Die Diözesen der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats haben eine nach der anderen sich zu weigern begonnen, den Namen von Patriarch Kirill bei den Gottesdiensten zu erwähnen. Ausgelöst wurde die Entscheidung durch die militärische Sonderoperation, die die Russische Föderation seit dem 24. Februar auf Befehl von Präsident Wladimir Putin auf dem Territorium der Ukraine durchführt. Daneben erklingen immer lauter die Appelle von Klerikern der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats zu einer Loslösung vom Moskauer Patriarchat.
Es ist bereits bekannt, dass sich die Diözesen von Iwano-Frankowsk, Rowno, Mukatschjowo, Lwow, Wladimir-Wolyn, Schitomir und Sumy weigern, Patriarch Kirill zu erwähnen. Informationen darüber sind auf den offiziellen Internetseiten veröffentlicht worden. Ihnen haben sich die Diözesen Wolyn-Luzk, Chmelnizki und Schepetowka angeschlossen. Dies aber bereits laut inoffiziellen Informationen.
„Ab dem heutigen Tag (1. März – „NG“) wird das Erwähnen nur des glückseligsten Metropoliten von Kiew und der ganzen Ukraine Onufrij und des Oberhauptes der Diözese Schitomir der Ukrainischen orthodoxen Kirche, des hochheiligen Nikodim, des Metropoliten von Schitomir und Nowograd-Wolyn, bei den Gottesdiensten gesegnet. Damit verletzen wir weder die Kanons noch die Traditionen der Kirche, die das Einschließen des herrschenden Hierarchen in das Gebet beim Gottesdienst belegen. Eine erhebliche Anzahl von Gemeinden in der ganzen Ukraine hat lange den Namen von Patriarch Kirill beim Gottesdienst nicht erwähnt. Heute halten wir es für notwendig, solche Handlungen zu unterstützen“, heißt es in einem speziellen Appell des Oberhauptes der Diözese Schitomir der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, des Metropoliten Nikodim (Gorenko).
Auf Facebook wird eine Anordnung verbreitet, die durch den Metropoliten von Sumy Eulogij (Gutschenko) unterschrieben wurde und in der er „segnet“, „die Erwähnung des Patriarchen von Moskau beim Gebet in allen Kirchen und Klöstern der Diözese von Sumy einzustellen“. Gerade der Klerus von Sumy hatte als erster eine Petition an alle anderen Kleriker der Ukrainischen orthodoxen Kirche mit der Forderung verfasst, auf Gebete für das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche zu verzichten. Der Synod der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats wandte sich an das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche mit der Bitte, „die Führung der Russischen Föderation zu einer unverzüglichen Einstellung der Kampfhandlungen aufzurufen“. Patriarch Kirill ist bisher dieser Bitte ausgewichen und beschränkte sich auf die Bestätigung des Textes für ein Gebet um die Wiederherstellung des Friedens.
Ohne auf die Reaktion des Oberhauptes der Russischen orthodoxen Kirche abzuwarten, haben der Klerus und die Gemeindemitglieder der Diözese Rowno einen Appell an die Geistlichen und Gläubigen der Weißrussischen orthodoxen Kirche verfasst. „Wir bitten, wir flehen Sie an, nicht zu schweigen und sich an das Oberhaupt Ihrer orthodoxen Kirche und an den Präsidenten Ihres Landes zu wenden, um keine Tötung des ukrainischen Volkes zuzulassen“. Es sei daran erinnert, dass sich der Weißrussische Exarch, Metropolit Veniamin (Tupeko) von Minsk, am 25. Februar über die Situation in der Ukraine geäußert hatte. „Indem wir uns als eine Familie mit den Russen und den Ukrainern empfinden, teilen wir den Schmerz unserer Brüder und Schwestern. Wie es in einer gewöhnlichen Familie Zeiten der Prüfungen gibt, so ergeben sich auch in den Beziehungen von Brudervölkern Widersprüche, Konflikte, dies mitunter sehr schwer zu lösen sind. Und der Feind aus dem Menschengeschlecht freut sich besonders, wenn ein Bruder gegen den anderen Bruder antritt. Die Weißrussische orthodoxe Kirche ruft auf, Schritte aufeinander zu zu machen“, zitiert die offizielle Internetseite des Exarchats seine Erklärung. Und am 3. März bekräftigte der hochrangige Kleriker seinen Appell, wobei er betonte: Der einzige Ausweg seien „Versöhnung und das schnellstmögliche Ende der Kampfhandlungen“.
Am ersten Tag des März wurde bekannt, dass das Oberhaupt der Diözese von Wladimir-Wolyn, Metropolit Wladimir (Melnik), nicht nur die Entscheidung seines Klerus, die Erwähnung des Moskauer Patriarchen während der Liturgie einzustellen, sondern auch den Appell des Klerus seiner Diözese hinsichtlich der Notwendigkeit unterstützt hatte, sich an das Oberhaupt der Ukrainischen orthodoxen Kirche, an Metropolit Onufrij (Beresowskij), bezüglich der Klärung der Frage nach einer Loslösung der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats von der Russischen orthodoxen Kirche zu wenden. „Patriarch Kirill erklärte: „Bewahre uns Gott davor, dass zwischen Russland und der Ukraine eine schreckliche Linie gezogen wird, die durch das Blut von Brüdern befleckt ist“. Ja, eben diese Linie ist bereits gezogen worden!“, schrieb der 53jährige Geistliche.
In all dieser Zeit hat sich Patriarch Kirill nur zweimal dem Thema der Ukraine und deren Gläubigen zugewandt. In seiner Predigt vom 27. Februar hatte er dazu aufgerufen, für Frieden auf dem „russischen Boden“ zu beten, wobei er dazu Russland, die Ukraine und Weißrussland rechnete. Damals hatte auch der Vorsitzende der Abteilung für auswärtige Kirchenbeziehungen des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), erklärt, dass „die Ukrainische Kirche keine Autokephalie möchte“. „Wenn die kanonische Ukrainische Kirche eine Autokephalie gehabt und um sie bei der Russischen orthodoxen Kirche gebeten hätte, würde es irgendeinen Prozess geben, der sicherlich zu einer Autokephalie führen würde. Ich weiß es nicht. Derzeit ist es schwierig, Mutmaßungen anzustellen. Doch die Ukrainische orthodoxe Kirche möchte dies nicht“, behauptete Hilarion. „Das ukrainische Volk möchte mit dem russischen Volk bleiben. Und dies ist keine politische, sondern eine Kirchenfrage“, konstatierte er in einem Interview für das französischsprachige Nachrichtenportal www.orthodoxie.com. Der Kirchendiplomat fügte hinzu, dass man die Frage nach einer Gewährung der Autokephalie „in keiner Weise mit der Politik vermischen darf, denn die politischen Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine können alles Mögliche sein, doch der Wille des Kirchenvolkes besteht darin, die Einheit zu bewahren“.
Jedoch wird es immer offensichtlicher, dass es mit der von der Russischen orthodoxen Kirche erwünschten Einheit mit dem ukrainischen Volk und der ukrainischen Kirche schon nicht klappen wird. „Wir haben Sie für einen Vater gehalten. Sie sind aber schlimmer als ein Stiefvater“. Diese Worte haben Vertreter des ukrainischen Klerus der unterschiedlichsten Diözesen immer häufiger zu wiederholen begonnen. Es ist so weit gekommen, dass der Leiter des Stadtrates von Gorodok im ukrainischen Verwaltungsgebiet Lwow, Wladimir Remenjak, in dieser Kleinstadt das Wirken der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats verboten hat. Eine entsprechende Anordnung ist auf der Facebook-Seite des Stadtrates veröffentlicht worden. Die Geistlichen und Gemeindemitglieder der Ukrainischen orthodoxen Kirche bezichtigt man in diesem Dokument einer staatsfeindlichen und antiukrainischen Tätigkeit, der Schaffung einer „künstlichen Konfrontation einzelner Gruppen des ukrainischen Volkes“ und der „Spaltung der ukrainischen Gesellschaft auf religiöser Grundlage“. Und die eigentliche Ukrainische orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats stelle nach Meinung des Beamten „eine Gefahr für die nationale Sicherheit der Ukraine“ dar.
Gläubige der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats überlegen bereits, wie man eine Freiheit von der Russischen orthodoxen Kirche bekommen kann. Die einen schlagen in den sozialen Netzwerken vor, sich an den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomeus I. zu wenden, der der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) 2018 die Autokephalie geschenkt hatte. Andere sind sich sicher, dass Patriarch Kirill selbst die Ukrainische Kirche freigeben müsse. Dritte bestehen auf die Einberufung eines speziellen kirchlichen Vereinigungskonzils. Mit dem Verschlag sich zu vereinen, hat sich an Metropolit Onufrij das Oberhaupt des Kiewer Patriarchats Filaret (Denisenko) gewandt, den man jedoch weder in der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats noch in der OKU anerkennt.
Im Moskauer Patriarchat verfolgt man natürlich mit großer Besorgnis die Entwicklung, und Patriarch Kirill bezeichnete es als eine Sünde und den Versuch einer Kirchenspaltung, seinen Namen nicht bei den Gottesdiensten zu erwähnen. Und würdigte am 2. März das beispielgebende Schicksal des Erzpriesters Grigorij Prosorow. Dieser hatte die Erwähnung des Namens von Metropolit Sergius bis 1942, das heißt bis zu seiner Festnahme und seinem Ableben, in der einzigen Kirche des Moskauer Patriarchats in Berlin während des Krieges nicht eingestellt. „Eine Einstellung des Erwähnens des Kirchenoberhauptes nicht aufgrund theologischer oder kanonischer Fehler oder Irrtümer, sondern aufgrund einer Nichtübereinstimmung mit denen oder anderen politischen Anschauungen und Neigungen – dies ist eine Spaltung, für die sich jeder, der sie anzettelt, vor Gott und nicht nur im künftigen Jahrhundert, sondern auch im heutigen verantworten wird“, unterstrich Patriarch Kirill in einer Resolution zur Anordnung des Metropoliten von Sumy.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es in der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats 53 Diözesen. Dies ist eine der bedeutendsten hinsichtlich der Anzahl der Gemeindemitglieder und des Klerus der selbstverwalteten Teile der Russischen orthodoxen Kirche. Es besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass unter der Obhut des Patriarchen von Moskau und Ganz Russland nur das Territorium bleiben wird, auf das sich die Jurisdiktion oder ein starker politischer Einfluss der Russischen Föderation erstrecken wird.