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Patriarch Kirill hat Weißrusslands Souveränität gebilligt


Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko hat sich am Montag mit dem Patriarchen von Moskau und Ganz Russland Kirill in Minsk getroffen. Der Besuch erfolgt vor dem Hintergrund dessen, dass die Ukrainische orthodoxe Kirche ihre vollständige Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchat verkündete.

„Sie sind hier nicht wie zu Hause, sondern zu Hause, auf Ihrem Boden.“ Mit solchen Worten empfing Alexander Lukaschenko Patriarch Kirill im Palast der Unabhängigkeit in der weißrussischen Hauptstadt. Formaler Anlass für den jetzigen Besuch des Oberhauptes der Russischen orthodoxen Kirche in der Republik waren die Feiern zum 1030jährigen Bestehen des orthodoxen Christentums auf weißrussischem Boden. Andererseits war es für den Patriarch notwendig zu demonstrieren, nachdem die Ukrainische orthodoxe Kirche am 27. Mai ihre Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchat erklärt und jegliche Erwähnungen der Russischen orthodoxen Kirche aus dem eigenen Statut herausgestrichen hatte, dass sich die Jurisdiktion seiner Kirche nicht auf das Territorium Russlands beschränkt.

„Für unser Volk ist dies ein gutes Zeichen. Ein Zeichen solch einer Einheit und Geschlossenheit gegenüber diesen bösen Kräften. Glauben Sie, die Wahrheit ist auf unserer Seite. Sie ist stets stärker. Und wir werden jeglichem Druck auf uns standhalten, welcher er auch sein mag. Sei es in Form eines Aufstands oder irgendwelcher hybrider oder gar heißer Kriege. Wir werden standhalten“, versicherte der weißrussische Präsident dem Patriarchen.

Das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche revanchierte sich für diese aufmunternden Worte. „Gewöhnlich, wenn du zu irgendeinem Staatsoberhaupt kommst, sind da verschiedene Gedanken im Kopf – wie und was. Hier aber ist es mit einem leichten Herzen“, gestand er dem Präsidenten von Weißrussland. „Denn du weißt, dass du zu einem nahen Menschen gehst, der die gewaltige Verantwortung für die Sicherheit, für die Bewahrungseines Volkes, für die Bewahrung der Eigenständigkeit seines Volkes übernommen hat“. „Heute ist die Souveränität mehr als eine politische Souveränität. Dies ist eine Freiheit der Menschen. Und ich freue mich zu bezeugen, dass Weißrussland zu jenen Staaten gehört, über die man sagen kann, dass dies ein souveräner Staat ist“, resümierte das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche.

Dabei sind allein im vergangenen Mai in Weißrussland aufgrund ihrer politischen und staatbürgerlichen Haltung dutzende Vertreter des Klerus unterschiedlicher Konfessionen ins Blickfeld der Rechtsschützer geraten. Unter den christlich-orthodoxen Klerikern sind dies der Geistliche Andrej Nosdrin aus Grodno, der Archimandrit Alexij Schinkjewitsch aus Minsk und der Geistliche Sergius Resanowitsch aus Brest. Am 9. Juni beginnt ein Prozess gegen den Aktivisten Wladimir Mazkjewitsch. Sie alle verdächtigt man eines Extremismus aufgrund der Ablehnung der militärischen Sonderoperation der Russischen Föderation in der Ukraine.

Allerdings hat das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche nicht daran erinnert, dafür aber im Verlauf der Reise Überlegungen über den primären Charakter des Glaubens und den sekundären Charakter „anderer Loyalitäten“ angestellt, aber auch den ukrainischen Politikern eine Spaltung der Kirche vorgeworfen. „Die orthodoxe Kirche ist eine geistige Stütze sowohl Russlands als auch Weißrusslands und der Ukraine – all unserer slawischen Bruderländer, und gar nicht einmal nur der slawischen Länder. Die Trennung, die die Einheit mit Christi und mit seiner Kirche zerstört und die im Interesse von jeglichen politischen, sozialen oder anderen menschlichen Zielen vorgenommen wird, ist eine Spaltung, und sie kann nicht gerechtfertigt werden“, sagte der Patriarch am 5. Juni nach einer Liturgie in der Heilig-Kreuz-Kathedrale des Euphrosyne-Erlöser-Nonnenklosters von Polozk, wo der Hauptteil der Festveranstaltungen stattfand.