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Peking befürchtet, dass sich die USA in die Ereignisse in Kasachstan einmischen


Peking hat sein Schweigen über die Ereignisse in Kasachstan beendet. Anfangs hatte das Außenministerium der Volksrepublik China erklärt, dass die Situation eine innere Angelegenheit des Landes, das an das Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang grenzt, sei. Später aber hat sich die Zeitung „Global Times“, die durch die Kommunistische Partei Chinas herausgegeben wird, mit der Warnung zu Wort gemeldet, dass die USA in den Erschütterungen eine Chance dafür sehe, Russland und China „zu zügeln“. Nach Aussagen chinesischer Experten hätte sich das Chaos in den Städten nicht nur aufgrund der Gaspreise ausgebreitet, sondern auch im Zusammenhang mit der Zunahme des Nationalismus unter den jungen Menschen Kasachstans. Im Ergebnis dessen könne die Instabilität die gesamte Region erfassen. Und gewinnen würden dadurch die Vereinigten Staaten und der Westen.

Am 6. Januar gab der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Wang Wenbin eine Bewertung zu den Ereignissen in Kasachstan. Die entstandene Lage sei eine interne Angelegenheit Kasachstans. China sei der Auffassung, dass die Offiziellen des Staates das Problem richtig lösen könnten, sagte Wang Wenbin. Von daher ergab sich, dass sie keine äußere Hilfe brauchen.

Später jedoch meldeten Medien Chinas, dass, da die Unruhen das halbe Land erfasst hätten, Kasachstan sich um Hilfe an die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit gewandt hätte. Und aus den Äußerungen der chinesischen Analytiker kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass man in der Volksrepublik China diese Hilfe als eine gerechtfertigte ansieht. Denn was kann es für eine Alternative geben? Die USA würden die Proteste ausnutzen, um Instabilität in ganz Zentralasien zu verbreiten und damit Russland und China schwächen.

Als ein Funke für den Beginn der Proteste habe die Anhebung der Gaspreise im Westen des Landes gewirkt. Dann aber hätten sie Almaty und andere Städte erfasst und einen politischen Charakter erlangt, unterstreicht die „Global Times“. Die Teilnehmer der Proteste wären gegen den ersten Landespräsidenten Nursultan Nasarbajew aufgetreten. Kurzum: Die Krise habe innere Wurzeln. Man könne aber nicht ausschließen, dass äußere Kräfte zu einer Ausdehnung der Unruhen anstiften.

Su Chang, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Akademie für Gesellschaftswissenschaften Chinas betont, dass die (COVID-19-) Pandemie der Wirtschaft Kasachstans einen starken Schlag versetzt habe. Zur gleichen Zeit seien aber in den letzten Jahren auch Proteste unter der Jugend aufgeflammt, die unter den Einfluss nationalistischer Stimmungen geraten seien. Zu einem Hintergrund der Unruhen seien nach Aussagen des Analytikers auch die Widersprüche zwischen den politischen Gruppierungen während des Machttransits, aber auch die Einmischung äußerer Kräfte geworden.

„Wer wird dadurch am meisten gewissen? Sicherlich die USA und der Westen. Schließlich grenzt Kasachstan an China und Russland. Und das strategische Ziel des US-Präsidenten Joseph Biden besteht darin, China und Russland aufzuhalten. Wenn in Kasachstan Chaos herrscht, beeinflusst dies all seine Nachbarn“, sagt Su Chang.

Professor Zhu Yǒngzhōu an der Universität von Lánzhōu lenkt die Aufmerksamkeit auf einen anderen Faktor. Sowohl Russland als auch die USA wollen Kasachstan auf ihre Seite bringen. Kasachstan sei bestrebt gewesen, eine delikate Balance zwischen ihnen zu wahren. Dies sei aber angesichts der Verschlechterung der russisch-amerikanischen Beziehungen schwierig geworden. Dennoch hätte Washington nach dem Abzug der Amerikaner aus Afghanistan die ideologische Bearbeitung der kasachischen Nichtregierungsorganisationen und Medien verstärkt. Solch eine Bearbeitung sei auch früher zu beobachten gewesen. So hatte im Jahr 2020 die Nationale Stiftung für Demokratie (National Endowment for Democracy), die durch die US-Regierung finanziert wird, 1,08 Millionen Dollar für die Unterstützung für unabhängige Journalisten und Menschenrechtler in Kasachstan bereitgestellt.

Mehr noch, fährt der chinesische Experte fort: Die Biden-Administration nutze die Xinjiang-Frage, um Zwietracht zwischen China und den Ländern Zentralasiens zu säen. Die Entfernung zwischen Almaty und Xinjiang sei eine geringe. China werde gezwungen sein, die Kontrolle an der Grenze zu verstärken.

Da Kasachstan als ein wichtiger Knotenpunkt für den Transport von Öl und Gas aus der Region nach China diene, würden sich die Ereignisse so oder andere auf diese Lieferungen auswirken, prognostiziert Yang Jin, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Russland-, Osteuropa- und Zentralasien-Forschungen der chinesischen Akademie für Gesellschaftswissenschaften. Die Auswirkung werde aber keine starke sein. Schließlich sei das Pipelinesystem ein technisch zuverlässiges. Und außerdem hätte die Botschaft der Volksrepublik China die chinesischen Unternehmen, die in dem Land arbeiten, über die Risiken informiert. Und diese hätten die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt.

In Kasachstan arbeiten auch chinesische Firmen, die sich mit einer Erkundung der Vorräte an Öl und Gas befassen. Sie agieren aber weit von den Großstädten entfernt und sind bisher nicht von den Unruhen betroffen worden. Eines der chinesischen Energieunternehmen teilte der Presse mit: „Kasachstan ist für uns ein sehr großer Markt. Die meisten unserer Angestellten sind Einheimische. Wir haben nicht vor, Kasachstan zu verlassen“.

Was die generelle Charakterisierung der Ereignisse angeht, so bezeichnen die chinesischen Analytiker sie nicht als eine „bunte Revolution“.