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In der weißrussischen Opposition hat eine Spaltung begonnen


Das Kastus-Kalinouski-Regiment hat der Solidaritätsstiftung BYSOL vorgeworfen, dass dieser ihm nur verbal helfe. Und der ehemalige Präsidentschaftskandidat Valerij Zepkalo hat Kritik an seiner Konkurrentin Swetlana Tichanowskaja geübt. Und sie hat derweil die Abhaltung eines Forums mit ihren Anhängern für Anfang August angekündigt. Derweil formulierte auch der Organisator des Regimes „Pagonja“ („Pahonja“ – deutsch: „Verfolgung“, ist ein Wappenmotiv von Weißrussland in einem historischen Wappen von besonderer politischer Bedeutung – Anmerkung der Redaktion) eine besondere Position. All dies offenbarte ernsthafte Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Oppositionsbewegung.

Ende letzter Woche demonstrierte das Kastus-Kalinouski-Regiment außerordentliche Medien-Aktivitäten. Auf YouTube wurde ein einstündiger Film gepostet, der aus Gesprächen mit den markantesten Kämpfern besteht. Die Interviews mit jedem einzelnen wurden in Internet-Medien veröffentlicht. Und für das Wochenende hatten sie eine spezielle Erklärung ihres Pressedienstes aufgehoben. Ja, das Regiment hat sich mit einer derartigen Struktur versehen. Und die rauen Kämpfer präsentiert jetzt das hübsche Mädchen, allerdings auch in einer Militäruniform, Kristina Stankjewitsch mit dem Codenamen „Tschabor“ (deutsch: „Thymian“). Und sie hat schlicht und einfach der bekanntesten Stiftung der Opposition BYSOL vorgeworfen, dass die gesammelten Gelder nicht jene erreichen würden, für die sie gesammelt werden würden.

„An uns haben sich eine Reihe weißrussischer Freiwilliger, die sich im Bestand anderer Einheiten befinden, mit der Information gewandt, dass sie die Hilfe, die BYSOL zugesagt hatte, nicht erhalten hätten“, erklärte die Vertreterin des Regiments. Im Endergebnis forderte „Tschabor“ auf, die Gelder direkt auf Konten des Regiments zu überweisen.

BYSOL reagierte auf die Vorwürfe mit einer Veröffentlichung von Berichten über Sammlungen in den ersten 100 Tagen der Operation in der Ukraine, in denen Personen und Einheiten ausgewiesen werden, die zum Kalinouski-Regiment gehören. Und man lud dessen Vertreter zu einem offenen Gespräch ein.

Neben diesem Konflikt haben die Vertreter des Kalinouski-Regiments recht angespannte Beziehungen mit einer anderen weißrussischen Formation im Bestand der ukrainischen Streitkräfte, mit dem Regiment „Pagonja“. Der Gründer dieser Einheit, der ehemalige Gastronom Wadim Prokopjew ist recht ambitioniert. Und er versucht, sich nicht nur als eine militärische Figur, sondern auch als eine politische zu positionieren. Unter anderem hat er in der vergangenen Woche Aufmerksamkeit durch seinen Auftritt beim II. Forum der demokratischen Kräfte von Belarus in Berlin erregt. Swetlana Tichanowskaja und ihre nächsten Mitstreiter hatte an ihm nicht teilgenommen.

Der weißrussische Politologe Artjom Schraibman erläuterte auf dem Internetportal „Salidarnasz“ (deutsch: „Solidarität“), warum: „Das Paar Zepkalo sowie andere Politiker und Aktivisten der „zweiten Riege“ führen bereits ein zweites Forum durch, das dem gewidmet ist, wie man von einer Dominanz des Office von Swetlana wegkommen muss. Dieses Mal erklingt die Kritik hart und persönlich. Der Ex-Vorsitzende des Obersten Sowjets (Semjon) Scharezkij tritt mit zornigen Vorwürfen auf (meiner Ansicht am Rande eines Fouls für eine anständige Gesellschaft), die dann die übrigen Teilnehmer des Events mit Vergnügen zitieren. Wadim Prokopjew fordert dort auch, die Führungsrolle von Tichanowskaja zu einer symbolischen zu machen und ihr einen einflussreichen Premier beizustellen, der alles entscheiden und die weißrussische Befreiungsarmee aufbauen wird, während Swetlana herumreisen wird“.

Der erwähnte Valerij Zepkalo, ein Politiker und Geschäftsmann, hatte genauso wie auch Tichanowskaja im Jahr 2020 versucht, für die Präsidentschaft des Landes zu kandidieren. Er wurde aber nicht registriert und verließ Weißrussland im Zusammenhang mit dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren.

Am Samstag erläuterte er in einer Sendung des YouTube-Kanals „Malanka. Media“ seine Position: „Die Aufgabe des Forums ist, klare und verständliche Prinzipien für eine Vereinigung der Opposition zu formulieren. Jeder, der sein Leben riskiert, muss begreifen, für was er dies tut und was für eines das Land letztlich wird. Die Menschen lassen sich nicht für irgendeinen Menschen auf Opfer ein, sondern für Ideen. Nicht dafür, dass einfach irgendein anderer den Platz im Palast einnimmt“.

Es ist offensichtlich, dass in dieser Aussage auch eine Anspielung auf Tichanowskaja enthalten war. Dennoch ist Artjom Schraibman der Annahme, dass ihre Positionen nach wie vor die stärksten bleiben würden. Der Experte konstatiert: „Alle Kritiker des Office von Swetlana Tichanowskaja begreifen, dass sie kein „Impeachment“ gegen sie durchführen können, da sie hinsichtlich der internationalen Kontakte die Konkurrenz mit ihr nicht gewinnen können. Und es gibt keine Innenpolitik, um den Versuch zu unternehmen, sich dort zu entfalten. Über dieses Hindernis sprach beim Forum ehrlich Prokopjew. Die internationalen Partner wollen nicht jene hören, die als Separatisten aufgefasst werden und nichts gegenüber dem Office von Tichanowskaja darstellen. Die vor zwei Jahren erlangte Legitimität kann nicht so einfach über den Haufen geworfen werden“.

Der Politologe nimmt an: „Dies verstärkt die Stimuli für das Team von Swetlana, sich einfach der Kritiker entsprechend dem Schema „Ja, und was werdet ihr uns antun? Internationaler und Inlandssauerstoff gibt es ja doch nicht für euch“ zu erwehren. Denn, wenn man real eine pluralistischere Struktur schafft, in der Swetlana nicht der Leader, sondern „eine von“ ist, oder irgendwer mit einem größeren Gewicht neben ihr ist, so ist das Risiko für den Verlust des Gleichgewichts dieser Konstruktion weitaus größer als das Risiko dessen, dass die Unzufriedenen sie jetzt vom Thron verdrängen können“.

Dennoch erlaubt die Entwicklungsdynamik der Situation Tichanowskaja nicht, die Kritiker zu ignorieren. Schraibman konstatiert: „Alle Befragungen fixieren eine zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft. Dies bedeutet, dass nicht nur die Anhänger der Offiziellen radikaler werden, sondern auch deren Gegner. Und während es früher nicht an „moderaten Kräften“ innerhalb des politisierten Protestelektorats mangelte, so werden die Unversöhnlichen jetzt immer mehr, für die Tichanowskaja eine unzureichend entschiedene Politikerin ist, die es mit der Diplomatie übertrieben hat“.

Für Anfang August haben Tichanowskaja und ihre Anhänger die Abhaltung ihres Forums angekündigt. Ob sie es zu einer Plattform für eine Konsolidierung machen können, wird die Zeit zeigen.

Allerdings gibt es für Tichanowskaja noch ein Problem. Sie wollen die ukrainischen Offiziellen bisher nicht anerkennen. In einem Interview für das Medium „KP (Komsomolskaja Prawda) in der Ukraine“ gestand sie ein, warum sie Kiew bisher nicht mit einem offiziellen Besuch beehrte. Tichanowskaja erklärte: „Ich werde unbedingt kommen, sobald es eine Bereitschaft seitens der ukrainischen Seite geben wird. Bisher hat man uns abzuwarten gebeten. Ich würde gern sowohl Butscha als auch Irpen besuchen sowie mich mit weißrussischen Freiwilligen und Aktivisten treffen. Und natürlich persönlich meine Unterstützung für die ukrainischen Offiziellen und das (ukrainische) Volk bekunden“.

Das Problem besteht offensichtlich darin, dass die ukrainischen Herrschenden überhaupt nicht ihrer Unterstützung bedürfen.