Mehrere bekannte weißrussische Freiwillige haben die Bildung einer neuen Kampfeinheit bekanntgegeben. Ihr Korps wird bereits zur dritten derartigen Formation im Bestand der Streitkräfte der Ukraine. Die Beziehungen zwischen diesen Gruppen sind nicht die einfachsten. Jüngst ist in der Ukraine gar ein Strafverfahren aufgrund eines der Konflikte eingeleitet worden. Jede Kampfgruppe erhebt Anspruch auf politische Aktivitäten.
Mehrere bekannte Freiwillige haben in einer Videobotschaft auf YouTube erklärt, dass durch sie eine neue Kampfeinheit gebildet worden sei. „Wir, weißrussische Freiwillige in der Ukraine, erklären die Bildung des Weißrussischen Freiwilligen-Korps. Ziel ist eine Aufhebung der Okkupation der Ukraine und von Belarus. Die Absichten werden jeden Tag durch eine Vernichtung des Feindes an der Front bestätigt. Die Reihen der Kämpfer nehmen die ganze Zeit zu. Die Ergebenheit für den gewählten Weg sehen unsere gefallenen Bruder jeden Augenblick. Belarus zuerst!“, erklären die Gründer der Einheit.
Die Gründer sind bekannte Medienpersonen: Igor „Yankee“ Jankow, Andrej – „der Unsterbliche“ – Trazewskij und Rodion „Gena“ Batulin. Sie alle nehmen schon lange an den Kampfhandlungen teil und gehörten früher unterschiedlichen Freiwilligen-Einheiten an.
Das Korps wird zur dritten großen weißrussischen Einheit, die in der Ukraine agiert. Größte Bekanntheit erlangte das Kastus-Kalinouski-Regiment (bis zum 21. Mai 2022: Kastus-Kalinouski-Bataillon – Anmerkung der Redaktion). Seine Anführer bezeichnen sich seit einiger Zeit als eine politische Kraft. Sie beeilen sich nicht, dem Vereinten Übergangskabinett von Swetlana Tichanowskaja die Treue zu schwören, und bahnen aktiv verschiedenartige nützliche Kontakte an. Aktiv mit ihnen wirken ukrainische Abgeordnete und Behörden vor Ort zusammen. Der wohl angesehenste Anführer der ersten Welle der Anti-Lukaschenko-Opposition, Zenon Poznjak, einer der Gründer der Weißrussischen Volksfront, hat mehrfach erklärt, dass er aktiv die Vertreter des Kalinouski-Regiments unterstütze. Dennoch hat das Regiment einen ernsthaften Konkurrenten.
Das Regiment „Pogonja“ ist im Unterschied zu den auf Eigenständigkeit Anspruch erhebenden Kalinouski-Leuten gegenüber Swetlana Tichanowskaja und deren Mitstreitern loyal. Der Vertreter ihres Kabinetts für die Fragen der Sicherheits- und Rechtsschutzorgane, der einstige Fallschirmjäger Valerij Sachastschik, war einer der Gründer dieser Einheit. Dennoch führen bisher die Kalinouski-Leute sowohl hinsichtlich der Medien-Aktivität als auch scheinbar in Bezug auf die Kampfaktivitäten.
Am 26. Dezember war in ihrem Telegram-Kanal solch ein Bericht über ihre Tätigkeit in der verstrichenen Woche gepostet worden: „Das Kalinouski-Regiment erfüllt weiterhin Gefechtsaufgaben; neue Rekruten haben einen Schwur auf die Treue gegenüber dem weißrussischen Volk abgelegt. Die Hauptabteilung für Aufklärung des Verteidigungsministeriums der Ukraine würdigte die Kämpfer des Regiments mit Auszeichnungen. Vertreter des Kalinouski-Regiments haben sich mit der Führung des Verwaltungsgebietes Schitomir getroffen“.
Bereits mehrfach haben die Führungskräfte des Regiments erklärt, dass ihr Endziel der Sturz von Alexander Lukaschenko sei. Und bereits im Oktober erhielten die Kalinouski-Leute eine „Anerkennung“ seitens der derzeitigen Herrschenden Weißrusslands. Das Untersuchungskomitee hatte auf seiner Internetseite mitgeteilt: „Eine Gruppe von Bürgern der Republik Belarus, die sich auf dem Territorium der Ukraine, Litauens und Polens befinden und sich von den Ideen des Nationalismus inspirieren ließen und den Schablonen der chauvinistischen Ideologie bewaffneter Gruppierungen des Nachbarlandes folgen, sind eine Kooperation eingegangen und haben die extremistische Formation „Kastus-Kalinouski-Regiment“ mit einzelnen Struktureinheiten gebildet. Das Amt hat aus dieser Tatsache die entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen: „Durch die Hauptuntersuchungsverwaltung des Untersuchungskomitees ist hinsichtlich der Führungskräfte und der bereits ermittelten Teilnehmer der kriminellen Formation ein Strafverfahren gemäß Artikel 361-1 (Bildung einer extremistischen Formation oder Teilnahme an ihr) des Strafgesetzbuches der Republik Belarus eingeleitet worden“.
Interessant ist, dass den Grundstock des Regiments ehemalige Fußballfans bildeten. Der Anführer des gerade etablierten Freiwilligen-Korps, der Kämpfer mit dem Rufnamen „Yankee“ ist auch ein Abkömmling aus diesem Milieu. Diese charismatische Person mit einem hochgezwirbelten Husaren-Schnurbart ist laut soziologischen Erhebungen, die in Kreisen der weißrussischen Opposition durchgeführt wurden, die visuell bekannteste Person unter den Freiwilligen.
In seinem Interview für das Internetportal „Zerkalo“ (deutsch: „Der Spiegel“) gestand er ein, dass er Fußballfan von Dynamo Minsk gewesen sei. Aber so berichtete er über seinen Weg in die Oppositionsbewegung. „Der Staat hält uns beinahe für die Hauptbedrohung. Nach den Wahlen von 2020 wurden wir zu einen der ersten, bei denen man zwecks Durchsuchungen vor den Wohnungstüren stand. Am 26. September 2020 waren Vertreter der Sicherheitsorgane zu mir entsprechend der Anmeldung gekommen, aber ich hatte schon lange nicht mehr dort gewohnt. Dies war ein Signal dafür, dass es an der Zeit ist, das Land zu verlassen. Und ich bin in die Ukraine gegangen. Da habe ich viele Freunde“.
Bereits im vergangenen Frühjahr wurde er im Internet als Autor von Videos populär, die er direkt im Verlauf von Gefechten aufgenommen hatte. Folglich kann die neue Einheit zumindest im Medienbereich zu einem seriösen Konkurrenten für die Kalinouski-Männer werden.
Charakteristisch ist, dass noch ein Gründer des Korps, Rodion „Gena“ Batulin, früher das weißrussische Bataillon „Terror“ repräsentierte. Diese Einheit hatte sich vom Kalinouski-Regiment gelöst. Und scheinbar bestehen zwischen den beiden Einheiten recht schwierige Beziehungen.
Anfang Dezember war in der Ukraine ein Strafverfahren im Zusammenhang damit eingeleitet worden, dass Vertreter des Bataillons „Terror“ einen Freiwilligen des Kalinouski-Regiments zusammengeschlagen hatten. Zuvor war im Chat „Weißrussisches Haus in der Ukraine“ die Mitteilung aufgetaucht, dass in Nikolajew Kämpfer des Bataillons „Terror“ einen Angehörigen des Kalinouski-Regiments entführt hätten.
Charakteristisch ist, dass die Gründer des Kalinouski-Regiments ihren Kampfweg im „Asow“-Regiments (ist in der Russischen Föderation als terroristisch anerkannt und verboten worden) begonnen haben. Und diese Einheit hatte gleichfalls ihre Wurzeln in der Fan-Bewegung. Sie hat sich bereits schon seit langem nicht nur in eine Kampf-, sondern auch in eine politische Kraft verwandelt. Und augenscheinlich inspiriert das Beispiel der ukrainischen Brüder die weißrussischen Kämpfer. Während jedoch das Vorbild kaum auf einen ernsthaften politischen Einfluss in der Ukraine Anspruch erheben kann, träumen die Anführer des Kastus-Kalinouski-Regiments und ihre konkurrierenden Landsleute gerade davon – im Falle eines Sturzes der derzeitigen Herrschenden von Weißrussland.