Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Das neue Jahr hat für Russland mit Haushaltsverlusten begonnen, und Europa umging Energieversorgungsprobleme


Die erste Woche des begonnenen Jahres 2023 hat Zeit für eine Beurteilung der Perspektiven der nächsten zwölf Monate gewährt. Und diese Perspektiven können sich nicht als solch optimistische erweisen, wie in den offiziellen Prognosen angenommen worden war.

Am vergangenen Donnerstag teilte das russische Finanzministerium mit, dass der faktische Preis für das aus der Russischen Föderation exportierte Erdöl der Marke Urals der 50-Dollar-Marke je Barrel nahekomme. Derweil hatte das Finanzministerium den Haushaltsberechnungen für das Jahr 2023 einen Preis von 70,10 Dollar je Barrel zugrunde gelegt. Die Risiken für den Etat der Russischen Föderation nehmen aber nicht nur aufgrund des anormalen Bonus für russisches Erdöl zu, sondern auch wegen der wahrscheinlichen Verringerung der Exportmengen des Rohstoffs, worüber am 3. Januar die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet hatte. Laut ihren Angaben seien die Erdöllieferungen aus Russland auf dem Seeweg in den letzten vier Wochen des vergangenen Jahres auf den tiefsten Stand gesunken. Zur Ursache für die Verringerung der physischen Exportmengen wurden die westlichen Sanktionen, die Einführung einer Obergrenze für die Ölpreise, der Mangel an eigenen Tankern und die Witterungsbedingungen. Die Russische Föderation setze laut Angaben von Bloomberg auf eigene Schiffe und die sogenannte Schatten-Flotte, gewöhnlich ältere Schiffe, die kleinen und oft unbekannten Unternehmen gehören. Europäische Tanker können immer noch russisches Erdöl befördern, wenn es zu einem Preis unterhalb der Obergrenze von 60 Dollar je Barrel verkauft wurde. Dies würden aber jetzt wenige Reedereien tun, meint man in der Nachrichtenagentur. Die Öllieferungen auf dem Seeweg sind sogar nach China, Indien und in die Türkei – das heißt in jene Länder, die man als die hauptsächlichen Käufer russischen Erdöls ansehen konnte – zurückgegangen.

Es sei angemerkt, dass das Jahr 2023 mit geringeren Weltmarktpreisen für Erdöl als das vergangene begonnen hat. Die Futures für Erdöl der Nordsee-Marke Brent wurden unterhalb von 80 Dollar je Barrel gehandelt. Und Mitte der Woche gab Saudi-Arabien eine zusätzliche Verringerung der Preise für die Februar-Lieferungen bekannt. Der Konzern Saudi Aramco senkte die Preise für alle Ölsorten, die im Februar nach Asien und in die Mittelmeerregion geliefert werden. Die Barrel-Preise wurden um mehr als einen Dollar herabgesetzt. Aber den internationalen Ölpreisen zu folgen, wird für Russland zu einer sinnlosen Angelegenheit, da sich der Bonus für russisches Erdöl der 40-Prozent-Marke nähert.

Bei Preisen für russisches Erdöl um die 50 Dollar je Barrel werde der Haushalt Russlands rund 2,1 Billionen Rubel weniger Erdöl- und Erdgas-Einnahmen im Vergleich zu den im Etat vorgesehenen 8,9 Billionen Rubel selbst bei einer Beibehaltung der Förderung im Umfang von zehn Millionen Barrel am Tag erhalten, berechneten Experten des Telegram-Kanals MMI. Wenn Exportpreise von 45 bis 50 Dollar je Barrel der Marke Urals für die Russische Föderation zu einer neuen Realität werden würden, müsse das Finanzministerium bereits in diesem Jahr zu einem Spar-Regime übergehen und ab 2024 eine strukturelle Umgestaltung der Etat-Politik beginnen, sagen die Experten voraus.

Über den Plan einer Aufstockung der Einnahmen des Haushalts der Russischen Föderation durch punktuelle Beiträge des Big Business informierte am Wochenende Bloomberg. Laut kursierenden Gerüchten gehe es um einmalige Zahlungen aus der Kohle- und der Chemieindustrie, aber auch um erhöhte Dividende von staatlichen Unternehmen. Bloomberg berichtete dabei über eine Anweisung des russischen Regierungschefs, deren Kopie der Agentur angeblich vorliege. Laut Aussagen von Staatsbeamten sei die Entscheidung über die Höhe der einzunehmenden Beiträge und Dividende bisher nicht getroffen worden. Ihre Höhe werde wahrscheinlich entsprechend den Ergebnissen des ersten Quartals bestimmt werden.

Zusätzliche Ausgaben stehen auch dem US-amerikanischen Haushalt bevor. Am Donnerstag tauchten Meldungen auf, wonach die USA den Kiewer Offiziellen ein neues Paket an militärischer Hilfe im Umfang von 2,85 Milliarden Dollar geschnürt hätten. Zur neuen Portion von Lieferungen werden erstmals mehrere dutzend unifizierte Schützenpanzer vom Typ Bradley gehören, meldete die Nachrichtenagentur Associated Press unter Berufung auf offizielle Vertreter. Die Lieferungen von Panzertechnik für Kiew forciert auch Deutschland, das bisher um eine Energiekrise herumgekommen ist, die ihm unter anderen von russischen Staatsmedien süffisant vorausgesagt worden war. Klaus Müller, der Chef der Bundesnetzagentur, erklärte am Samstag, dass der diesjährige Winter aus der Sicht der Gasversorgung für Deutschland gerettet sei. Nach seinen Worten seien die Untergrundgasspeicher (UGS) in Deutschland zu mehr als 90 Prozent gefüllt. „Wir haben das gesamte Jahr 2022 insgesamt 14 Prozent weniger Gas als im Jahr 2021 verbraucht“, erklärte Müller. Er ist der Auffassung, dass die Speicher am Ende des Winters noch zu mehr als 50 Prozent gefüllt sein werden. Der bundesdeutsche Beamte erinnerte daran: „Gas kostet aktuell wieder so viel wie im Dezember 2021“. Nach seiner Meinung erfolge dies hauptsächlich, weil „Europa seine Gasspeicher erfolgreich aufgefüllt und damit möglichen Spekulationen die Grundlage entzogen hat“.