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Im Osten der Ukraine gewinnen die prorussischen Reformen an Tempo


Den ukrainischen Verwaltungsgebieten Saporoschje und Cherson auf Weg nach Russland schließt sich auch das Verwaltungsgebiet Charkow an. Die Militär- und Zivilverwaltung dieser Region, die von den Streitkräften der Russischen Föderation nur teilweise kontrolliert wird, hat eine neue Flagge und ein neues Wappen eingeführt, die historisch die künftigen Entscheidungen bestimmen werden. Das heißt, das Gebiet Charkow hat sich bereits in den generellen ostukrainischen Trend einer Rückkehr in die Zeiten des Russischen Imperiums eingetaktet. Allem nach zu urteilen, wird das Verwaltungsgebiet bald in einem speziellen Erlass von Wladimir Putin auftauchen, und dort in einer Liste jener Territorien, wo jeglicher Ukraine einen russischen Pass per Antrag erhalten kann. Ob dies alles eine Vorbereitung zu einem vollwertigen Referendum oder zu einem beschnittenen – in Gestalt einer Volksabstimmung – bedeutet, ist bisher nicht klar. Es ist aber bezeichnend, dass die prorussischen Herrschenden des Gebietes Saporoschje schon jetzt wissen, dass es für einen Beitritt zur Russischen Föderation mindestens 60 Prozent der Stimmen geben werde.

Durch die sogenannten befreiten Territorien der Ukraine erfolgt derzeit die Reise eines weiteren hochrangigen Staatsbeamten aus Russland. Bildungsminister Sergej Krawzow trat in der Stadt Melitopol auf, der zeitweiligen Hauptstadt der Region, und informierte über den Verlauf der Integration der Bildungssysteme. „Die Lehrer, die am vorangegangenen Treffen teilgenommen hatten, sind nach Moskau gekommen und haben erfahren, wie das Bildungssystem in Russland aufgebaut ist. Sie hoben die hohen Gehälter der Lehrer sowie die kostenlose Verpflegung der Schüler der Unterstufe und der begünstigten Kategorien hervor. Die materiell-technische Versorgung der Schulen“, erklärte er. Übrigens, die Veranstaltung, die Krawzow erwähnte, hatte überhaupt unter der unmittelbaren Federführung des 1. Stellvertreters des Leiters der Administration des Präsidenten der Russischen Föderation, Sergej Kirijenko, stattgefunden.

Gerade die Aktivität Kirijenkos in den ostukrainischen Verwaltungsgebieten belegt, dass der politische Block des Kremls die entsprechende Anweisung von oben erhalten hat, sowohl die organisatorischen als auch die informationsseitigen Grundlagen für die künftigen elektoralen Events zu gewährleisten. Darauf verweist indirekt auch die bestimmte Reaktion von Wladimir Putin auf einige Vorbehalte, die in den letzten Tagen eine Reihe seiner Gesprächspartner zu den ukrainischen Angelegenheiten formuliert hatten. Und die besteht darin, dass der Präsident auf sie in keiner Weise reagierte, was in seiner Stilistik nur eines bedeutet: Die erforderlichen Handlungen erfolgen, Anmerkungen und Präzisierungen tragen einen reinen Arbeitscharakter.

All dies kann man auf der offiziellen Internetseite des Kremls ausmachen, beispielsweise im Stenogramm der Begegnung Putins mit den Duma-Parteien. Als der Chef der Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“, Sergej Mironow, den Präsidenten daran erinnerte, dass in dessen Erlass über die automatische Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation für jeden Ukrainer das Verwaltungsgebiet Charkow bisher nicht hinzugefügt worden sei, antwortete das Staatsoberhaupt nichts darauf. Er beschränkte sich auch auf Glückwünsche für jene zwei Gewinner des Wettbewerbs „Führungskräfte Russlands“, die im Verlauf des Gesprächs mit ihm öffentlich erklärt hatten, dass sie in den Regierungen der Donbass-Republiken DVR und LVR arbeiten werden. Es sei daran erinnert, dass „Führungskräfte“ ein politisches Projekt ist, für das gerade Kirijenko verantwortlich zeichnet.

Derweil haben jene ehemaligen ukrainischen Politiker und Beamten, die sich auf prorussische Positionen gestellt haben und dementsprechend im Kiewer Sprachgebrauch als „Kollaborateure“ bezeichnet werden, scheinbar schon klar verstanden, an was für eine Generallinie man sich zu halten hat. Aufgrund der Traditionen ihres früheren Landes besitzen sie eine erhöhte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit praktisch an jegliche Korrektur des staatlichen Kurses. Da alle wissen, dass die militärische Sonderoperation Russlands mit einer Kränkung Putins durch die wissenschaftlich inkorrekte Dekommunisierung (Überwindung des kommunistischen Erbes), die durch Kiew verfolgt wird, begonnen hat, kehren die neuen Herrschenden der von der Russischen Föderation kontrollierten Territorien auf jegliche Weise die historische Untermauerung der künftigen Veränderungen auf den geografischen Landkarten heraus.

Beispielsweise hat der Chef der Militär- und Zivilverwaltung von Charkow, Vitalij Gantschew (arbeitete bis zu den Maidan-Ereignissen in den Strukturen des ukrainischen Innenministeriums, war danach in der Lugansker Volksrepublik aktiv gewesen – Anmerkung der Redaktion) bereits eine neue staatliche Symbolik für die Region – das Wappen und die Flagge – bestätigt. Offiziell wird dies so präsentiert: „Das Wappen des Verwaltungsgebietes Charkow stellt einen goldenen doppelköpfigen Adler mit einem heraldischen Schild dar. Der Reichsapfel in der linken Kralle des Adlers ist ein Symbol der historischen Wurzeln des Verwaltungsgebietes Charkow als ein untrennbarer Teil der russischen Gebiete“. Wie die russische staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti unter Berufung auf die Entscheidung der Militär- und Zivilverwaltung betont, sei der auf dem Schild dargestellte Stab mit einem Adler am oberen Ende, der von zwei Schlangen umwunden wird, ein „Symbol für Versöhnung und Unantastbarkeit“. Es wird jedoch unterstrichen, dass sowohl dieser Caduceus (Hermes- bzw. Heroldsstab – Anmerkung der Redaktion) als auch das Füllhorn auf dem Wappen von Charkow und dem gleichnamigen Gouvernement bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts gewesen waren. Und die neue Flagge hat auch drei Farben – eine himbeerfarbene, eine dunkelblaue und eine rote. Solch eine Trikolore symbolisiere angeblich „die historische Verbindung des Verwaltungsgebietes mit den Kosaken-Traditionen der Region der Sloboda-Ukraine und Russlands“.

Der Chef der Militär- und Zivilverteidigung von Saporoschje, Jewgenij Balizkij (war einst Rada-Abgeordneter der oppositionellen Partei der Regionen – Anmerkung der Redaktion), hat wahrscheinlich durch seine jüngste Erklärung über die Absicht, nach Russland entsprechend dem Vorbild der Krim zu kommen, die Aufmerksamkeit des Kremls auf sich gelenkt. Allem nach zu urteilen, bedeutet dies, dass es eine Ausrufung der Unabhängigkeit dort, wenn sie auch erfolgen wird, so nicht in Gestalt einer Volksrepublik, sondern einfach so geben wird, das heißt ohne eine Neuformatierung der Region in irgendein anderes staatliches Format. Das Wichtigste sei, teilte Balizkij am 10. Juli mit, dass die Ergebnisse des Referendums in jeglicher juristischen Form bereits jetzt vorausbestimmt seien, Laut seinen Angaben, die aus bisher ungenannten Quellen stammen, würden mehr als 60 Prozent der Einwohner des Verwaltungsgebietes Saporoschje die Region gern als ein einzelnes Subjekt im Bestand der Russischen Föderation sehen.