„Ein potenzieller Stopp der russischen Gaslieferungen hätte für die deutsche Wirtschaft schwerwiegende Konsequenzen. Wir können Gas aus Russland kurzfristig nicht ersetzen. Energielieferungen aus Russland wurden daher bewusst von den Sanktionen ausgenommen, weil wir kurz- und mittelfristig darauf angewiesen sind. Russland liefert zurzeit immer noch 40 Prozent der deutschen Gasimporte. Erdgas steht als Energieträger und Rohstoff am Anfang vieler Wertschöpfungsketten. Da Haushalte bei der Belieferung priorisiert werden, droht in einigen Industrien bei einem Lieferstopp ein kompletter Produktionsstillstand. Dadurch sind hunderttausende Arbeitsplätze in energieintensiven und nachgelagerten Industriezweigen unmittelbar gefährdet. Es drohen zudem Einschnitte bei der Grundversorgung und bei Pharmaprodukten.
Es ist daher sinnvoll, dass sich die Bundesregierung für den Ernstfall wappnet und die Frühwarnstufe des Notfallplans für die Gasversorgung in Kraft gesetzt hat. Wichtig wäre es, die betroffenen Unternehmen im Falle von Produktionseinschränkungen mit Staatshilfe zu stabilisieren und die steigenden Energiekosten abzufedern. Die Auswirkungen auf die Konjunktur wären aber in jedem Fall gravierend. Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren einen massiven Wachstumseinbruch von teils mehr als sechs Prozent. Dies gefährdet die Finanzierung wichtiger Zukunftsprojekte wie der beschleunigten Energiewende, der Digitalisierung oder auch die Unterstützung der Ukraine.
Wir fordern die russische Regierung auf, bestehende Gaslieferverträge unverändert zu respektieren. Russland gefährdet mit einseitigen Änderungen die jahrzehntelangen Energiebeziehungen mit Deutschland und der EU und beschleunigt den Ausstieg aus diesem Geschäftsmodell. Dies wird auch die russische Wirtschaft selbst massiv treffen. So wie wir Zeit benötigen werden, um die Gasbeschaffung zu diversifizieren, kann auch Russland nicht von heute auf morgen seinen Gasabsatz und sein Kundenportfolio neu ausrichten.
Das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Russland ist durch den unverantwortlichen Krieg gegen die Ukraine bereits schwer beschädigt. Sanktionen sind aber kein Selbstzweck. Bei einer entsprechenden Verhaltensänderung Russlands muss die Tür für eine partielle Rücknahme von Sanktionen offen sein. Mit jedem weiteren Kriegstag wird eine Rückkehr zum früheren Status Quo aber schwieriger.“