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Die Sanktionen werden für immer mit Russland bleiben


Fast elf Wochen sind vergangen, seitdem Russland von einer Lawine beispielloser Sanktionen überrollt wurde. Betroffen wurden die Schlüsselsektoren der Wirtschaft, eingefroren wurden russische Gold- und Devisenreserven. Drastisch verstärkt wurde die Exportkontrolle, besonders in Bezug auf hochtechnologische Waren. Boykott-Maßnahmen durch Unternehmen und Konzerne sind überall verhängt worden – angefangen beim Fastfood bis hin zum Zugang zu ausländischen Datenbanken für wissenschaftliche Publikationen. Das aktive Herablassen eines neuen eisernen Vorhangs wird durch eine Konfiszierung des Eigentums von Bürgern der Russischen Föderation im Ausland außerhalb von gerichtlichen Prozeduren begleitet. Dabei soll eine im US-Kongress eingebrachte Gesetzesvorlage künftig erlauben, beschlagnahmtes Eigentum „für eine Wiedergutmachung des Schadens, der der Ukraine zugefügt wurde“, zu verwenden.

Insgesamt, schenkt man dem Vorsitzenden der Staatsduma (des Unterhauses) der Russischen Föderation Wjatscheslaw Wolodin Glauben, seien seit 2014 gegen Russland 10.218 Sanktionen verhängt worden, mehr als gegen jeglichen anderen Staat. Da würde es scheinen, dass das Arsenal der antirussischen Sanktionen (als Antwort auf die Aufnahme der Krim in den Bestand Russlands, die Unterstützung Moskaus für die Donbass-Republiken und die am 24. Februar auf Befehl von Präsident Wladimir Putin begonnene sogenannte militärische Sonderoperation in der Ukraine – Anmerkung der Redaktion) ausgeschöpft worden ist.

Aber nein! Am Vorabend des am 9. Mai begangenen Tag des Sieges haben die Länder der „Großen 7“ (Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada, die USA, Frankreich und Japan) beschlossen, die Restriktionen zu verschärfen, da „Präsident Putin seinen Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen darf“ (https://www.g7germany.de/resource/blob/997532/2037622/170286f645196bbdac6fdc41ad26f65a/2022-05-08-g7-erklaerung-data.pdf?download=1). Am vergangenen Sonntag führten die Staats- und Regierungschefs der G-7 Online-Gespräche unter Beteiligung von Präsident Wladimir Selenskij zu Antwortmaßnahmen auf die militärische Sonderoperation der Russischen Föderation in der Ukraine durch. In der Abschlusserklärung versprachen die Spitzenvertreter des Elite-Klubs, die wirtschaftliche Isolierung Russlands zu verschärfen und die „Kampagne gegen die Finanzeliten und Familienangehörigen, die Präsident Putin in seinen Kriegsanstrengungen unterstützen und die Ressourcen der russischen Bevölkerung vergeuden, fortsetzen“.

Sie bekräftigten unter anderem, dass man Maßnahmen ergreifen werde, „um die Erbringung zentraler Dienstleistungen, von denen Russland abhängig ist, zu verbieten oder anderweitig zu verhindern“. Ergriffen werden neue Maßnahmen sowohl gegen russische Banken als auch die Versuche der Offiziellen der Russischen Föderation, „des russischen Regimes, seine Propaganda zu verbreiten“. Die Teilnehmer des virtuellen Summits riefen „ehrbare Privatunternehmen“ auf, dass sie „dem russischen Regime oder den mit ihm verbundenen Strukturen, die die russische Kriegsmaschinerie antreiben, keine Einnahmen zukommen lassen“. Schließlich haben sie das Festhalten an einem schrittweisen Verzicht auf russische Energieträger, darunter das Verbot für einen Import russischen Erdöls bekräftigt.

Neue Beweise für die Entschlossenheit des Westens folgten sofort nach diesem Treffen. Neue Sanktionen kündigten die USA, Kanada, Japan und Großbritannien an. Washington verhängte unter anderem zusätzliche Beschränkungen für Lieferung von Industrieerzeugnissen an Moskau einschließlich Motoren und Bulldozer und untersagte US-amerikanischen Unternehmen, russischen Partnern Audit- und Consulting-Leistungen zu erbringen, aber auch Werbung auf den russischen Telekanälen Erster Kanal, Rossia 1 und NTW zu schalten. Unter Sanktionen gerieten Topmanager der Sberbank und der Gazprombank (spielt entsprechend einem Erlass von Präsident Putin die Hauptrolle bei der Bezahlung russischer Erdgaslieferungen an die sogenannten unfreundlichen Länder in russischen Rubeln – Anmerkung der Redaktion) sowie die Moskauer Industriebank und zehn ihrer Tochterunternehmen, aber auch beinahe 2600 russische und weißrussische Beamte, die mit der Moskauer militärischen Sonderoperation in der Ukraine zu tun haben. „Heute schränken wir Russlands Wirtschaft und den Zugang zu den Leistungen und Technologien ein, die es für die Vornahme dieses nichtprovozierten Einmarschs braucht“, kommentierte US-Finanzministerin Janet Yellen die Restriktionen. „Die Verhinderung des Zugangs Russlands zu den wertvollen professionellen Leistungen der Vereinigten Staaten verstärkt den Druck auf den Kreml und nimmt ihm die Möglichkeit, die Sanktionen zu umgehen, die durch die USA und unsere Partner verhängt wurden“.

Kanada hat weitere 40 russische Geschäftsleute und Militärs auf die Sanktionsliste gesetzt, Japan erweitere seine bis auf 130 Personen. In Großbritannien werden die neuen Beschränkungen mehr als 96 Prozent des Imports aus Russland und 60 Prozent des Exports tangieren. Die EU hofft, ein sechstes Paket, das einen Verzicht auf den Kauf russischen Erdöls, die Abschaltung der Sberbank vom internationalen SWIFT-System und andere Maßnahmen vorsieht, bis zum 15. Mai abzustimmen.

In Moskau geht man derweil davon aus, dass keinerlei Zugeständnisse bezüglich der Ukraine zu einer Aufhebung der Sanktionen führen würden. Daher werde Russland laut Aussagen des russischen Außenministers Sergej Lawrow weiter auf die verhängten Restriktionen reagieren und sich auf die Arbeit zum Verzicht auf den Dollar, zur Aufgabe der Nutzung von Offshore-Zonen, Importsubstitution und Stärkung der technologischen Eigenständigkeit fokussieren. Der russische Standpunkt ist ein pessimistischer: Die Sanktionen werden für immer mit uns sein.