Russische Tennisspieler, Schwimmer, Formel-1-Rennfahrer und Radsportler können an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, aber nur in einem neutralen Status, ohne Flagge und Hymne. Dem würde es Sinn machen, das Wort „vorerst“ hinzuzufügen. Bisher können sie es, denn die Situation ändert sich jeden Tag. Wie das Internationale Paralympische Komitee demonstrierte (am Mittwoch billigte es eine Teilnahme russischer Athlet*Innen an den Paralympischen Winterspielen in Peking, die am Freitag beginnen, doch am Donnerstag wurde diese Entscheidung zurückgezogen). Die meisten internationalen Verbände haben russische Sportler*Innen und Mannschaften ohne konkrete Zeiträume „bis zu einer weiteren Benachrichtigung“ suspendiert, womit sie der Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees oder dem Beispiel großer Verbände in der Art von FIFA und UEFA folgten.
So sieht die faktische internationale Isolation des russischen Sports aus. Und man kann nicht voraussagen, wann dies aufhören wird, wie und wer zurückrudern wird. Es ist klar, dass genauso wie die anderen Sanktionen die Sport-Restriktionen in Abhängigkeit von der Lage der Dinge in der Ukraine aufgehoben werden können. Wie aber wird diese Lage interpretiert werden? Und durch wen? Dies ist unklar.
Die russischen Sportoffiziellen einschließlich einzelner Verbände beabsichtigen, die Rechte der Sportler*Innen vor internationalen Gerichten zu verteidigen. Unter normalen Bedingungen könnte dies ein Ergebnis bringen. Die Sportler*Innen haben keinerlei Regeln verletzt. Sie tragen keinerlei Verantwortung für politische Entscheidungen, Sonderoperationen, Konflikte und deren Regulierung und können sie nicht tragen. Dies sind Menschen, die eine Arbeit haben, eine Karriere, Leistungen, Zukunftspläne und internationale Bekanntheit. Die Isolierung trifft in erster Linie sie, verletzt ihre Rechte. In der Theorie machen sie das sinnlos, womit sie sich befassen. In den westlichen Ländern unterstreicht man ständig, dass die Rechte des Individuums das Wichtigste seien. Eine kollektive Verantwortung für die Entscheidungen von Politikern widerspricht diesem Prinzip.
Das Problem besteht gerade darin, dass man in den USA, in Kanada, Großbritannien, der EU und einer Reihe anderer Länder die Situation für eine anormale, eine beispiellose hält. Daher hören auch im Sport die normalen Regeln zu gelten auf. Sie werden aus dem Stand heraus revidiert, werden der Konjunktur unterworfen. Diese Konjunktur haben unter anderem die Fußball-Nationalteams von Polen, Schweden, Tschechien und anderen europäischen Ländern skizziert, die Spiele gegen die russische Auswahlmannschaft bis zu einer Entscheidung von UEFA und FIFA verweigern. Sie haben faktisch die Entscheidung der Organisationen durchgedrückt. Wenn die internationalen Verbände anders entschieden hätten, ist unbekannt, was geschehen wäre. Eine Welle von Ungehorsam und Verweigerung eines Unterordnens? Politische Demonstrationen auf dem Fußballfeld?
„Der Sport steht außerhalb der Politik“ – dies ist ein richtiger Slogan. Doch in der Praxis funktioniert er derzeit nicht. Und es ergibt sich die berechtigte Frage: Hat er irgendwann gewirkt oder war er nur eine Deklaration gewesen?
Kann nationaler Sport unter Bedingungen einer Isolation existieren? Eine gewisse Zeit lang – sicher. Im Regime von „das Wichtigste sind die Körperkultur und eine gesunde Lebensweise“ – sicher. Der professionelle Sport bedeutet aber Wettkämpfe mit den besten, auf jeden Fall – die Perspektive solcher Wettbewerbe. Er kann aber wohl kaum ohne einen Austausch von Erfahrungen (unter anderem auch von Trainern), von Technologien, wissenschaftlichen Entwicklungen sowie Neuheiten auf dem Gebiet von Medizin und physischer Ausbildung existieren. Wenn die Isolation lange andauern wird, sind eine Ausreise von Top-Athlet*Innen und ein Wechsel der Staatsbürgerschaft möglich. Und es wird schwer werden, diese Sportler*Innen eines fehlenden Patriotismus zu bezichtigen. Die Menschen denken an den Sinn ihres Lebens, doch ihr Staat kann ihnen diesen nicht garantieren.
Den besten ausländischen Sportler*Innen darf eine Isolierung Russlands auch nicht passen. Erstens ist ein unangenehmer Präzedenzfall für eine kollektive Verantwortung geschaffen worden. Zweitens verlieren die Titel, die ohne eine Konkurrenz mit russischen Skiläufer*Innen, Eishockeyspielern, Eiskunstläufer*Innen, Schwimmer*Innen, Tennisspieler*Innen (man kann die Liste noch fortsetzen) errungen worden sind, an Wert. Viele begreifen dies. Wie auch das, dass Russland ein riesiger und perspektivreicher Sportmarkt ist. Ist dieses Begreifen aber ausreichend, um die Sportsanktionen aufzuheben, sobald eine Entspannung des Konflikts einsetzt? Dies zu bewerten ist schwierig. Wie auch vieles Andere gegenwärtig.