Erstmals seit drei Jahren kann erneut eine Tagung des NATO-Russland-Rates stattfinden. Sie im Januar einzuberufen, hat der Generalsekretär des Nordatlantikpaktes Jens Stoltenberg vorgeschlagen. Nach der Reaktion der russischen Staatsbeamten zu urteilen, hat der Kreml diesen Vorschlag nicht zurückgewiesen, aber auch bisher nicht angenommen. Dennoch ist bereits die eigentliche Tatsache der Erörterung eines Treffens im Format, dass sich – wie in der Russischen Föderation konstatiert worden war – erschöpft hätte, bemerkenswert.
Dass Stoltenberg dem Kreml vorgeschlagen hat, den NATO-Russland-Rat für den 12. Januar einzuberufen, hatten gleich mehrere Quellen im Hauptquartier der Allianz einer Reihe von Medien mitgeteilt, wobei freilich nicht informiert wurde, auf was für einer Ebene das Treffen stattfinden sollte – auf der der Außenminister, der Verteidigungsminister usw. Bei ihrem Briefing am 24. Dezember hat die Sprecherin des russischen Außenamtes Maria Sacharowa diese Informationen faktisch bestätigt.
Nach ihren Worten sei aus Brüssel der Vorschlag gekommen, im Januar eine Tagung des NATO-Russland-Rates auf Botschafterebene durchzuführen. Sacharowa erklärte jedoch, dass man sich hinsichtlich des Termins und des Formats des möglichen Treffens von Vertretern Russlands und des Nordatlantikpaktes noch festlegen müsse. Es sei daran erinnert, dass in der vergangenen Woche Russlands Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview für den russischen TV-Auslandssender RT mitgeteilt hatte, dass die früher vorgelegten russischen Vorschläge zu Sicherheitsgarantien auf drei Tracks – mit den USA, der OSZE und der NATO – erörtern werden müssten. Freilich hatte er nichts über eine Einberufung des NATO-Russland-Rates gesagt.
Und am 26. Dezember äußerte sich Vizeaußenminister Alexander Gruschko. Nachdem er bestätigte, dass der Termin und das Format für die Tagung des NATO-Russland-Rates noch geklärt würden, hat er das Thema der Zusammensetzung der Delegationen des bevorstehenden Treffens tangiert. Gruschko betonte, dass, „da es um Fragen der militärischen Sicherheit geht“, die Teilnahme hochrangiger Militärs an ihm „prinzipiell wichtig“ sei. Übrigens, am 12.-13. Januar erfolgt in Brüssel ein Treffen des NATO-Militärkomitees auf der Ebene der Stabschefs der zur Allianz gehörenden Staaten. Somit könnte die Tagung des NATO-Russland-Rates mit dieser Veranstaltung verbunden werden.
Allerdings ist schon allein das Interesse des offiziellen Moskaus für dieses Dialog-Format mit dem Nordatlantikpakt, das scheinbar für immer unwiederbringlich der Geschichte anheimgefallen war, prinzipiell wichtig. Der NATO-Russland-Rat war im Jahr 2002 etabliert worden, als die Beziehungen der Russischen Föderation mit dem Westen weit von konfliktbelasteten entfernt waren. Moskau und Washington waren faktische Verbündete im Kampf gegen den weltweiten Terrorismus. Damals war sogar ernsthaft die Möglichkeit eines NATO-Beitritts von Russland erörtert worden. Bis zum Jahr 2008 war der Rat zweimal im Jahr zusammengetreten. Auf einer regulären Grundlage wirkten Arbeitsgruppen und ein Vorbereitungskomitee. Kurzum: Dies war ein Arbeitsformat, in dessen Rahmen eine Vielzahl aktueller Fragen erörtert wurde, die das Zusammenwirken Russlands und die NATO betrafen – von der Nutzung des Flughafens von Uljanowsk für die Bedürfnisse der Gruppierung der USA und deren Verbündeten in Afghanistan bis zu einer Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen und Raketentechnologien.
Die Situation änderte sich vollkommen im Jahr 2014, nach den Ereignissen im Osten der Ukraine und der Verhängung antirussischer Sanktionen. Der NATO-Russland-Rat begann, immer seltener zusammenzutreten. So tagte er im Jahr 2019 nur ganze zweimal. Und dies auf unterster Ebene – auf der Ebene von Botschaftern. Schließlich war doch aber entsprechend den Arbeitsregeln des Gremiums vorgesehen worden, dass sich die Botschafter mindestens einmal im Monat treffen. Dabei sollte es noch regelmäßige Treffen auf der Ebene der Außen- und der Verteidigungsminister, der Generalstäbe und last and least der Staatsoberhäupter geben – mindestens einmal in zwei Jahren.
Den Wunsch, dieses Format wiederaufleben zu lassen, bekundete die NATO und nicht Russland. Jens Stoltenberg hat in diesem Jahr bereits mehrfach vorgeschlagen, eine Tagung des Rates durchzuführen. Charakteristisch ist, dass, als das NATO-Informationszentrum, das in Moskau unter anderem für die arbeitsseitige Absicherung solcher Treffen zuständig war, Anfang November seine Arbeit auf Initiative der russischen Seite einstellte, man in Brüssel beschloss, seine Funktionen nicht an die Vertretung der Europäischen Union zu übergeben. Folglich hoffte man dort, dass die Kontakte Moskaus und der Allianz in Bälde in der einen oder anderen Form wiederaufgenommen werden.
Russland hatte aber seinerseits demonstrativ den Kontakten mit den USA und nicht mit der NATO den Vorzug eingeräumt. In dem bereits erwähnten Interview für den TV-Kanal RT hatte sich Lawrow recht scharf über Stoltenberg und dessen Arbeit geäußert. Der NATO-Generalsekretär würde nach Aussagen des russischen Außenministers „ständig irgendwelche nicht sehr adäquate Erklärungen“, die Russland betreffen würden, abgeben. Und überhaupt wäre es für den Generalsekretär nicht schlecht, wie Lawrow ironisch oder gereizt sagte, sich Gedanken über einen Job-Wechsel zu machen.
Die Bereitschaft, die Einberufung einer Tagung des NATO-Russland-Rates (voraussichtlich am 12. Januar – Anmerkung der Redaktion) zu erörtern, belegt, dass Moskau die Allianz nicht abschreibt. Dennoch verknüpft es mit ihr aber auch keine überzogenen Erwartungen. Bisher ist offiziell das Datum für ein Treffen von Vertretern der USA und Russlands nicht bekanntgegeben worden, obgleich sich am Dienstag die Informationen bezüglich des 10. Januars verdichteten. Aber der russisch-amerikanische Track ist, wenn man anhand der Erklärungen russischer offizieller Vertreter urteilt, unter den drei Tracks für die Erörterung der russischen Sicherheitsvorschläge der wichtigste und bestimmende.