Am 6. Juni hat in Ankara ein Außenministertreffen der Türkei, Aserbaidschans und Turkmenistans stattgefunden, bei dem unter anderem die „Gasfrage“ erörtert wurde. Unter anderem auf welche Art und Weise die Lieferungen von Kaspi-Erdgas in die Länder Europas anstelle russischen Gases aufgestockt werden können. Gesetzt wird auf Aserbaidschan. Jedoch wird Baku ohne turkmenisches Gas nicht die Erwartungen von Brüssel rechtfertigen können. Es gibt keine Gastransportinfrastruktur. Und ein Bestreben der EU, in den Bau der Transkaspischen Gaspipeline zu investieren, ist nicht auszumachen. Zu Hilfe gekommen ist der Iran, indem er ein vorteilhaftes Schema für das Pumpen turkmenischen Gases bis zum Territorium von Aserbaidschan vorstellte.
Die russischen Gaslieferungen nach Europa sind in der letzten Zeit spürbar zurückgegangen. Dementsprechend sind die Preise für Energieträger angestiegen. Und alternative Quellen decken nicht den Bedarf der Einwohner des europäischen Kontinents.
Wie Andrei Spinu, Vizepremier und Minister für Infrastruktur und regionale Entwicklung der Republik Moldowa, annimmt, „kann Aserbaidschan eine wichtige Rolle bei der Überwindung der Energiekrise in Europa spielen“. Am Rande der Energiewoche von Baku betonte er laut Angaben des Nachrichtenportals www.trend.az, dass die Energiekrise sehr stark Europa und darunter auch Moldawien tangiert habe, das „am Erhalt von Gas über den „Südlichen Gaskorridor“ interessiert“ sei. Seinen Worten zufolge könne man die Lieferungen über Bulgarien und Rumänien organisieren, mit denen die Republik eine Anbindungsleitung hat. „Moldowa verbraucht rund drei Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr. Wir würden gern einen Vertrag über den Erhalt von Gas im Umfang von ein bis drei Milliarden Kubikmeter im Jahr unterzeichnen“, erläuterte Spinu.
Solch eine Situation eignet sich am besten für die Realisierung der Ziele der Türkei, ein Energie-Hub für Europa zu werden. Der „Südliche Gaskorridor“, der sich über 3500 Kilometer von Baku bis zum Süden Italiens hinzieht, verläuft über das Territorium der Türkei. Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete ihn als ein Symbol der türkisch-aserbaidschanischen Freundschaft. Auch verläuft über das Territorium der Türkei die russische Pipeline „South Stream. Heute erhebe die Türkei laut Aussagen des türkischen Staatsoberhauptes Anspruch auf den Status eines Energie-Hubs und beabsichtige, auf sich die Ströme der Kohlenwasserstoffe nicht nur aus Aserbaidschan und Turkmenistan zu fokussieren, sondern auch des Iraks inklusive des Irakischen Kurdistans, des Irans und Israels. Wie der Vizeminister für Energie und Naturressourcen Alparslan Bayraktar im Verlauf des Energieforums von Baku sagte, „kann die Türkei zu Transitpunkt aserbaidschanischen, russischen und iranischen Erdgases für Lieferungen auf die europäischen Märkte werden“.
Auf eine Erweiterung der Gasmengen über den „Südkorridor“ setzt man auch in Brüssel. Und wie der „NG“ der Experte für Zentralasien Serdar Aitakow sagte, seien die von Europa gewünschten Gasmengen bereits genannt worden. In dem jüngst veröffentlichten Bericht der Internationalen Gasunion (IGU) Global Gas Report 2022 (in Ko-Autorenschaft mit Snam und Rystad Energy) heißt es, dass die „Europäische Kommission Pläne zur Erweiterung des Gasimports über Pipelines aus nichtrussischen Quellen um zehn Milliarden Kubikmeter bis Ende des Jahres 2022 vorgelegt hat. Wenn Aserbaidschan den gegenwärtigen Stand des Exports nach Europa im Verlauf des Jahres 2022 beibehält, wird der Export um etwa drei Milliarden Kubikmeter im Jahr“ im Vergleich zum vorangegangenen Jahr zunehmen. In dem Bericht wird betont, dass „für das Erreichen dieses Zieles ausreichend freie Pipelinekapazitäten vorhanden sind. Es bleibt aber die Frage nach der Fähigkeit dieser Länder, die Förderung auf ihren Feldern zu erhöhen“.
Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew betonte im Rahmen der Energiewoche in Baku, dass die Republik eine Steigerung der Förderung und des Exports erreicht habe. „Im vergangenen Jahr exportierte Aserbaidschan 22 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Es wird erwartet, dass in diesem Jahr diese Zahl 24 Milliarden Kubikmeter ausmachen wird. Im nächsten Jahr wird es noch mehr werden“, unterstrich Alijew. Dabei beträgt die Durchlassfähigkeit der Transadriatischen Pipeline (TAP), die aserbaidschanisches Gas nach Europa bringt, zehn Milliarden Kubikmeter. Und Ilham Alijew erklärte in diesem Zusammenhang: „…Wir denken über deren Erweiterung nach, denn es gibt dafür einen Bedarf“.
Nach Aussagen von Serdar Aitakow habe sich vor diesem Hintergrund die Nachricht von der neuen Vereinbarung zwischen Baku und Aschgabat als eine unauffällige erwiesen. „Entsprechend einem Memorandum über gegenseitiges Einvernehmen einigten sich die Seiten, den Umfang des Gases zu verdoppeln, das aus Turkmenistan in die Republik Aserbaidschan über iranische Pipelines transportiert wird“, teilte die Nachrichtenagentur IRNA mit. „Es sei daran erinnert, dass ursprünglich das Schema der Swap-Lieferungen (und gerade es wird vorgesehen) eine Lieferung von bis zu 1,5 Milliarden Kubikmeter turkmenischen Gases in die nördlichen energiearmen Provinzen des Irans mit einer Kompensierung solcher Menge iranischen Gases im Landeswesten für Aserbaidschan vorsah. Und die Verdopplung der Lieferungen entsprechend diesem Schema, über die IRNA berichtete, bedeutet, dass aus Turkmenistan über den Iran drei Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr nach Aserbaidschan gelangen werden. Auf erstaunliche Weise deckt sich diese Zahl mit dem Volumen, mit dem die Europäische Union als „Aufstockung des aserbaidschanischen Exports nach Europa“ rechnet. Und all dies macht Turkmenistans Beteiligung an diesem Schema nicht nur zu einer wünschenswerten, sondern auch zu ein obligatorischen. Ohne turkmenisches Gas ist Aserbaidschan nicht imstande, auch in der kurzfristigen Perspektive, die Erwartungen der Europäischen Union hinsichtlich einer Erweiterung der Gaslieferungen anstelle des russischen Gases, das aus Europa durch das Sanktionsregime verdrängt wird, zu realisieren“, betonte Aitakow.
Somit gelange nach seiner Meinung doch turkmenisches Gas nach Europa, ungeachtet des von der EU deklarierten Festhaltens an den früher gegenüber Turkmenistan gestellten Forderungen auf dem Gebiet der Menschenrechte und den harten Bedingungen zur Verringerung der Methanemissionen bei der Förderung und dem Transport des Gases.
Aber dies sei nicht das letzte „Preisgeben von Prinzipien“ in dieser ganzen Situation, meint der Experte. „Im Februar dieses Jahres wurde zwischen Aserbaidschan und Russland die Moskauer Deklaration unterzeichnet – über ein Bündniszusammenwirken zwischen der Republik Aserbaidschan und der Russischen Föderation. Unter anderem gibt es da die Norm, wonach „sich Russland und Aserbaidschan der Realisierung jeglicher wirtschaftlichen Tätigkeit enthalten werden, die direkt oder indirekt den Interessen der anderen Seite Schaden zufügt“. Und die Worte von Präsident Alijew, wonach die „Nachfrage nach aserbaidschanischem Gas in Europa zugenommen hat“, bedeuten gerade dessen direkte Handlungen zum Schaden der Interessen der Russischen Föderation. Verweise darauf, dass sich der Anteil russischen Gases ja doch verringern werde, würden hier nicht wirken. Zu aktiv haben im letzten Monat die Vertreter der EU und einzelner Mitgliedsländer (der EU) in Baku gearbeitet. Und Herr Alijew hatte mit großer Genugtuung die Bereitschaft bekundet, die Gasbilanz Europas beim Verdrängen des russischen Anteils auf dem Markt aufzufüllen, was auch „die Zunahme des Interesses für aserbaidschanisches Gas“ bedeutet. „Business ist Business. Aber wozu hatte man dann die Deklaration mit durchaus klaren und konkreten Pflichten unterzeichnet?“, unterstrich Serdar Aitakow. Nach seiner Meinung sei damit die gegenwärtige Etappe der Gas-Intrige nicht beendet. Freilich sind bisher nicht viele Informationen bekannt geworden, die den Moskau-Besuch des neuen turkmenischen Präsidenten Serdar Berdymuchamedow am vergangenen Freitag betreffen.