Zur tragischen Auflösung der langjährigen russisch-ukrainischen Konfrontation hat ein ganzer Komplex von Umständen geführt, die durch alle inneren und äußeren Beteiligten der ukrainischen Krise geschaffen wurden.
Vor allem ist dies die verantwortungslose Politik der nationalistisch eingestellten und auf eine Eurointegration ausgerichtete ukrainische politische Führungsriege, die im Verlauf von 17 Jahren einen antirussischen Kurs bei einem Setzen auf extremistische Gruppierungen und mit der Unterstützung der sie mit Waffen versorgenden westlichen Länder verfolgte. Eine Schlüsselrolle spielte dabei der von einer äußeren Einmischung begleitete innere Konflikt, der zwischen den Offiziellen Kiews und den von Russland unterstützten selbstausgerufenen Donbass-Republiken DVR und LVR ausgebrochen war. Als Antwort auf ihren Widerstand wurde im Südosten des Landes eine antiterroristische Operation gestartet, die schnell zu großangelegten Kampfhandlungen ausartete.
Im Verlauf von acht Jahren wurden Hoffnungen auf eine Lösung dieses Konflikts mit den Minsker Abkommen verknüpft, deren Erfüllung durch Kiew sabotiert wurde, das mit einer Reihe von Bestimmungen in ihnen einverstanden war und hartnäckig in die NATO strebte. All dies förderte eine Eskalation der Spannungen in der Region, deren möglichen Konsequenzen keine besondere Bedeutung beigemessen wurde.
Diese Tatsache wurde auch zum hauptsächlichen Reizfaktor für Russland, dass seine diplomatischen Ressourcen und Geduld bei der Suche nach einem Kompromiss vollkommen ausgeschöpft hat, aber nach wie vor daran interessiert ist, die beigetretene Krim und den Einfluss im Donbass zu behalten. Aus Furcht vor einer neuen Offensive der ukrainischen Streitkräfte im Donbass beschloss Russland, sich doch auf eine vorsätzliche Zuspitzung des schwelenden Konflikts einzulassen, indem es (im Rahmen angeblicher Manöver) entlang der Grenze zur Ukraine Truppen konzentrierte und den USA und der NATO von vornherein unerfüllbaren ultimativen Forderungen (nach einer Nichterweiterung der NATO gen Osten und einem Zurückfahren ihrer Infrastruktur bis auf den Stand von 1997) stellte.
Das vollkommene Scheitern der diplomatischen Anstrengungen, die Ablehnung des Westens, die Hauptforderung Russlands zu erfüllen, und die sackgassenartige Situation bei der Realisierung der Minsker Abkommen haben dazu geführt, dass sich Moskau am 21. Februar zu einem radikalen Schritt entschied, den es im Verlauf vieler Jahre vermieden hatte. Der Kreml ließ sich auf eine Anerkennung der Unabhängigkeit der DVR und der LVR und die Unterzeichnung von Verträgen über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe, die auch militärische Unterstützung seitens Russlands vorsehen, mit diesem um ihr Überleben kämpfenden separatistisch eingestellten Republiken ein. (Womit zum dritten Mal in den Jahren der Putin-Herrschaft deutlich gemacht wurde, dass die europäischen Nachkriegsgrenzen für Russland schon lange kein MUSS mehr sind. – Anmerkung der Redaktion)
Danach maß es sich Moskau an, noch weiter zu gehen, und begann, seine früher angekündigten Warnungen umzusetzen, indem es zu einer militär-technischen Antwort überging. In den frühen Morgenstunden des 24. Februars begann Russland eine militärische Sonderoperation in der Ukraine, die in vielen Ländern und internationalen Organisationen der Welt als ein Krieg bezeichnet wird. Ihr Ziel bestehe laut Aussagen von Wladimir Putin im „Schutz der Menschen, die im Verlauf von acht Jahren Schikanen, einem Genozid seitens des Kiewer Regimes ausgesetzt werden“. Dazu sei seinen Worten zufolge geplant, eine „Demilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine“ vorzunehmen, alle Kriegsverbrecher vor ein Gericht zu bringen, die für „die blutigen Verbrechen gegen die friedlichen Einwohner“ des Donbass verantwortlich seien.
Seitdem hat die russisch-ukrainische Konfrontation begonnen, sich entsprechend einem gewaltsamen Szenario zu entwickeln. Alle Warnungen des Westens, der hartnäckig behauptet hatte, dass sich Russland auf einen Einmarsch vorbereite (ungeachtet der mehrfachen Behauptungen der russischen Führung hinsichtlich des Gegenteils, haben sich letztlich leider bewahrheitet.
Freilich, ungeachtet der Aussagen des Präsidenten der Russischen Föderation, ist bisher unklar, welches dennoch das Endziel dieser erneuten Sonderoperation ist: eine Zerstörung der gesamten militärischen Infrastruktur des Nachbarlandes, eine Ausrottung des nationalen Extremismus, die Ausdehnung der Territorien der LVR und DVR bis zu den Verwaltungsgrenzen der Verwaltungsgebiete Lugansk und Donezk, die Nötigung zu einer Anerkennung der Krim als einen Teil Russlands, eine vollkommene Zerschlagung, eine Kapitulation und Errichtung einer russischen Kontrolle über die gesamte Ukraine, ihr Verzicht auf einen NATO-Beitritt und die Verleihung eines neutralen Status, ein Wechsel des politischen Regimes in Kiew und dessen Ersetzung durch eine prorussische (Marionetten-) Regierung? Vielleicht auch eine weitere Zerstückelung des ukrainischen Staates, was seine Zukunft an sich in Frage stellen würde?
Im Zentrum Europas haben die größten Kampfhandlungen seit den Zeiten des Zweiten Weltkriegs begonnen, die zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen Moskaus und Kiews führten. Zur gleichen Zeit hat sich Russland für lange jegliche Möglichkeiten für die Gestaltung weiterer Beziehungen mit dem Westen zunichte gemacht, wobei es auf einen der letzten Plätze im Ansehensrating der Länder der Welt abrutschte.
Wir sind Augenzeugen dramatischster Ereignisse, die den gesamten internationalen Kontext vollkommen veränderten und zu einer großen humanitären Katastrophe führten, von Ereignissen, die Ruin, Flüchtlingsströme und Verzweiflung von Millionen Menschen ausgelöst haben. Wie immer man auch die Kampfhandlungen bezeichnen mag, der Westen begreift sie als eine Herausforderung für das gesamte europäische Sicherheitssystem, als ein törichtes Abenteuer, das persönlich durch den Präsidenten der Russischen Föderation initiiert wurde, und formiert eine eigene konsolidierte Antwort auf dieses.
Das Geschehene hat vor allem die Beziehungen Russlands und des Westens grundlegend verändert, wobei es noch stärker seine Anstrengungen zur internationalen Isolierung und Verwandlung der Russischen Föderation in einen weltweiten Abschaum aktivierte. Ausgesetzt wurde Russlands Mitgliedschaft im Europarat. Die OECD hat endgültig dessen Beitritt abgelehnt. Ihre Tätigkeit in Russland haben die Weltbank und die Asiatische Bank für Infrastrukturprojekte eingestellt. Die Einstellung der Arbeit in Russland haben die internationalen Zahlungssysteme Visa und Mastercard bekanntgegeben. Zwecks Blockierung von Geschäftsabschlüssen mit westlichen Banken und Beschleunigung des Kurseinbruchs des Rubels werden erstmals Reserven der Bank Russlands eingefroren. Über 80 ausländische Unternehmen haben in Russland ihr Engagement eingestellt.
Verschärft werden die Sanktionen auch gegen die Schuldverschreibungen Russlands. Verhängt wurde ein Verbot für jegliche Vertragsabschlüsse auf dem primären und sekundären Markt mit russischen Rubel-Obligationen der föderalen Staatsanleihe oder mit souveränen Devisen-Eurobonds, die nach dem 1. März 2022 emittiert worden sind. Konfisziert wurde Besitz russischer Oligarchen im Ausland. Gesperrt wurde der Luftraum der EU und der USA für die russische Luftfahrt.
Während das nach dem Krim-Anschluss etablierte Sanktionsregime keinen totalen Charakter trug und sich auf eine Reihe von entscheidenden Finanzinstituten und Industrieunternehmen sowie mehrere hundert natürliche Personen beschränkte, haben sich die neuen Sanktionen als weitaus umfangreicher und empfindlichere erwiesen.
Ähnlich den früheren Restriktionen sind sie auf ein Verdrängen Russlands aus der Weltwirtschaft ausgerichtet, auf eine Einschränkung des Exports von hochtechnologischen Erzeugnissen und der Tätigkeit einer Reihe von Finanzinstituten und Industriekonzernen. Von den Sanktionen erfasst wurden hunderte russische Gesetzgeber, aber auch Personen aus der nächsten Umgebung Putins und er selbst.
Außerdem wird die Teilnahme der Russischen Föderation an unterschiedlichen internationalen Organisationen, an Kulturforen, Verhandlungen, Sportwettbewerben und anderen Veranstaltungen blockiert, suspendiert wurden akademische Austauschprogramme, annulliert werden Programme der sogenannten „goldenen Pässe“ für russische Investoren. In vielen Ländern der Welt werden selbst Kulturschaffende und andere, nicht am Konflikt beteiligte Bürger Russlands Verfolgungen ausgesetzt und verstoßen.
Die verhängten Restriktionen tragen einen beispiellosen komplexen Charakter. Seit 2014 und bis heute haben 48 Staaten der Welt gegen Russland vier Pakete von Sanktionen geschnürt und in Kraft gesetzt, die insgesamt 670 natürlichen und 113 Rechtspersonen tangierten, womit sie es in den weltweiten Spitzenreiter hinsichtlich der verhängten Restriktionen (55.324) verwandelten. Sie werden zweifellos einen ausbremsenden Einfluss auf die Modernisierung der Wirtschaft und die Entwicklung unseres Staates ausüben. Und bei einer langfristigen Wirkung stellen sie eine Gefahr selbst für seine eigentliche Existenz dar.
Vorerst berühren die restriktiven Maßnahmen nicht den gesamten Öl- und Gassektor Russlands, der die Hauptquelle für das Auffüllung des Staatshaushaltes ist (obgleich die USA bereits die Verhängung eines Importverbots von russischem Öl, Gas und anderen Energieträgern bekanntgegeben haben). Geplant ist auch nicht, Russland vollkommen vom internationalen Banken-Zahlungssystem SWIFT abzukoppeln. Bisher betrifft dies nur sieben russische Banken (VTB, Otkrytie, Novikombank, Promsyazbank, Rossiya, Sovkombank und VEB.RF), die unter solche Sanktionen geraten sind.
Bisher ist es verfrüht, über wirtschaftliche Konsequenzen der verabschiedeten Maßnahmen zu sprechen. Doch laut ersten Grobschätzungen können die Gesamtverluste des russischen BIP aufgrund der verhängten Sanktionen rund zehn Prozent im Jahr ausmachen.
Heute unternehmen dutzende Länder der Welt alles Mögliche, damit die militärische Sonderoperation des Kremls in der Ukraine, die zu erheblichen Menschenopfern, Millionen Flüchtlingen und zu einer ungeahnten humanitären Katastrophe führte und von einer gewaltigen informationsseitigen Konfrontation und gegenseitiger feindseliger Propaganda begleitet wird, die gestellten Ziele nicht erreicht. Damit sie, indem sie zum größten strategischen Flop des Kremls wird, eine entgegengesetzte Wirkung erzielt – zu einer Zunahme antirussischer Stimmungen, zu Antikriegsdemonstrationen, zu wirtschaftlichen und Ansehensverlusten, auf dieser Grundlage zu einem Zusammenschluss der westlichen Länder, zu einer NATO-Erweiterung und weiteren Zügelung Moskaus führt.
So hat als Antwort auf die russische Sonderoperation der Nordatlantikpakt begonnen, operativ die eigene Militärpräsenz im Osten der Allianz zu verstärken. Und in den Vereinigten Staaten an sich hat man bereits angefangen, Varianten für die Stationierung von in die NATO integrierten Luftverteidigungssystemen in den Ländern des Baltikums zu prüfen. Eine Folge der Zuspitzung der ukrainischen Krise war der Abbruch der gerade wiederaufgenommenen russisch-amerikanischen Verhandlungen zu Fragen der Rüstungskontrolle und strategischen Stabilität. Auf unbestimmte Zeit verschieben sich auch die Perspektiven für eine Normalisierung der Beziehungen Russlands mit dem Westen.
Es macht Sinn, noch eine unerwünschte mögliche Wirkung der Sonderoperation hervorzuheben – die Veränderungen im Zusammenhang mit der drastischen Zunahme der feindseligen antirussischen Stimmungen in der ganzen Welt, mit der Aktivierung der militärischen Zusammenarbeit der Länder Europas, der Reduzierung dessen Marktes für den russischen Export. Möglich sind eine mehrfache Vergrößerung der Gruppe der für die Russische Föderation unfreundlichen Staaten, eine weitere Euro-Integration der Ukraine, eine fundamentale Veränderung der gesamten internationalen Landschaft nicht im Interesse unseres Landes und die reale Perspektive dessen langen Isolierung, die eine kulturelle und technologische Degradierung nach sich ziehen wird.