Noch vor kurzem hatten russische Beamte der Bevölkerung angeraten, die Ersparnisse in drei Währungen – in Rubel, Dollar und Euro – aufzubewahren. Heute aber verlieren die Ersparnisse von Russlands Bürgern in Dollar und Euro aufgrund gleich mehrerer Gründe rasant ihre Kaufkraft – wegen der hohen Inflationsrate in den USA, in Europa und Russland, aber auch aufgrund des Einbruchs der Kurse der ausländischen Währungen gegenüber dem Rubel. Laut einigen Berechnungen haben die Ersparnisse in Dollar nach Verhängung der Sanktionen gegen die Russische Föderation fast ein Viertel ihres realen Wertes in unserem Land (in Russland) verloren. Und zusätzlich zu diesen Verlusten hat die russische Zentralbank auch noch die Verbote und Restriktionen für ein Abheben von Devisen in bar bis zum März kommenden Jahres verlängert. Dabei wird der Hauptgrund für die Devisenverbote in Gestalt antirussischer Sanktionen sicherlich auch nach dem März des Jahres 2023 bestehen bleiben.
„Ich schlage die einfachste Methode vor: ein Drittel in Rubel, ein Drittel in Dollar und ein Drittel in Euro“, hatte Russlands einstiger Finanzminister und nunmehriger Chef des Rechnungshofs, Alexej Kudrin, bei seinen Unterrichtsstunden in finanzieller Versiertheit und Kenntnisse erläutert. Solche schlichten Prinzipien für eine Diversifizierung der Ersparnisse hatten auch andere russische Staatsbeamte bis zum Beginn für die Sanktionskonfrontation mit dem Westen für die Bürger vorgeschlagen. Im Ergebnis dessen hatten die Bürger bei sich unter den Matratzen umgerechnet 85 Milliarden US-Dollar deponiert. Und noch weitere rund 90 Milliarden Dollar hinterlegten Russlands Bürger auf Depositenkonten. Heute aber ist das Schicksal dieser Devisen in bar und auf den Bankkonten ein recht trauriges. Seine Devisen von den Banken zu bekommen, ist äußerst schwierig. Der Kurs des Dollars und des Euros gegenüber dem Rubel ist wesentlich zurückgegangen, selbst ungeachtet der zweistelligen Rubel-Inflationsrate. Die Banken haben die Zinsen für Devisenkonten fast bis auf Null gedrückt und drohen an, Gebühren für die „Aufbewahrung“ der Devisen zu erheben. Ja, und auch die Zentralbank an sich hat am Montag eine Verlängerung der Verbote und Restriktionen für das Abheben von Devisen in bar zumindest bis zum 9. März 2023 bekanntgegeben.
Die Bank Russlands ist gezwungen, „die Restriktionen hinsichtlich der Devisen in Bargeldform im Zusammenhang mit den gegen Russland geltenden Sanktionen, die russischen Finanzinstituten untersagen, Devisen westlicher Länder in Bargeldform zu erwerben“ beizubehalten, teilte man am 1. August in der von Elvira Nabiullina geführten Zentralbank mit. Allerdings hätte man die Verbote für ein Abheben von Devisen in bar auch für einen längeren Zeitraum verlängern können, da bisher keine Perspektiven für eine Aufhebung der Sanktionen des Westens auszumachen sind.
„Die Situation um die Devisen-Ersparnisse ist eine äußerst unangenehme. Bei den meisten Bürgern Russlands, die Ersparnisse in Dollar und Euro haben, waren sie für eine Kompensierung des Ansteigens der Rubelpreise und selbst für den Erhalt einer passiven nominalen Einnahme bestimmt. Im laufenden Jahr gelingt dies aber bisher nicht. Mehr noch, die Verringerung der Kaufkraft des Dollars in Russland machte in den vergangenen Monaten des Jahres 2022 über 30Prozent aus. (Ähnliches gilt auch für die Euro-Ersparnisse – Anmerkung der Redaktion.) Ja, und als solche haben sich die Devisen-„Ersparnisse“ erwiesen“, sagt Mark Goichman, Chefanalytiker der Investitionsfirma „TeleTrade“. Die Zahl der Verluste von 30 Prozent ergibt sich, wenn man den Rückgang des nominalen Dollarkurses gegenüber dem Rubel von etwa 17 bis 19 Prozent berücksichtigt. Aber auch die Rubel-Inflation seit Jahresbeginn auf einem Niveau von zehn bis elf Prozent.
Freilich, die Besitzer von Devisen können sich damit beruhigen, dass sich das Ausmaß der Verluste ein wenig aufgrund der von der Regierung angekündigten Schwächung des Rubels verringern kann. „Durch eine Wiederaufnahme der „Etat-Regel“ werden die Deviseneinkäufe durch staatliche Strukturen zunehmen. Schrittweise werden der Import und die Nachfrage nach Devisen verstärkt. All diese Faktoren werden den Dollar in Richtung des von der Regierung angekündigten Korridors von 70 bis 80 Rubel bringen“, sagt Goichman voraus. Nach seinen Aussagen sei das neue Hoch für die Inflation in der Russischen Föderation wahrscheinlich passiert worden. „Somit kann sich in der Perspektive des nächsten halben Jahres der reale Wert des Dollars um neun Prozent oder um 18 Prozent auf das Jahr hochgerechnet erhöhen. Dies ist eine Grobberechnung ohne Berücksichtigung vieler positiver und negativer Faktoren. Sie zeigen aber, dass die Gesamtverluste der „Dollar-Besitzer“ im Jahr 2022 etwa zwölf Prozent ausmachen werden“, meint der Analytiker. Und wenn der langjährige Trend hinsichtlich einer Schwächung des Rubels andauern wird, so werden die Ersparnisse in Dollar und Euro früher oder später die Verluste des Krisenjahres 2022 wettmachen.
Freilich gibt es auch große Risiken: Den Devisen auf laufenden und gar Broker-Konten drohen gleichfalls Spesen. Es bestehe sogar die Gefahr, dass durch Sanktionen Konten des russischen Depositoriums des Nationalen Clearing-Zentrums blockiert werden, was Komplikationen für die Konvertierung von Devisen an der Moskauer Börse auslöse, fährt Goichman fort. Für eine Kompensierung dieser Risiken schlägt der Analytiker einige Wege vor. „Man kann Dollar für einen Erwerb russischer Eurobonds an der Moskauer Börse, die entsprechend dem lokalen, dem inländischen Recht herausgegeben wurden und nicht unter die Möglichkeit einer sanktionsbedingten Blockierung fallen, transferieren. Dementsprechend kann man sie nicht auf Eis legen. Und ihre Rentabilität kann drei bis 3,5 Prozent in Devisen ausmachen. Ein anderer Weg ist, Dollar von einem russischen Konto auf ein ausländisches zu überweisen – auf ein eigenes oder das einer bevollmächtigten Person, eines Verwandten. Dies kann beispielsweise ein Konto in Kasachstan, Armenien oder in den VAE, die für die finanziellen Ziele von Bürgern Russlands populär geworden sind, sein. Von solchen Konten aus kann man auch in finanzielle Aktiva in anderen Währungen investieren, auch ohne eine sanktionsbedingte Blockierung zu befürchten“, schlägt der Analytiker vor.
Freilich, diejenigen, die mit finanziellen Überraschungen und Stolperstellen konfrontiert werden, sprechen von einer Instabilität der Umgehungswege für die Devisen. „Die Organisierung eines parallelen Imports über mehrere Mittelsmänner führt manchmal zu Störungen, sagen wir einmal bei der fünften oder sechsten Zahlung“, teilte Pawel Medwedjew, Finanz-Ombudsmann der Vereinigung russischer Banken, mit. Nach seinen Worten werden wir viele Details der Devisen-Operationen unter den Bedingungen der Sanktionsverbote lediglich in einigen Jahren erfahren.
„Für Russlands Bürger waren und bleiben ausländische Devisen sowohl ein Zahlungs- als auch ein Investitions- und Spar-Instrument. Die Kaufkraft jeglicher Währung wird durch die Geografie ihres unmittelbaren Zirkulierens für den Zahlungsverkehr bestimmt. Für den Durchschnittsrussen bleibt die Möglichkeit, Dollar oder Euro in bar zu erwerben und dann mit ihnen Waren und Leistungen im Ausland zu bezahlen, bestehen. Und dies ist für viele heute aktuell. Beispielsweise bei Touristen-Reisen. Schwierigkeiten können sich in einzelnen Ländern ergeben, wo bargeldlose Zahlungen dominieren – beispielsweise in Belgien, Frankreich, Schweden und einer Reihe anderer Länder“, sagt Timur Aimaletdinow, stellvertretender Generaldirektor des Analytischen Zentrums der Nationalen Agentur für Finanzstudien. „In Russland sind ausländische Währungen in Vielem ein Investitionsmittel. Und wie jegliches Investitionsinstrument besitzt eine ausländische Währung eine Volatilität. Für diejenigen, die Devisen am Höhepunkt ihres Wertes erworben haben, sind heute die Investitionsverluste natürlich wesentliche. In diesem Fall macht es möglicherweise Sinn, sich über eine Transformierung der Devisen aus einem Investitions- in ein Zahlungsinstrument Gedanken zu machen. Oder eine weitere Zunahme ihres Wertes abzuwarten, was heute sehr schwer von der Zeit her voraussagbar ist“, meint Aimaletdinow.