Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Die ukrainische Flagge hat in Odessa Katharina II. ersetzt


Die in der Nacht zum Donnerstag, dem 29. Dezember in Odessa entfernten Denkmäler für Katharina II. und Alexander Suworow sind zur Aufbewahrung an ein Museum übergeben worden. Die Demontage der großen Skulpturen wurde in den Nachtstunden augenscheinlich zur Vermeidung möglicher Aktionen der Gegner solch eines Vorgehens durchgeführt. Jedoch sind keinerlei Handlungen von Unzufriedenen fixiert worden (auf die man im russischen Staatsfernsehen so gehofft hatte – Anmerkung der Redaktion). Die Entscheidung über die Entfernung der Denkmäler hatte der Stadtrat von Odessa am 30. November gebilligt. Für die Demontage der Kaiserin, die als Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst geboren wurde, hatten 43 Abgeordnete einstimmig votiert, das heißt: Nicht einer hatte sich der Stimme enthalten oder dagegen abgestimmt. Die Entfernung des Suworow-Denkmals hatten 41 Abgeordnete unterstützt. In Russland löste das Geschehen eine Welle von Empörung aus.

 

In Odessa demontierte man die Skulptur des russischen Feldherrn Alexander Suworow und das Denkmal für die Gründer von Odessa, deren zentrale Figur eine Statue von Katharina II. ist. Die Kaiserin wird mit den anderen Gründern der Stadt bereits das zweite Mal „verbannt“. Das erste Mal hatten die Kommunisten das 1900 geschaffene Monument 1920 demontiert. 1965 hatte man an die Stelle von Katharina ein Monument zu Ehren des 60. Jahrestages des Aufstands auf dem Panzerkreuzer „Potjomkin“ errichtet. Im Jahr 2007 verlegte man das Denkmal für die Seeleute auf den Zollplatz von Odessa. Und das Denkmal für die Gründer der Hafenstadt wurde am früheren Ort erneut aufgestellt.

Nunmehr sind, wie der Leiter der wissenschaftlichen und Ausstellungsabteilung des Nationalen Kunstmuseums von Odessa, Krill Lipatow, erklärte, die Skulpturen an das Museum zur zeitweiligen Aufbewahrung übergeben worden. Laut seinen Angaben werden die vier originalen Statuen, die zur Komposition „Für die Gründer von Odessa“ gehören und 1900 angefertigt wurden, in den Lagern des Kunstmuseums aufbewahrt, die Skulptur Suworow – im Innenhof des Museums. Die Skulptur von Katharina II wird im Fassadenhof aufbewahrt. Wie Lipatow mitteilte, plane man, im kommenden Jahr einen ukraineweiten Wettbewerb von Kunstschaffenden zu organisieren, die mit dem Monument der deutschstämmigen Kaiserin arbeiten werden. „Fünf Monate lang werden die Künstler mit dem Denkmal arbeiten. Und es wird Teil einer Installation sein. Somit werden die Diskussionen über Katharina fortgesetzt werden…“, erklärte Lipatow. Der Berater des Leiters der Gebietsmilitärverwaltung Sergej Brattschuk teile in seinem Telegram-Kanal mit, dass an der Stelle von Katharina die Flagge der Ukraine aufgestellt werde. Später tauchten in den sozialen Netzwerken entsprechende Fotos auf.

Der Leiter der staatlichen Gebietsverwaltung von Odessa, Maxim Martschenko, bezeichnete das Geschehen als ein historisches Ereignis: „Endlich wurde das Denkmal für die russische Kaiserin Katharina demontiert. Dank den Einwohnern von Odessa, die ihre Position bekundeten, wonach es keinen Platz für das russische imperiale Erbe in der heutigen Ukraine, die ein Rechts- und demokratischer Staat ist, gebe“.

Es sei daran erinnert, dass die Entfernung des Denkmals für Suworow und für die russische Kaiserin mehrere Vertreter der Öffentlichkeit von Odessa initiiert hatten. Eine der Petitionen an den Präsidenten der Ukraine, Wladimir Selenskij, aus diesem Anlass hatte 25.000 Stimmen vereint. Und das Staatsoberhaupt leitete die Frage an den Stadtrat weiter, wobei er „die Wichtigkeit der Verteidigung der nationalen Interessen, die Behandlung der Fragen über eine Säuberung des öffentlichen Raums von Objekten und Denkmälern, die das russische imperiale und sowjetische Erbe betreffen“, betonte. Dabei hatte die Initiative keinerlei ernsthaften Widerstand erfahren, was verständlich ist. Unter den Bedingungen der Kampfhandlungen auf einem Teil des Territoriums der Ukraine und der bereits den elften Monat andauernden militärischen Sonderoperation der Russischen Föderation konnten jegliche Äußerungen zur Verteidigung der Denkmäler als eine Unterstützung der Politik Russlands ausgelegt werden. (Freilich stimmte der Lehrkörper des Kiewer staatlichen Konservatoriums in diesen Tagen erneut dagegen, den Namen von Pjotr Tschaikowskij aus dem offiziellen Namen der Bildungseinrichtung zu entfernen. – Anmerkung der Redaktion).

In Russland hat aber die Entfernung der Denkmäler erwartungsgemäß eine stürmische Reaktion ausgelöst. Der Staatsduma-Abgeordnete von Sewastopol, Dmitrij Belik (Kremlpartei „Einiges Russland“), bezeichnete die Demontage des Denkmals für Katharina II. in Odessa als eine Aktion von Barbaren. Der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsausschusses im Unterhaus des russischen Parlaments, Anatolij Wybornyj („Einiges Russland“) bezeichnete das Geschehen als „historischen Genozid“ und „Sterilisierung der Erinnerungen“. Diejenigen, die an der Demontage der Denkmäler für Katharina II. und Alexander Suworow in Odessa beteiligt waren, müssten gefunden und entsprechend den Gesetzen der Kriegszeit bestraft werden, meinte noch ein Staatsduma-Abgeordneter – Oleg Morosow, der ebenfalls zur Partei „Einiges Russland“ gehört.

„Die Odessiten, die wahren Odessiten, die ihre Geschichte schätzen, ihre Vergangenheit achten, Russisch sprechen sowie die Erinnerungen und das gewissen nicht verloren haben – werden sie sich ruhig verhalten?“, empörte sich der Leiter von Rossotrudnitschestwo (staatliche Institution für die Kontakte mit den Landsleuten im Ausland, die dem Außenministerium Russlands angegliedert ist – Anmerkung der Redaktion), Jewgenij Primakow. 2oder ist da schon keinerlei Odessa zurückgeblieben?“.

***

In russischen gesellschaftspolitischen Telegram-Kanälen kommentierte man auch die jüngsten Entwicklungen in Odessa. „Meister“ (https://t.me/maester) versucht zu erklären, warum in Odessa sich niemand für die Verteidigung der Denkmäler engagierte: „Es macht keinen Sinn, entschlossene Handlungen von Menschen zu erwarten, die man acht Jahre auf härteste Art und Weise unterdrückt. Letzten Endes, wenn die Einwohner von Odessa, Charkow, Kiew und der anderen Städte der Ukraine selbst mit diesem Übel fertig werden könnten, dass bereits viele Jahre in ihren Städten herrscht, währe keinerlei militärische Sonderoperation nötig gewesen“. (Der Autor war offensichtlich viele Jahre nicht mehr in der Ukraine gewesen, so dass er den Stimmungswandel in der ukrainischen Gesellschaft nicht in vollem Maße erfasste. – Anmerkung der Redaktion)

„Es scheint, dass der Start eines Projekts in Russland zur Wiederherstellung des Denkmals ein logischer ist“, meinen die Autoren des Kanals „Die Maus im Gemüse“ (https://t.me/kbrvdvkr%20%20%20%20%20). „In exakter Übereinstimmung mit seiner Ursprungsform. Nötig sind eine Suche nach Archivdokumenten, die Vorbereitung von Modellen, der Guss und alles andere, was erforderlich ist. Damit nach der Befreiung von Odessa das Monument innerhalb kürzester Zeit an seinen Platz zurückkehrt. Der eine oder andere kann dies als eine Fiktion bezeichnen. Uns erscheinen aber andere Worte als richtige – „die Vorbereitung der Zukunft““.

Post Scriptum:

Bemerkenswert ist, dass aus Deutschland kaum eine Reaktion zur Demontage des Denkmals für die deutschstämmige russische Herrscherin in Odessa zu vernehmen ist. Offensichtlich gibt es selbst in Zerbst andere Probleme, die bewegen und einer Lösung bedürfen. Und natürlich sind Informationen aus der Ukraine, die an ihrem Bild kratzen, wohl gleichfalls etwas unpassend.