Im Kreml hat man bestätigt, dass das Treffen von Präsident Wladimir Putin mit den Leitern der neuen Subjekte der Russischen Föderation vorbereitet sei. Und obgleich scheinbar klar ist, dass es bis zum Jahresende erfolgen wird und gar ein Datum bestimmt wurde, wird es dennoch nicht bekanntgegeben. Nun, „wir werden es rechtzeitig mitteilen“. Das heißt, so ist auch ein Durchsickern der Informationen in die Medien legalisiert worden, dass die Audienz für die vier angeblich am 20. Dezember möglich sei. Offenkundig im Vorfeld dieser Veranstaltung wurde von der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti ein großes Interview mit dem Oberhaupt der Donezker Volksrepublik, Denis Puschilin, veröffentlicht. Der bestätigte, dass er im kommenden Jahr bei den Wahlen antreten werde. Es ist aber unklar geblieben, was dies für Wahlen sein werden – direkte oder durch das Parlament. Wie sollen sie unter den Bedingungen eines Kriegszustands abgehalten werden? Und dies betrifft alle vier Regionen. Und da dem so ist, ist nicht ausgeschlossen, dass das bevorstehende Treffen auch alles klären wird.
Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des Präsidenten, dementierte am 14. Dezember nicht, dass ein Treffen Putins mit den Leitern der neuen Regionen bis zum Jahresende geplant sei. Über den Termin werde rechtzeitig informiert, das heißt – später. Er präzisierte gleichfalls, dass das Datum schon bekannt sei. Zuvor war in die Medien durchgesickert, dass dies möglicherweise der 20. Dezember sein werde. Die Zeitung „Vedomosti“ hatte am Vorabend bereits behauptet, wobei sie darauf beharrte, dass der Präsident alle vier zusammen empfangen werde.
Es sei daran erinnert, dass solch eine gemeinsame Audienz Putin Puschilin und seinen Kollegen – dem Oberhaupt der Lugansker Volksrepublik, Leonid Pasetschnik, sowie den Leitern der Militär- und Zivilverwaltungen der Gebiete Saporoschje und Cherson, Jewgenij Balizkij und Wladimir Saldo – am 30. September gewährt hatte. Das heißt, am Tag der Unterzeichnung der Verträge über die Aufnahme dieser vier Regionen in den Bestand Russlands mit ihnen. Damals aber war solch ein Format durchaus erklärbar, während der Präsident jetzt aber aus irgendeinem Grunde die neuen Gouverneure irgendwie kränkt, indem er sich mit ihnen „in einem Abwasch“ unterhält, gegenüber anderen solch eine Herangehensweise nicht demonstriert. Dafür muss daran erinnert werden, dass der kollektive regionale Verstand üblicherweise in solchen Momenten vom Kreml hinzugezogen wird, wenn man irgendeine politische Entscheidung durch ein Bedürfnis von der Basis aus begründen muss.
Und eine mögliche Andeutung, in welcher Richtung gegenwärtig gesucht werden kann, gibt – allem nach zu urteilen – auch das veröffentlichte umfangreiche Interview Puschilins für RIA Novosti. Er stellt irgendwie ganz friedlich Überlegungen über die Abhaltung von Wahlen in der DVR und seine Nominierung für das Amt des Oberhauptes der Republik an, wobei er zuversichtlich erklärt, dass die Abstimmung am zweiten Sonntag des kommenden Herbstes, das heißt am 10. September 2023 und folglich im Rahmen des gesamtrussischen einheitlichen Wahltages erfolgen werde. „Was persönlich meine Nominierung angeht, so halte ich es für meine persönliche Pflicht, die Situation bis zum Sieg zu führen und jene Aufgaben zu erfüllen, die ich mir gestellt hatte, als ich die Führung der Donezker Volksrepublik übernahm“, erklärte Puschilin. Und er sagte nichts, und man hatte ihn auch nicht gefragt (es war ja ein Interview mit Journalisten der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti – Anmerkung der Redaktion), wie beispielsweise die Wahlen unter den Bedingungen des sowohl in der DVR als auch auf den übrigen neuen Territorien geltenden Kriegszustand organisiert werden. Er äußerte gleichfalls keine Vermutungen darüber, wann er aufgehoben werden könne, da dieses Regime direkt die Abhaltung von Wahlen verbietet. Puschilin hatte auch nicht einmal ein wenig darüber Überlegungen angestellt, in welchem Format seine Wahl erfolgen könnte. In der Gesetzgebung der Russischen Föderation gibt es außer einer direkten Wahl auch noch eine Abstimmung für das Oberhaupt einer Region durch deren Parlament.
Solch ein unmittelbares Vermischen von zwei Annoncen politischen Charakters veranlassen zu der Annahme, dass bei der Begegnung mit dem Präsidenten Fragen nicht einmal so sehr elektoraler Art als vielmehr allgemeiner Art, die die Verwaltung betreffen, angesprochen werden. Sicherlich, um zu unterstreichen, dass alles wirklich laut Plan verlaufe, könnte Puschilin mit den Kollegen Putin bitten, den Kriegszustand aufzuheben. Schließlich sind die Erfolge der russischen Truppen schon offensichtlich. Allerdings könnten sie dagegen auch dem Präsidenten vorschlagen, vorerst die Offiziellen der DVR, der LVR sowie von Saporoschje und Cherson nicht zu nötigen, Zeit für einen Formalismus aufzuwenden. Natürlich, vorerst gibt es bis zum Juni des Jahres 2023, wenn die Kampagnen beginnen sollen, noch viel Zeit. Aber der politische Prozess muss augenscheinlich noch früher als dieser formelle Start entfaltet werden. Es sei daran erinnert, dass die Herrschenden in der letzten Zeit wirklich bestrebt sind, der Gesellschaft zu vermitteln, dass sich das Leben angeblich normalisiere. Und von jeder beliebigen Hektik und Hysterie aufgrund irgendwelcher außerordentlicher Umstände distanziert sich demonstrativ auch selbst der Präsident.
Allerdings haben es die von der „NG“ befragten Vertreter politischer Kräfte und Experten vorgezogen, sich vorsichtig in solch einem Paradigma zu bewegen. Es mache keinen Sinn, etwas Besonderes von dem Treffen Putins mit Puschilin, Pasetschnik, Balizkij und Saldo zu erwarten. Es dürften aber auch keine Überraschungen vom Tisch gewischt werden. Beispielsweise ist das Mitglied des Zentralrates der Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“, Michail Jemeljanow, der Auffassung: „Es ist einfach bequem, ein großes Treffen durchzuführen, da die Agenda der Regionen eine ähnliche ist“. Hinsichtlich der Wahlfragen merkte der Vertreter der Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ an, dass ihre Aktualität bisher keine große sei. Der Leiter der analytischen Verwaltung der KPRF, Sergej Obuchow, erläuterte, dass das Interview Puschilins augenscheinlich nicht zufällig veröffentlicht wurde. „Einiges Russland“ habe bereits inoffiziell die Wahlkampfagitation begonnen. „Es erfolgen Gefechte. Aber man hat doch auch die Referenda irgendwie durchgeführt. Bei einem Kriegszustand werden scheinbar keine Wahlen abgehalten, aber verbal kann ihn immer aufheben. Auf jeden Fall demonstriert man eine Normalisierung des Lebens in den Territorien“. Und Obuchow erinnerte daran, dass jegliche Kampagne ein Jahr im Voraus beginne: ein Medien-Plan, die Nominierung und das Pushen von Kandidaten usw. Folglich sei das Ansinnen Puschilins logisch.
Die Abgeordnete von der „Jabloko“-Partei in der Gesetzgebenden Versammlung Kareliens (das Parlament dieser russischen Teilrepublik – Anmerkung der Redaktion), Emilia Slabunowa, erläuterte der „NG“, dass das Treffen in erster Linie einen Präsentationscharakter tragen werde. Man müsse den Integrationsprozess und die Sorge um die Einwohner zeigen. Dabei erinnerte sie daran, dass es zumindest bei einem Kriegszustand merkwürdig sei, über Wahlen zu sprechen, in der letzten Zeit aber die Grenze für die Wahrnehmung der Normalität verschoben werde. Die Situation sei immer mehr keine standardgemäße. „Daher kann alles Beliebige geschehen. Schließlich wird bei uns jedes beliebige gewünschte Ergebnis nicht aus dem Stand heraus geplant und auch en passant korrigiert. Beispielsweise kann auf Bitten der Oberhäupter der Subjekte der Kriegszustand aufgehoben werden, aber verbal. Doch einen Erlass wird es vorerst nicht geben, um einerseits die Vorbereitung zu den Wahlen zu beginnen, und andererseits, damit der Kriegszustand weiter gilt“.
Alexej Muchin, der Generaldirektor des Zentrums für politische Informationen, sagte der „NG“, dass „der Präsident und die Oberhäupter der Regionen die Grundlage der Wahlkampagne erörtern werden, und zwar die konkrete Tätigkeit der amtierenden Oberhäupter in den Territorien und die Hauptforderungen, die der Präsident an sie stellen wird, und was für eine Unterstützung des föderalen Zentrums bei deren Einhaltung gewähren wird“. Nach seinen Worten werde es „eine Antwort auf die sich in der Gesellschaft herausgebildete Frage, was mit diesen Regionen weiter geschehen wird“, geben. Nach Meinung Muchins würden die Wahlen aber in einem wenig aktiven Regime diskutiert werden, da die Parameter für die Kampagne erst im Frühjahr bekannt werden. Folglich werde der Präsident vorerst die Anforderungen an die Führungskräfte der Subjekte zur Gewährleistung und Normalisierung der sozial-ökonomischen Situation und die Bedingungen, unter den die Wahlen staatfinden sollen, skizzieren. „Unklar ist, was davon an die Öffentlichkeit gelangen wird und was nicht. Klar ist aber eines: Man wird die Prioritäten sowohl für Gegenwart als auch die Zukunft diskutieren“, unterstrich der Experte.
Der 1. Vizepräsident des Zentrums für politische Technologien, Alexej Makarkin, merkte an: „Worüber man sprechen wird, ist schwierig vorauszusagen. Jedoch wohl kaum über Wahlen. Schließlich sind es gar bis zum Beginn der Kampagne noch mehr als ein halbes Jahr. Und unter den gegenwärtigen Bedingungen ist dies ein weit liegender Planungshorizont. Was auf den Territorien zu dieser Zeit sein wird, weiß keiner. Die Entscheidungen hinsichtlich der elektoralen Prozeduren werden nicht früher als im Frühjahr getroffen. Daher wird es wahrscheinlich eine andere Agenda sein“. Der Experte ist der Auffassung, dass hier zwei andere Momente wichtiger sein würden. Erstens werde die Begegnung signalisieren, dass alle neuen Territorien in gleicher Weise als Subjekte der Russischen Föderation angesehen werden, ungeachtet dessen, dass die Situation in ihnen eine unterschiedliche ist. Zweitens seien viele Probleme ungeachtet der bestehenden Unterschiede ähnliche. Gehandelt werden müsse in einer Richtung. „Der Parteiaufbau und die Wahlen wird man wohl kaum erörtern. Für die Einwohner ist dies nicht sehr aktuell. Sie nehmen die Parteien eher als ein Instrument wahr. Daher wird man die Politik der Administrationen der Regionen im Kontext der Arbeit für die Interessen der Bürger erörtern“, sagte Makarkin.
Der Leiter der Politischen Expertengruppe Konstantin Kalatschjow erläuterte der „NG“: „Diese ganze Veranstaltung soll zeigen, dass die Russische Föderation nicht bereit ist, die neuen Territorien preiszugeben. Und man kann alles Mögliche erörtern, bis hin zur Vorbereitung der Aussaat des kommenden Jahres. Die Veranstaltung ist eine symbolische, und folglich hat es keinen besonderen Sinn, dort nach noch etwas zu suchen, außer dem, was man im Fernsehen zeigen kann. Die Hilfe beim Wiederaufbau seitens der Föderalen, die Patenschaft von Regionen. Im Großen und Ganzen: Wir lassen die eigenen Leute nicht im Stich. Plus Neujahrswünsche“. Dabei betonte der Experte, dass der Kreml natürlich eine Normalisierung des Lebens zeigen müsse, zum Beispiel die Rückkehr eines Teils der mobilisierten Reservisten. „Aber die Aufhebung des Kriegszustands wird kein Thema des heutigen Tages sein. Sie kann lediglich ein vertagtes Thema sein. Nun, wir hoffen auf eine grundlegende Wende und die Möglichkeit einer ruhigen Abhaltung der Wahlen im nächsten Jahr“.