Die Haltung der GUS-Länder hinsichtlich der von Präsident Putin am 24. Februar befohlenen militärischen Sonderoperation der Russischen Föderation in der Ukraine ist eine zwiespältige. In der Reaktion beinahe aller postsowjetischen Länder, selbst der zur Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit gehörenden und die nächste militärpolitische Verbündete Russlands sind, ist der Wunsch auszumachen, Neutralität zu wahren. Das einzige Land, das Russland (offen) unterstützt, ist Weißrussland.
Minsk hatte beispielsweise die Handlungen Russlands bei der Abstimmung während der Sondersitzung der UN-Vollversammlung unterstützt. Außer Weißrussland und der Russischen Föderation an sich hatten sich gegen die Resolution, die die russische Militäroperation verurteilte und einen Abzug der russischen Truppen vom Territorium der Ukraine forderte, Syrien, die KDVR und Eritrea ausgesprochen. Das Dokument wurde mit einer überwältigenden Unterstützung von 141 Ländern verabschiedet. Das interessanteste Bild stellt die Liste derjenigen Länder dar, die sich enthalten hatten. In der waren praktisch alle nächsten Verbündeten der Russischen Föderation, von denen man eine direkte Unterstützung für Moskau zumindest formal hätte erwarten können. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Unter denen, die sich der Stimme enthielten, sind Armenien, Kyrgystan, Tadschikistan, Kasachstan und Turkmenistan. Und Aserbaidschan und Usbekistan hatten überhaupt nicht abgestimmt.
Freilich, im Kreml teilte man mit, dass beim Treffen mit Russlands Staatsoberhaupt Wladimir Putin Kygystans Präsident Sadyr Dschaparow die Handlungen der Russischen Föderation zum Schutz der Zivilbevölkerung im Donbass unterstützt hätte. Jedoch ist solch eine Nachricht nur von der russischen Seite verbreitet worden. Kasachstan, dessen Staatsoberhaupt Russland während des Januar-Putschversuchs unterstützt hatte, nahm nicht Moskaus Seite ein. Präsident Kassym-Schomart Tokajew erklärte, dass Kasachstan die territoriale Integrität der Ukraine anerkenne. Und der Außenminister signalisierte eine Nichtanerkennung der Lugansker Volksrepublik und der Donezker Volksrepublik sowie die Unmöglichkeit eines Einsatzes von Truppen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit in der Ukraine. Der 1. Stellvertreter des Leiters der Administration von Kasachstans Präsident Timur Suleimenow erklärte überdies, dass die Republik „kein Instrument für ein Umgehen der Sanktionen gegen Russland seitens der USA und der Europäischen Union sein wird“.
Zur gleichen Zeit bewahrt Usbekistan eine starke Neutralität. Der Pressesekretär des usbekischen Präsidenten Schersod Asadow teilte mit, dass Taschkent keinerlei Seite einnehme und aufrufe, die Meinungsverschiedenheiten auf friedlichem Wege zu lösen.
Tadschikistan hat in keiner Weise offiziell die aktuellen Ereignisse in der Ukraine kommentiert. Der neutralste aller postsowjetischen Staaten ist Turkmenistan. Das Land hat den Vertrag über kollektive Sicherheit nicht unterschrieben und gehört auch nicht zum GUAM-Block (Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldawien). Der Militärdoktrin des Landes liegt die Politik einer nichtmilitärischen politischen Lösung von Konfliktsituationen zugrunde.
Weder dafür noch dagegen hat sich Baku ausgesprochen. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew hatte sich anfangs in Schweigen gehüllt, später auf Twitter angemerkt, dass Baku der Ukraine humanitäre Hilfe leiste.
Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan bezeichnete die Situation in der Ukraine als einen „geopolitischen tektonischen Prozess in einer sensiblen Etappe, der in der Lage ist, auf die Wirtschaftsatmosphäre in der eurasischen Region einen gewaltigen Einfluss auszuüben“. Wie er sich persönlich und Armenien insgesamt gegenüber der Militäroperation verhält, kann man nicht verstehen. Armeniens Außenministerium hat aber mitgeteilt, dass auf der Tagesordnung Jerewans die Frage nach einer Anerkennung der Unabhängigkeit der LVR und der DVR nicht stehe. Unter den postsowjetischen Ländern, die Russlands Aktionen eindeutig verurteilten, sind außer die Ukraine Moldawien und Georgien. Beide Länder haben es jedoch abgelehnt, sich den Sanktionen gegen die Russische Föderation anzuschließen.
Dabei bewahren die Staaten der GUS und der Eurasischen Wirtschaftsunion, aber auch Georgien die Handels- und Wirtschafts- sowie anderen Beziehungen mit Moskau. Solch eine Position erinnert immer mehr an eine gewisse Bewegung der Nichtpaktgebundenheit. Russland muss dies augenscheinlich ins Kalkül ziehen, um sowohl die GUS als auch die EAWU zu bewahren.