eine Metastase des Modells. In der Geschichte anderer Länder hat es aus der Stagflation einen Ausweg gegeben, den radikalen Bruch mit den sich herausgebildeten Vorgehensweisen. Zu den letzten markanten Fällen gehört die Reaganomics. Als US-Präsident Ronald Reagan als Antwort auf die Stagflation Steuervergünstigungen für die Konzerne durch eine revolutionäre Amortisationspolitik einführte, die den Herstellern erlaubte, den hohen Amortisationssteuersatz auf den Wert der Erzeugnisse umzulegen sowie das technologische Produktionspotenzial zu erneuern. Überdies wurde bekanntlich auch der Amortisationsfonds von den Steuerzahlungen befreit. Daraus schöpfte die Wirtschaft die Ressourcen für die Investitionen für das Grundkapital.
Der institutionelle Egoismus der Zentralbank Russlands und der Regierung erlauben nicht, die Ziele unserer Entwicklung zu synchronisieren. Ein formelles Wachstum der Realeinkommen der Bevölkerung durch „großzügige“, durch einmalige Helikopter-Auszahlungen (von Milton Friedman erstmals 1969 verwendeter Begriff für eine Ausweitung der Geldmenge durch Geldschöpfung, bei der das neu geschaffene Zentralbankgeld direkt an Staat oder Bürger ausgezahlt wird – Anmerkung der Redaktion) – mal zu den Wahlen, ein anderes Mal zum Jahreswechsel – zu sichern, ist ein zu primitives Modell des Staates.
Eine stärkere Zunahme des Angebots von Waren und Leistungen (im Vergleich zur Nachfrage nach ihnen) ist ein Faktor zur Stabilisierung der Preise. Das flächendeckende Stimulieren des Schaffens von Arbeitsplätzen ist ein überaus wichtiges Kriterium beim Treffen von Finanzierungsentscheidungen.
Eine Aufteilung der Ressourcen über institutionelle Akteure in den Produktionssystemen führt zu keinem Anstieg der Preise im Vergleich zu den von den Dimensionen her analogen Helikoptergeldinjektionen für die Endverbraucher.
Ergeben hat sich eine Antwort auf die sakramentale Frage bei der Vorstellung jeglichen Projekts für eine Entwicklung: Geben Sie die Finanzierungsquelle Ihrer Phantasien an! Die gibt es – ein sehr hohes Profizit (ein in Russland verwendeter Begriff für einen positiven Haushaltssaldo der Staatskasse – Anmerkung der Redaktion) des Haushalts. Der Leiter des Föderalen Steuerdienstes berichtete dem Präsidenten über eine Zunahme der Steuereinnahmen um sieben Billionen Rubel. Und dies ohne die Summen aus den Zolleinnahmen.
Die offensichtlichste zusätzliche und endogene/innere Ressource für ein Wachstum der russischen Wirtschaft befindet sich im Bereich der Entwicklung neuer perspektivreicher Regionen: die Einbeziehung der Menschen-, der Natur- sowie der potenziellen infrastrukturellen und Finanzressourcen aus den gegenwärtig rückständigen Territorien in die wirtschaftlichen Aktivitäten.
Die Nähe zum asiatischen Markt als wichtigste marktwirtschaftliche Chance für einen Aufschwung der Wirtschaft der rückständigen Regionen, vor allem Ostsibiriens und des Fernen Ostens.
Übrigens, es besteht die einmalige Gelegenheit, die Programme für eine Entwicklung der rückständigen Gebiete auf der Grundlage der Prinzipien der Klima-Agenda, einer stabilen Entwicklung und der ESG (Environmental, Social, and Corporate Governance) umzusetzen. Dies wird uns erlauben, neueste Technologien, modernste Konstruktionsmaterialien und die Prinzipien der modernen Entwicklungsphilosophie zu nutzen. Dies wird an und für sich zu einem Anziehungsfaktor für die Menschen und zu einem Stimulus für ein Übersiedeln in neue Regionen. Alle wollen dort leben, wo es eine ausgezeichnete Ökologie und ein dynamisches Wachstum, hochbezahlte Arbeitsplätze und modernen Wohnraum gibt!
Notwendig sind entschlossene Handlungen der Offiziellen aus den Bereichen Finanzen und Wirtschaft. Voraussetzungen in Gestalt von Supereinnahmen des Haushalts in einer Höhe von zig Billionen Rubel sind vorhanden. Die muss man klug ausgeben und nicht auf die hohe Kante legen, um in der Zukunft erneut mit Helikoptergeld aufwarten zu können.