Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit einem speziellen Erlass Investoren aus den sogenannten unfreundlichen Ländern verboten, bis Ende des Jahres 2022 Vertragsabschlüsse in Bezug auf Anteile an russischen strategischen Unternehmen und Aktiengesellschaften sowie deren Tochterunternehmen, aber auch mit Anteilen an den Projekten „Sachalin-1“ und „Charjaga“ (ein Ölvorkommen im Autonomen Gebiet der Nenzen, bei dem gemäß einem ursprünglich für 20 Jahre konzipierten Abkommen die geförderte Produktion aufgeteilt werden sollte – Anmerkung der Redaktion) vorzunehmen. Experten bezeichnen die Entscheidung des Staatsoberhauptes als eine Sondermaßnahme, die die Interessen der russischen Unternehmen verteidigen soll.
Der Erlass ist mit dem Tag seiner offiziellen Veröffentlichung in Kraft getreten. Dabei kann die Geltungsdauer der Einschränkungen verlängert werden.
Das Dokument hat Personen aus den unfreundlichen Ländern (zu denen u. a. Deutschland und alle anderen EU-Länder gehören – Anmerkung der Redaktion) untersagt, Geschäftsabschlüsse mit Aktien russischer Banken zu tätigen. Außerdem fallen unter die Geltung des Erlasses Beteiligungsanteile an den Abkommen über eine Aufteilung der Produktion bzw. geförderten Rohstoffe „Sachalin-1“ und „Charjaga“, aber auch Anteile an Herstellerfirmen für Anlagen und Ausrüstungen für den Brennstoff- und Energiekomplex, die Leistungen zum Service, zur Wartung und Instandsetzung solcher Anlagen und Ausrüstungen erbringen.
Der Erlass betrifft Geschäftsabschlüsse mit Anteilen von Nutzern aller großen Lagerstätten von Öl, Gas und Kohle (mindestens 20 Millionen Tonnen Erdöl, nicht weniger als 20 Milliarden Kubikmeter Gas oder nicht weniger als 35 Millionen Tonnen Kohle), von Uran, besonders reinen Quarzrohstoffen, seltenen Erdmetallen der Yttrium-Gruppe, Nickel. Kobalt, Tantal, Niobium, Beryllium, Kupfer, Diamanten, Gold, Lithium, Metallen der Platin-Gruppe, aber auch von Offshore- und Schelf-Lagerstätten.
Geschäftsabschlüsse mit solchen Anteilen werden nur auf der Grundlage einer speziellen Genehmigung des Präsidenten möglich sein.
Experten halten die Entscheidung des Kremlchefs über ein Einfrieren ausländischer Vermögen in der Russischen Föderation für eine besondere Maßnahme, die die Interessen einheimischer Unternehmen im Fall von Versuchen einer Expropriation oder Nationalisierung russischer Vermögen im Ausland schützen soll.
Dabei bleiben die Geschäftsbedingungen für die Ausländer in der Russischen Föderation die bisherigen. Die Offiziellen haben nicht vor, die ausländischen Unternehmen gehörenden Anteile an russischen Unternehmen wegzunehmen, wie auch den ausländischen Unternehmen nicht verboten worden ist, in Russland zu arbeiten.
Es sei angemerkt, dass solch eine Entscheidung nicht einfach so getroffen worden ist. Der Druck auf das russische Business im Ausland nimmt zu. Unter anderem haben die Behörden der Bundesrepublik Deutschland, nachdem die „Gazprom“-Gruppe die Beteiligung an der Gazprom Germania GmbH und an all ihren Aktiva eingestellt hatte, letztere unter eine zeitweilige Treuhandverwaltung genommen, wobei sie den Erwerb des Unternehmens ohne deren Billigung durch neue Investoren für ungültig halten. Sie haben die GmbH in SEFE — Securing Energy for Europe — umbenannt, wobei sie dies damit begründeten, dass sie beabsichtigen würden, die Energiesicherheit für Deutschland und Europa zu garantieren. Im Juli wurde in Deutschland ein Gesetz verabschiedet, dass der Bundesregierung erlaubt, einen Anteil an der Gruppe zu erwerben.
Und am 27. Mai teilte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer mit, dass „Gazprom“ den größten Untergrundgasspeicher der Republik im österreichischen Haidach verlieren werde, wenn er nicht mit Erdgas befüllt werde. Der ÖVP-Mann hatte gleichfalls angedroht, dass man den UGS „Gazprom“ wegnehmen werde, wenn der Speicher nicht mit Gas gefüllt werde. Dabei wurde angedeutet, dass man die Anlage einem anderen Lieferanten übergeben könne.
In Deutschland wird außerdem regelmäßig die Frage nach einer Nationalisierung oder Expropriation des Anteils von „Rosneft“ am Petrolchemischen Kombinat (PCK) in Schwedt an der Oder aufgeworfen. Dem russischen Ölkonzern gehören über Rosneft Deutschland 54,17 Prozent der Ölraffinerie. Das Erdöl für den Betrieb kommt über die Ölpipeline „Drushba“ (deutsch: „Freundschaft“) aus Russland. Und nur der alternativlose Charakter der russischen Öllieferungen für das PCK Schwedt und die Befürchtungen hinsichtlich eines Brennstoffmangels in der Region im Fall eines Verzichts auf Erdöl aus der Russischen Föderation erlauben den Behörden der Bundesrepublik nicht, eine Entscheidung über die Nationalisierung des Betriebs zu fällen. Im Frühjahr hatte der bundesdeutsche Vizepremier Robert Habeck von einer möglichen Enteignung des PCK gesprochen. Und Bundeskanzler Olaf Scholz hatte erklärt, dass er eine Nationalisierung des „Rosneft“-Anteils am PCK mit einer weiteren Übergabe an einen anderen Eigentümer nicht ausschließe. Die Behörden des Bundeslands Brandenburg bestehen auf eine neue Struktur der Aktionäre. Ende Mai hatte der Bundesrat eine Änderung am Gesetz über die Energiesicherheit Deutschlands gebilligt, die die Möglichkeit einer Nationalisierung von Energieunternehmen in ausschließlichen Situationen vorsieht. In dem Dokument wird betont, dass das Bundeswirtschaftsministerium eine Betreiberfirma kritischer Energieinfrastruktur unter eine äußere Verwaltung stellen könne, wenn die konkrete Gefahr bestehe, dass das Unternehmen ohne sie nicht seine Aufgaben zur Gewährleistung der Tätigkeit im Energiesektor erfüllen können und sich damit eine Verschlechterung der Situation mit der Stromversorgung ergebe. Eine Nationalisierung werde in dem Fall möglich, wenn auch eine äußere Treuhandverwaltung unzureichend sein werde, um die Energiesicherheit des Landes zu garantieren.