Das Außenministerium der Russischen Föderation hat erklärt, dass, „wenn in der nächsten Zeit der Gütertransit zwischen dem Verwaltungsgebiet Kaliningrad und dem übrigen Territorium der Russischen Föderation über Litauen nicht im vollen Umfang wiederhergestellt wird, behält sich Russland das Recht auf Handlungen zur Verteidigung seiner nationalen Interessen vor“. Derweil ist Litauens Entscheidung, den Transit für russischen Stahl über sein Territorium bis nach Kaliningrad einzustellen, auf der Grundlage der entsprechenden Sanktionen der Europäischen Union getroffen worden. Dies ähnelt dem Versuch, auf Russland Einfluss aufgrund dessen Position hinsichtlich des Exports ukrainischen Getreides auszuüben. Auf jeden Fall kann man solch eine Schlussfolgerung nach dem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg ziehen. Es galt der Situation, die sich im Zusammenhang mit dem Lebensmittelexport aus der Ukraine ergeben hatte.
Den Ton der Diskussion hatte bei der Tagung des EU-Rates für internationale Angelegenheiten der litauische Außenminister vorgegeben Gabrielius Landsbergis. Er erläuterte, warum sein Land den Transit für russischen Stahl über litauisches Territorium bis Kaliningrad einstellte. Die entsprechende Benachrichtigung hatten die litauischen Eisenbahner ihren Kaliningrader Kollegen am 17. Juni übermittelt. Landsbergis sagte, dass die Entscheidung „nach Konsultationen mit der Europäischen Kommission und entsprechend deren Empfehlung“ gefällt worden sei. Die Sache ist die, dass am 17. Juni die Frist endete, die durch Brüssel für das vollkommene Inkrafttreten des Verbots für den Import russischen Stahls in die Europäische Union eingeräumt worden war. Vorgesehen wurde, dass bis dahin alle entsprechenden Verträge beendet werden, ohne die Möglichkeit einer Verlängerung. Freilich, hinsichtlich des Verbots für einen Transit verbotener Waren hat es in den Wortlauten des von der EU verabschiedeten Sanktionspakete keine besondere Klarheit gegeben.
Das litauische Verbot bezeichnete der Pressesekretär des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, als ein beispielloses und versprach, dass sich die russischen Offiziellen mit einer Antwort festlegen werden. Das Außenministerium der Russischen Föderation bestellte seinerseits die Geschäftsträgerin Litauens, Virginia Umbrasene, am Montag ein. In einer Erklärung des Außenministeriums wird darauf verwiesen, dass sich Russland das Recht auf Handlungen zum Schutz seiner nationalen Interessen vorbehalte. Was damit gemeint ist, wurde nicht konkretisiert. Ähnliche scharfe Töne bekam am Dienstag der EU-Botschafter in Moskau, Markus Ederer, zu hören. Im russischen Außenministerium wurde ihm deutlich gemacht: Wenn die Europäische Union nicht unverzüglich den Transit für russische Waren und Erzeugnisse über litauisches Territorium nach Kaliningrad wiederherstelle, würden Gegensanktionen ergriffen werden.
Auf seiner Telegram-Seite konstatierte der stellvertretende Vorsitzende des Föderationsrates (des russischen Oberhauses – Anmerkung der Redaktion) Konstantin Kosatschjow (Kremlpartei „Einiges Russland“), dass Litauens Entscheidung eine ganze Reihe internationaler Vereinbarungen verletze. Unter anderem das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland von 1994. Im Artikel 12 dieses Dokuments sei festgehalten worden, dass „jede Seite einen freien Transit über ihr Territorium für Waren, die aus einem Zollgebiet stammen oder für das Zollgebiet einer anderen Seite bestimmt sind, gewährleistet“.
In dem Protest, den das russische Außenministerium formulierte, wird noch ausgewiesen, dass Litauen nicht seine Entscheidung, den Stahltransit zu verbieten, angekündigt habe. (Dabei ignorierte aber das russische Außenministerium, dass das Transitverbot am 15. März durch das 4. EU-Sanktionspaket beschlossen wurde und seitdem bekannt ist. – Anmerkung der Redaktion) Dies würde besonders unter Berücksichtigung des Fehlens von Restriktionen für russische Laster über das litauische Territorium bis nach Kaliningrad auffallen. Die EU, die Gütertransporte auf der Straße über ihr Territorium aus der Russischen Föderation und Weißrussland verboten hatte, hat für diese Kaliningrad-Route via Litauen eine Ausnahme gemacht.
Somit kann man annehmen, dass das Verbot für den Stahltransit nach Konsultationen von Vilnius und Brüssel in Kraft gesetzt wurde. Im Weiteren, wie Landsbergis versprach, würden andere unter die Sanktionen fallenden Waren nicht mehr über die litauische Route in das Kaliningrader Gebiet gelangen, wenn die Übergangszeit für die Beendigung der Verträge über sie endgültig ausläuft. Ab dem 10. Juli betrifft dies beispielsweise Zement und Alkohol, ab 10. August – Kohle und ab 5. Dezember – Erdöl.
Das auslösende Motiv Litauens wurde nach den Erklärungen klar, die in Luxemburg abgegeben wurden. Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, unterstützte nicht nur Landsbergis, sondern erwähnte auch das Verbot für den Stahltransit im Kontext der Situation mit dem ukrainischen Getreide. Er warf Russland eine vorsätzliche Blockade der Häfen der Ukraine mit dem Ziel vor, die Ausfuhr ukrainischen Weizens zu verhindern. „Dies ist ein wahres Kriegsverbrechen. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass dies allzu lange andauern wird“, sagte Borrell. Er rief auf, diese Situation nicht mit dem Verbot für den Transit russischen Stahls zu vergleichen. Jedoch drängt sich natürlich der Vergleich auf.
Die Haltung von Russlands Führung hinsichtlich eines Transits ukrainischen Getreides ist mehrfach dargelegt worden, unter anderem durch Wladimir Putin, und bleibt eine unveränderte (auch wenn sie vom Westen nicht akzeptiert wird – Anmerkung der Redaktion). Die Schuld für die Probleme mit dem Export ukrainischen Getreide trage Kiew, das die Gewässer des von ihm kontrollierten Teils des Schwarzen Meeres nicht entminen wolle. Dabei habe Russlands nichts gegen einen Transport des Getreides auf dem Landweg, darunter via Weißrussland, aber auch über das von der Russischen Föderation kontrollierte Territorium. Von einem Zusammenhang dieser Frage mit dem Stahltransit sprechen die russischen Offiziellen nicht.
Wie dem nun auch immer sein mag: In dem Dokument, das zu den Ergebnissen des Luxemburger Treffens verabschiedet wurde, wird behauptet, dass die EU beabsichtige, den Transport von Getreide aus der Ukraine über unterschiedliche Wege zu unterstützen. Sowohl auf dem Seeweg, dem schnellsten, bequemsten und – was das Wichtigste ist – dem sichersten, als auch auf dem Landweg. Die weißrussische Route lehnt man jedoch in der Europäischen Union ab. Unterstützung für die Ukraine bei der Organisierung von Landtransporten will nicht nur Brüssel leisten, sondern auch Washington. Polens Regierung hatte zuvor erklärt, dass Gdansk als Haupthafen, über den das ukrainische Getreide exportiert werden soll, betrachtet werde.
Die Erklärungen von Litauen und Borrell können auch das belegen, dass man in der EU über die Ergebnisse der Vermittlungsmission der UNO und der Türkei zwecks Förderung der Organisierung eines ukrainischen Getreideexports auf dem Seeweg unzufrieden ist. Für die Lösung der Frage ist nicht mehr allzu viel Zeit geblieben. Die Hauptkäufer des ukrainischen Getreides sind nichteuropäische Länder, darunter die nordafrikanischen Staaten Tunesien, Libyen und Ägypten. Die Vereinten Nationen befürchten, dass es bereits in den nächsten Monaten zu Lebensmittelproblemen in dieser instabilen Region kommen könne.