In Kirgisien findet am 25. November der erste Volkskurultai statt, eine beratende Versammlung. Einen entsprechenden Erlass unterzeichnete am Vorabend Präsident Sadyr Dschaparow. Nach seinen Worten „ist die Notwendigkeit der Gewährleistung eines nationalen Dialogs für einen Zusammenschluss aller Nationalitäten und Ethnien, die das Volks von Kyrgystan ausmachen, herangereift“. Finanzieren wird die Veranstaltung Dschaparow persönlich. Der Chef der Parlamentsfraktion von „Butun Kirgisistan“ (deutsch: „Einiges Kirgisistan“), Adachan Madumarow, sagte der „NG“, dass die Durchführung des Kurultais der erste Schritt zum Auseinanderbrechen des Staates sei.
Die Idee der Schaffung eines neuen Organs, des Volkskurultais, stammt von Sadyr Dschaparow. Auf seine Initiative hin war diese Norm in die neue Landesverfassung aufgenommen worden. Unter anderem wird im Artikel 7 des Grundgesetzes betont, dass der Volkskurultai eine gesellschaftliche repräsentative Versammlung sei, die Empfehlungen zu Richtungen der gesellschaftlichen Entwicklung gebe. Und die Organisierung und Modalitäten für die Tätigkeit des Kurultais würden durch die Verfassung und das Verfassungsgesetz bestimmt werden.
Zu einem Delegierten des Volkskurultais kann jeder beliebige volljährige Bürger werden, der in Kirgisien lebt oder sich im Ausland im Rahmen der Arbeitsmigration befindet. Insgesamt sollen 2500 Delegierte gewählt werden.
Sadyr Dschaparow hat die Zusammensetzung des Organisationskomitees für die Durchführung des Kurultais bestätigt, dem 23 Personen angehören – Regierungsbeamte, Anwälte und Gebietsvertreter des Präsidenten. Sie arbeiten bereits ein Regelwerk für das Forum aus, das auch unmittelbar die Delegierten bestätigen werden.
„Dies ist der erste Schritt zum Auseinanderbrechen des Staates. Die Schaffung eines derartigen Organs belegt deutlich, dass dieser Mann (Sadyr Dschaparow – „NG“) keine Vorstellung vom Staatsaufbau hat. Das legislative Machtorgan gemäß der Verfassung ist das Parlament. Aber auf der Welle des Populismus wurde solch ein Begriff wie Volkskurultai in die Verfassung eingebracht. Die Tätigkeit des Kurultais soll durch ein Verfassungsgesetz bestimmt werden. Es gibt aber kein solches Gesetz“, sagte der „NG“ der Parlamentsabgeordnete und Fraktionschef von „Butun Kirgisistan“, Adachan Madumarow. Nach Aussagen des Parlamentariers gebe es keine Antworten auf die Fragen: Wie wird der Kurultai gebildet? Entsprechend welcher Prinzipien? Welche Probleme werden behandelt werden? Was für Möglichkeiten werden die Abgeordneten haben?
In der Gesellschaft wird diskutiert, dass man auf Vorschlag des Volkskurultais Mitglieder des Ministerkabinetts und Leiter von Exekutivorganen entlassen werden könne. Die Delegierten können an der Formierung von einem Drittel der Zusammensetzung des Rates für Angelegenheiten der Rechtsprechung teilnehmen. Wie die Unabhängigkeit, die Kompetenz und Objektivität des Kurultais gewährleistet werden, ist unklar.
„Diese Initiative ist für eine Ablenkung des Volkes von den drängenden Problemen ausgedacht worden, damit man zumindest nur über irgendetwas spricht. Dschaparow führt den Staat bewusst zu einem Zerfall. Mir scheint, dass sie (die gegenwärtigen Herrschenden – „NG“) den Auftrag von irgendwem erfüllen. Ich wage daran zu erinnern, dass ich bereits 1997 im Parlament als ein Abgeordneter aufgetreten war und sagte, dass ein verdecktes Programm ausgearbeitet worden ist, dem entsprechend bis zum Jahr 2025 die Existenz mehrerer Staaten, unter denen auch Kyrgystan gewesen war, aufhören sollte. Diese „braven Jungs“ (die gegenwärtigen Offiziellen – „NG“) setzen zielgerichtet gerade dieses Programm um“, ist Madumarow überzeugt.
Der Abgeordnete erläuterte, dass er ein „angelsächsisches Programm im Blick hat, laut dem das Bologna-System im Bildungswesen eingeführt wurde, das de facto lediglich Dienstleistungen erbrachte, aber keine Ausbildung gab“. Im Endergebnis sei es nach seinen Worten innerhalb von 25 Jahren gelungen, eine ungebildete Generation zu erziehen – sie hätte weder eine Spezialisierung noch eine Ausbildung. Daher könnten die Herrschenden heute jegliche Entscheidungen treffen. Und die Gesellschaft würde nicht verstehen, was verfassungsfeindlich sei und was widerrechtlich. Dementsprechend sei der Erlass von Dschaparow über die Abhaltung des Kurultais ungesetzlich. „Sein Ziel ist es, das Parlament durch einen sogenannten Kurultai zu ersetzen. Dies ist Nonsens“, betonte Adachan Madumarow. Er erinnerte daran, dass es im Land schon keine exekutive Gewalt als solche gebe. Das Ministerkabinett leite der Chef der Präsidialadministration. Obgleich die exekutive Gewalt gemäß der neuen Verfassung, deren Initiator Sadyr Dschaparow gewesen war, der Präsident leiten müsse. „Auf dem Platz (beim dritten Staatsstreich im Oktober 2020 – „NG“) hatte Dschaparow das Versprechen abgegeben, dass er für alles die persönliche Verantwortung tragen werde. Möge ihn nur das Volk unterstützen und ihn als Staatsoberhaupt wählen. Und was haben wir heute? Jetzt hat er begriffen, dass dies gefährlich ist“, nimmt der Abgeordnete an. Nach seinen Worten werde durch den Kurultai der Begriff „Volksvertretung“ nivelliert. „Das Volk muss sein Recht realisieren, die Quelle der Macht ist das Volk, und das Volk delegiert seine Vollmachten an die Abgeordneten des Parlaments wie auch in allen zivilisierten Staaten. Wenn aber ein Staat entsprechend von Vorstellungen lebt, so ist dies gefährlich“, erklärte Madumarow.
Dr. sc. polit. Asamat Temirkulow hat seine Meinung gegenüber der Internetseite 24.kg bekundet, wonach ein Kurultai in Kirgisien möglich gewesen wäre, aber nicht in der Form, in der er in der Verfassung vorgestellt worden ist. Ihm wird die Rolle eines Instituts eingeräumt, das dem Präsidenten in allem zustimmen werde.
Experten sind der Annahme, dass der Kurultai nicht irgendwelche sozialen Spannungen aufheben könne, dafür bestehe die Wahrscheinlichkeit, dass er dafür nötig sei, um die Macht um die Person des Staatsoberhauptes in einem noch größeren Maße zu konzentrieren. Ein Taschen-Parlament gebe es bereits. Zu seiner Ergänzung werde es auch noch einen diensthabenden Kurultai geben. Die Kritiker eines Kurultais begreifen gleichfalls nicht, wozu diesen Archaismus wiederaufleben zu lassen? Es bestehe keinerlei Notwendigkeit, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Für die Lösung der sich ergebenden Fragen müsse man nach neuen, modernen Vorgehensweisen suchen.
Der Abgeordnete Schanar Akajew von der Sozialdemokratischen Partei betonte bei einem Parlamentsauftritt, dass „man in der ganzen Welt Hoch-Technologie-Parks eröffnet, wir aber schreiben Gesetze, wie man die Leute zusammenringen kann, damit sie dem Präsidenten applaudieren“.
Adachan Madumarow lenkte das Augenmerk darauf, dass man den Kurultai auf Kosten von Mitteln aus dem Reservefonds des Ministerkabinetts und mit Mitteln aus dem Präsidentenfonds abhalten werde. „Der Präsidentenfonds macht etwa drei Milliarden Som aus (umgerechnet etwa 36,5 Millionen Euro). Genauso viel wird für das Bewässerungssystem und den Erwerb von Düngemitteln für die Bedürfnisse der Landwirtschaft bereitgestellt. Dies sind aber Taschengeldausgaben des Präsidenten, die keiner Rechenschaftslegung unterliegen. Dies ist schrecklich! Besonders in einer Zeit, in der das Land in einer Krise ist. Und die Staatsschulden haben in den letzten zwei Jahren die 5,2-Milliarden-Dollar-Marke überschritten“, sagte der „NG“ der Führer der Partei „Butun Kirgisistan“, Adachan Madumarow.