Es herrscht eine raue Atmosphäre in Russland. Geprägt wird sie derzeit von der aggressiven Rhetorik zwischen dem Westen und Moskau, aber auch dem zunehmenden Gefühl vieler Bürger des Landes, selbst vor den eigenen Behörden nicht sicher zu sein. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass von der Bevölkerung nicht verstandene und daher abgelehnte Entscheidungen der Offiziellen dennoch durchgedrückt werden. Protest wird unterdrückt. Der Spielraum für eine öffentliche Diskussion inklusive des Aufzeigens von Schwachpunkten auf Seiten der Regierenden verringert sich zusehends. Journalisten spüren dies gleichfalls.
Vor diesem Hintergrund erregte am Montag die Erklärung von Konstantin Remtschukow, dem Chefredakteur und Generaldirektor der „Nesawisimya Gazeta“ (deren Ausgabe Nummer 1 am 21. Dezember 1990 in Moskau erschienen war), große Aufmerksamkeit. In einer Livesendung des hauptstädtischen Hörfunksenders „Echo Moskaus“ teilte er mit, dass er ähnlich dem Gründer Group-IB Ilja Satschkow eine Videobotschaft für den Fall seiner Ermordung oder Verhaftung aufgenommen habe. „Ich habe auf für jeglichen Fall solch ein Video aufgezeichnet. Dies ist ein normales Verhalten, dass du erklären musst, woher der Wind weht, für den Fall das… Zweitens, du musst dein lebensbejahendes Gemüt erläutern und dass du keinerlei Absichten hast, irgendwie traurig das Suchen und Kämpfen zu beenden. Und die Menschen müssen deine Visage sehen und die Hauptmessage begreifen. Sie wird die dominierende wie ein Narrativ sein“, sagte Remtschukow.
Er betonte, dass er nichts Ungewöhnliches in solchen Botschaften von Geschäftsleuten sehen würde. „Diese Geschichte illustriert gut dies, dass es untereinander keinerlei Spielregeln eine Etage unter Wladimir Putin gibt. Und daher fühlen sich alle als anfällige. Richtige Sicherheit wird nur einem Mann im Land gegeben. Zu allen übrigen gibt es ein Dossier, kompromittierendes Material. Und wenn es sein muss, wenn irgendeiner plötzlich nicht begriffen, was man ihm angeboten hat… Man kann zu jedem beliebigen außer einem kommen. Und mag er für alle Fälle eine (Botschaft) aufnehmen“, erläuterte der „NG“-Chefredakteur. Er fügte hinzu, dass er regelmäßig seine Videobotschaft aktualisiere, denn mit dem Alter verändere sich das Äußere. „Plötzlich wird man sagen, dass „nun er altert““, erklärte Remtschukow mit einem Augenzwinkern.
Oder ist es kein Augenzwinkern, sondern überspielte Angst? Bisher ist schwer zu sagen, was den 67jährigen zu der Offenbarung veranlasste. Außer natürlich die Tatsache, dass Ilja Satschkow laut Medienberichten vom Montag vor einem Jahr eine Videobotschaft an seine Nächsten aufgezeichnet habe. Laut einem Forbes-Bericht sollten die Freunde des Gründers der Firma für die Bekämpfung von Cyberkriminalität Group-IB den Clip in dem Fall seiner Ermordung oder Inhaftierung zu sehen bekommen. In dem Video äußert der 35jährige Geschäftsmann die Vermutung, dass auf ihn Attentat vorbereitet werden könne. Gesprächspartner des Magazins berichteten über den Verdacht einer sich in Vorbereitung befindlichen Vergiftung. Und kurz vor seiner Verhaftung vor drei Monaten habe er auch über eine wahrscheinliche Anklage wegen Landesverrat gesprochen. In dem konkreten Fall von Satschkow heißt es aus seiner Umgebung, dass möglicherweise die öffentlichen Vorwürfe an die Adresse des Chefs der russischer Hacker-Gruppierung Evil Corp. Maxim Jakubez zum Auslöser der Verfolgung des Group-IB-Chefs geworden seien. Auf Jakubez machen US-amerikanische Fahnder Jagd, während in Russland die zuständigen Behörden die Arbeit von Evil Corp. scheinbar stillschweigend dulden.
Remtschukow weiß sehr wohl, dass Anklagen wegen Staatsverrat in Russland stets mit Schuldsprüchen enden. Und bis es zu denen kommt, müssen die Angeklagten monate-, wenn nicht gar jahrelang in der U-Haft auf ihren Prozess warten. Satschkow droht eine bis zu 20 Jahre lange Haftstrafe. Von einer eventuellen Vernichtung oder staatlichen Übernahme des erfolgreichen und international anerkannten Unternehmens mag bisher sich keiner Gedanken machen. Obgleich, das Klima in Russland ist ein raues.