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Truppen des Innerns sollen Lukaschenko im Kampf gegen Dissidenten helfen


Die weißrussischen Offiziellen erklären, dass sich die Situation im Land stabilisiert habe und die meisten derjenigen, die zu den Protesten gekommen waren, hätten ihre Fehler begriffen und Reue bekundet. Dennoch dauern die Repressalien an, die Gesetzgebung wird für eine Bekämpfung des Andersdenken korrigiert.

Am Donnerstag verabschiedete das Parlament in erster Lesung den Gesetzentwurf „Über die Truppen des Innern des Innenministeriums der Republik Belarus“. „Seine Vorbereitung ist durch die Notwendigkeit einer Vervollkommnung der Gesetzesbestimmungen unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus der Anwendung der Kräfte und Mittel des Innenministeriums in der postelektoralen Periode und durch die Regulierung einzelner Frage im Zusammenhang mit der für die Truppen des Innern neuen Aufgabe – dem Schutz des Weißrussischen AKW – ausgelöst worden“, erläuterte Innenminister Iwan Kubrakow die Gründe für die Verabschiedung des Gesetzes.

Die „postelektoralen“ Erfahrungen haben dazu geführt, dass den Truppen des Innern des Innenministeriums jetzt „eine Teilnahme am Schutz der öffentlichen Ordnung, die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, der Sicherheit von zu schützenden Personen und zu schützenden Objekten, des Regimes eines Ausnahmezustands, eines Kriegszustands, des rechtlichen Regimes im Bereich der Durchführung einer antiterroristischen Operation sowie an Maßnahmen zur Verstärkung des Schutzes der Staatsgrenze von Belarus erlaubt wird“.

Es sei daran erinnert, dass nach den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr mindestens eine Million Menschen im ganzen Land zu Protesten in Weißrussland auf die Straßen gekommen waren. Allein in Minsk erreichte die Zahl der Protestierenden in Hochzeiten 400.000. Aktionen hatten auch in anderen Städten des Landes stattgefunden.

Dabei erhält das Innenministerium Vollmachten, auf bestimmte Art und Weise Bürger für den Dienst in den Truppen des Innern zu prüfen und auszuwählen. Allem nach zu urteilen, wird man sie hinsichtlich der Loyalität überprüfen. „Es geht darum, dass der Wehrpflichtige als ein künftiger Vertreter der Staatsgewalt keine Fakten nicht nur einer strafrechtlichen, sondern auch einer ordnungsrechtlichen Verfolgung in Bezug auf mehreren Paragrafen aufweist“, berichtete der Minister. Das neue Gesetz räumt ihnen das Recht auf das Tragen einer Waffe und deren Anwendung ein. Sie können Gefechts- und Spezialtechnik „für die Unterbindung von Massenunruhen und Verstößen gegen die öffentliche Ordnung in Gruppen“ einsetzen.

Die Truppen des Innern des Innenministeriums würden an gewissen Handlungen „in einer besonderen Periode einer Verkomplizierung der operativen Lage“ teilnehmen. Dies könne nach Aussagen des Ministers sowohl „im Bereich der Durchführung einer konterterroristischen Operation“ als auch während „Maßnahmen zur Verstärkung des Schutzes der Staatsgrenze“ erfolgen. Insgesamt würden sie bereit sein, die Gefahr von Angriffen auf die Souveränität und Unabhängigkeit sowohl von außen als auch innerhalb des Landes abzuwehren.

Dies ist nicht die erste Entscheidung der weißrussischen Offiziellen, die in der „postelektoralen“ Periode getroffen worden ist und eine Erweiterung der Vollmachten der Vertreter der bewaffneten und Rechtsschutzorgane betrifft. Früher hatte die „NG über die Annahme der Gesetzes „Über den staatlichen Schutz“ und „Über die Änderung der Gesetze zu Fragen der Gewährleistung der nationalen Sicherheit“ geschrieben (russischsprachige Ausgabe vom 18.05.2021 – https://www.ng.ru/cis/2021-05-18/5_8150_belorussia.html). Entsprechend diesen Dokumenten bekamen die Vertreter der Rechtsschutzorgane das Recht, Gefechts- und Spezialtechnik für ein Auseinandertreiben von Protesten einzusetzen. Dabei ist ihnen auch erlaubt worden, nicht für den Schaden die Verantwortung zu tragen, den sie im Verlauf des Einsatzes von Gewalt, Waffen und Spezialmittel verursachen. Damals hatte man der Miliz auch erlaubt, den Bürgern nicht zu erlauben, sie auf Video- oder Audioträgern aufzunehmen.

Die Analytiker hegen keine Illusionen hinsichtlich der Ziele und Motive der Annahme derartiger Entscheidungen. Die Offiziellen selbst würden nicht daran glauben, dass der Protest niedergeschlagen sei, und würden alle Ressourcen für eine mögliche Unterdrückung von Protesten mobilisieren.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte Alexander Lukaschenko selbst eingestanden, dass er während der Abhaltung des Referendums zum Verfassungsentwurf neue Proteste erwarte. Es soll voraussichtlich im Februar stattfinden. „Beachten Sie: Die Situation bleibt eine angespannte. Das Datum für den nächsten Versuch einer Revolution ist die Zeit der Abhaltung des Verfassungsreferendums“, hatte er der Führung des KGB Mitte Oktober auf den Weg gegeben.

All dies erfolgt vor dem Hintergrund von Erklärungen, wonach sich die Gesellschaft verändert habe und diejenigen, die früher die Opponenten der Herrschenden unterstützt hätten, von ihnen enttäuscht seien. „In der nächsten Zeit veröffentlichen wir eine großangelegte soziologische Untersuchung. Wir haben unterschiedliche Arbeitskollektive (Belegschaften – „NG“) genommen, und die Menschen antworteten verdeckt auf viele Fragen. Die Gesellschaft hat sich laut meinen ersten Informationen nach dem vergangenen Jahr stark verändert“, sagte Alexander Lukaschenko, als er neue Spitzenvertreter örtlicher Machtorgane ernannte.

Die These, wonach die Offiziellen nicht an ihren Sieg glauben würden, bestätigen auch die anhaltenden massenhaften Repressionen. Die Anzahl der politischen Häftlinge hat sich bereits bis auf 908 Menschen erhöht. Und dies sind nur jene, die man offiziell anerkannt hat. Real befinden sich in den weißrussischen Gefängnissen weitaus mehr Menschen, und deren Anzahl nimmt zu. Die Offiziellen veranstalten regelrecht eine Hexenjagd. In dieser Woche haben beispielsweise Vertreter der Rechtsschutzorgane eine Frau aufgesucht, die im vergangenen Jahr eine Kerze zum Gedenken an Roman Bondarenko entzündet und ans Fenster gestellt hatte. Es sei daran erinnert, dass man diesen jungen Mann während seiner Festnahme zu Tode geprügelt hatte. Zum Auslöser der Festnahme der Frau wurde ein von irgendwem gemachtes Foto der auf dem Fensterbrett brennenden Kerze, was man einer Mahnwache gleichstellte.

Fortgesetzt werden die Durchsuchungen, Verhaftungen und Festnahmen von Journalisten. In dieser Woche ist der Chefredakteur der Zeitung „Tagebuch“ Sergej Sazuk festgenommen worden. Und die Internetseite des Blattes ist blockiert worden. Eine Durchsuchung erfolgte in der Redaktion der regionalen Zeitung „Ganzawitschi-Stunde“ (im Verwaltungsgebiet Brest – Anmerkung der Redaktion). Als extremistisch eingestuft und blockiert wurde die Internetseite der „Brester Zeitung“. Insgesamt befinden sich über 30 Medien-Vertreter hinter Gittern. In einem kürzlich vom Komitee für den Schutz von Journalisten veröffentlichten Bericht über die die Anzahl verfolgter Massenmedien belegte Weißrussland den 5. Platz. An erster Stelle wurde China ausgewiesen, wo sich 50 Journalisten in Haft befinden. Auf dem zweiten Platz lag Myanmar mit 26 inhaftierten Journalisten. In Weißrussland gibt es jedoch derer mehr als in dem erwähnten asiatischen Land auf Rang 2.

In den weißrussischen Unternehmen gehen die Entlassungen „entsprechend von KGB-Listen“ weiter, worüber einheimischen Journalisten Entlassene selbst unter der Bedingung der Wahrung ihrer Anonymität berichten. Laut deren Informationen gebe es die Anweisung, sich bis zum Jahreswechsel von allen Nichteinverstandenen vollkommen zu entledigen.

Allerdings sei diese Aufgabe, wie Experten betonen, eine äußerst schwierige und praktisch unlösbare. Die entlassenen Menschen können nirgendwohin, sie können auch nicht das Land verlassen. Die Handlungen der Offiziellen machen die Menschen nur wütend, die sich ganz und gar nicht abgefunden haben, sondern einfach durch die Bajonette Lukaschenkos gestoppt worden sind und auf „ein Fenster der Möglichkeiten“ (die passende Gelegenheit – Anmerkung der Redaktion) warten. Und die Herrschenden begreifen dies.