Die polnische Bischofskonferenz hat am Donnerstag Informationen dementiert, wonach sie beabsichtige, das Erzbistum von Lwow der Römisch-katholischen Kirche in der Ukraine zu übernehmen. Zuvor hatte dies der Direktor der russischen Auslandsaufklärung, Sergej Naryschkin, behauptet. Und Anfang des Jahres wurde in Kiew die Frage über den Abschluss eines Abkommens mit dem Heiligen Stuhl erörtert. In den letzten Monaten hat sich jedoch die Haltung der ukrainischen Katholiken zu Papst Franziskus zum Schlechteren verändert.
Laut einer Behauptung des Leiters des Dienstes für Auslandsaufklärung, die er am 22. Juni formulierte, ist heute „ein prinzipieller Moment für die polnischen Offiziellen und Geistlichen das „Ausmerzen“ jeglicher Andeutungen hinsichtlich einer Anerkennung der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Ostgrenzen aus dem 1993 zwischen Warschau und dem Vatikan abgeschlossenen Konkordat“.
Dafür müssten laut Aussagen Naryschkins Änderungen am sechsten Artikel des Vertrags vorgenommen werden, die das Verbot für eine Tätigkeit polnischer Katholiken außerhalb Polens aufheben. Dem Erzbischof von Lwow solle seinerseits ein Sitz bei der polnischen Bischofskonferenz eingeräumt werden. „In der polnischen Bischofskonferenz rechnet man damit, dass man in der Römischen Kurie solch eine Variante einer kirchlichen „Integration“, vom Wesen her aber einer Kirchenannexion unterstützen wird. Bleibt zu hoffen, dass die vernünftig denkenden Kräfte im Vatikan nicht an dieser Willkür teilnehmen wollen“, resümierte der Chef der Auslandsaufklärung der Russischen Föderation. „Die Absurdität dieser Informationen ist durchaus offensichtlich. Und es ist gar schwer, dies zu kommentieren“, antwortete der Pressesekretär der polnischen Bischofskonferenz, Leszek Gęsiak, auf die Erklärung Naryschkins. Er ist der Auffassung, dass die „Polnische katholische Kirche zum Gegenstand eines politischen Spiels geworden ist“.
Wahrscheinlich hängt das Gerede von einer möglichen Übernahme des Erzbistums von Lwow durch die Polnische katholische Kirche nicht nur mit der Haltung und den Handlungen Warschaus während der Durchführung der militärischen Sonderoperation der Russischen Föderation zusammen, sondern auch mit der gescheiterten Unterzeichnung eines Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und der Ukraine. Anfang Februar dieses Jahres kursierten im Internet Informationen, wonach der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, plane, mit dem Vatikan ein Abkommen abzuschließen. Gegen das Dokument waren Vertreter des öffentlichen Lebens des Landes aufgetreten, die behaupteten, dass Selenskij damit nicht nur eine interkonfessionelle Spaltung provoziere, sondern der katholischen Kirche auch „privilegierte Bedingungen“ sichern werden, womit er das Grundgesetz des Landes verletzen würde.
Seit Beginn der militärischen Sonderoperation der Russischen Föderation in der Ukraine hat der Pontifex die Handlungen Moskaus scharf verurteilt und den heißen Wunsch bekundet, Kiew zu besuchen. Jedoch hat sich später seine Tonart verändert. In seinem letzten Interview erklärte er, dass man den ukrainischen Konflikt nicht nur als einen Kampf von Gut und Böse wahrnehmen dürfe. „Hier gibt es keine metaphysisch Guten und Bösen auf abstrakte Art und Weise. Es entsteht etwas Globales, mit Elementen, die stark miteinander verwoben sind“, unterstrich Franziskus, wobei er hinzufügte, dass der Konflikt zwischen den Ländern durch andere Staaten ausgelöst worden sei, wobei er einen seiner früheren Gesprächspartner zitierte: „Sie bellen vor den Toren Russlands und sie verstehen nicht, dass die Russen imperial sind und keiner fremden Macht erlauben, sich ihnen zu nähern“ (siehe auch: https://ngdeutschland.de/papst-franziskus-nicht-nur-die-ungeheuerlichkeit-sondern-das-ganze-drama-sehen-das-sich-hinter-dem-ukraine-krieg-abspielt/). Am 23. Juni beschrieb er bei einem Treffen mit Delegierten des 95. Treffens des Verbundes der Ostkirchen-Hilfswerke ROACO die Situation in der Ukraine als ein „Drama von Kain und Abel“. In dem Streben, die „Brüder“ zu versöhnen, hat der Papst bereits die Ukrainer schockierende Schritte getan.
So hatte während einer Kreuzweg-Prozession am Coliseum in Rom, die am 15. April stattfand, Franziskus eine Ukrainerin und eine Russin beauftragt, an einer der Stationen das Kreuz zu tragen. Bei den ukrainischen Katholiken hatte diese Idee Empörung ausgelöst. Gegen sie waren sowohl Vertreter der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche als auch die Anhänger des lateinischen Ritus sowie der Botschafter der Ukraine im Vatikan, Andrej Jurasch, aufgetreten. Danach hatte noch im Mai der Geistliche der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, Nasarij Satorskij, erklärt, dass beim Papst Bergoglio Anzeichen einer Demenz zu beobachten seien. Und er rief auf, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Bischof Vitalij Kriwizkij von der Römisch-katholischen Kirche in der Ukraine erklärte am 20. Juni, dass die Katholiken des Landes mehrheitlich jetzt gegen einen Kiew-Besuch von Franziskus seien, da „einige Aussagen des Pontifex sein Ansehen unter den Ukrainern untergraben haben“.
Es sei daran erinnert, dass die Apostolische Nuntiatur der Römisch-katholischen Kirche in der Ukraine 1992 nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl gebildet worden war. Heute sind die ukrainischen Katholiken des lateinischen Ritus auf dem Landesterritorium in sechs Diözesen vereint, die dem Erzbistum von Lwow unterstellt sind. Dieses leitet seit 2008 der polnisch-stämmige Prälat, Erzbischof Mieczysław Mokrzycki. Daneben wirkt in der Ukraine auch die Ukrainische griechisch-katholische Kirche, die Erzbischof Swjatoslaw (Schewtschuk) repräsentiert.