Das deutsche Internetportal Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) veröffentlichte ein in die Hände seiner Journalisten geratenes Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages darüber, ob die Ausbildung ukrainischer Militärs in Deutschland und Waffenlieferungen durch das Land an Kiew aus völkerrechtlicher Sicht eine Beteiligung an einem Krieg gegen Russland sei. Allem nach zu urteilen bewegt dieses Thema die deutschen Politiker und vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz, der geneigt ist, jegliche Aktivitäten auf dem Gebiet von Lieferungen schwerer deutscher Waffen aus der Sicht eines Vermeidens der Involvierung Deutschlands in eine direkte Auseinandersetzung mit Russland zu betrachten. Und somit auch, wie er jüngst gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erläuterte, „eines Vermeidens einer Eskalation zu einem Dritten Weltkrieg“. Selbst bei seinem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos wie auch in den Antworten auf direkte Fragen nach der Entsendung deutscher Panzer in die Ukraine ließ Scholz sie offen.
Wie sich herausstellte, war dieses 12-Seiten Dokument unter dem Titel „Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“ bereits am 16. März 2022 aufgetaucht, als in Deutschland die Frage nach der Lieferung von Flugabwehrkanonenpanzer Gepard an die Ukraine diskutiert wurde. Wie das Nachrichtenportal unter Berufung auf die Einschätzungen der Parlamentsjuristen betont, dominiere vorerst die Meinung, dass die Unterstützung der Ukraine durch die westlichen Länder mit Waffen nicht als die Führung eines Krieges durch sie gegen Russland gewertet werden. Und dies werde fortgesetzt werden, solange der Westen nicht unmittelbar an den Kampfhandlungen teilnehmen werde. Nach Meinung der Juristen des Bundestages hänge dies aus der Sicht des Völkerrechts weder vom Umfang der in die Ukraine zu entsendenden Waffen als auch nicht davon, ob sie Offensiv- oder Verteidigungswaffen seien, ab. In der Analyse wird jedoch darauf verwiesen: „Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen“.
In dem Dokument wird erklärt, dass die UNO-Charta jeglichem Staat erlaube, das Land zu unterstützen, auf das ein Überfall verübt worden sei, und werde dabei zu keiner „Konfliktpartei“. In diesem Fall nehme dabei der unterstützende Staat eine nicht-neutrale, gleichwohl aber am Konflikt unbeteiligte Rolle ein. Und der Begriff „Nichtführung eines Krieges“ ersetzt den Begriff der traditionellen Neutralität. So sehen deutsche Juristen die Situation (wobei angemerkt sei, dass die Autoren des erwähnten Bundestagsdokuments umfangreich auf andere Autoren in unterschiedlichen Medien verweisen – Anmerkung der Redaktion).
Für Berlin bestehe aber das Problem darin, meint das Portal RND, dass ukrainische Soldaten bereits eine Ausbildung in Deutschland erhalten (in dem Zusammenhang sei angemerkt, dass laut deutschen Presseberichten angebliche Versuche seitens Russlands registriert wurden, Spionage in Bezug auf diese Ausbildung zu betreiben – Anmerkung der Redaktion). Das RedaktionsNetzwerk Deutschland zitiert Worte der in der vergangenen Woche zurückgetretenen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die bei einem Besuch des US-Stützpunktes Ramstein gesagt hatte: „Wir arbeiten mit unseren amerikanischen Freunden zusammen, während wir die ukrainischen Truppen im Umgang mit Artilleriesystemen auf deutschem Boden schulen“.
Diese Handlungen könne man nur eindeutig bewerten. Wie sich diesbezüglich Zaklin Nastić von den Linken im Verteidigungsausschuss des Bundestages äußerte, „haben die Regierungskoalition und CDU/CSU mit ihrer Entscheidung über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine und der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland Deutschland zu einer aktiven Konfliktseite gemacht“. Mit diesen Handlungen, meint sie, setze die Bundesregierung ganz Europa vollkommen einer unkontrollierbaren Gefahr aus, die im schlimmsten Fall mit einem Nuklearkrieg enden werde.
Für Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), betont das Nachrichtenportal, „bedeutet das Auftauchen westlicher Streitkräfte in der Zone der Kampfhandlungen ein Überschreiten roter Linien für eine Nichtbeteiligung des Westens an dem Krieg“. Aber aus der Sicht der Parlamentsjuristen wäre dafür ein Starten von durch ukrainische Piloten gesteuerte Kampfjets vom Territorium irgendeines NATO-Landes aus hinreichend.
Somit, wenn man aufmerksam das veröffentlichte Dokument (https://www.bundestag.de/resource/blob/892384/d9b4c174ae0e0af275b8f42b143b2308/WD-2-019-22-pdf-data.pdf) deutscher Juristen studiert, wird klar, dass sich Deutschland faktisch bereits nicht an das Prinzip einer Nichtbeteiligung an Kampfhandlungen hält. Es entsendet nicht nur Waffen – darunter schwere – in die Konfliktzone, sondern schult auch ukrainische Soldaten, mit ihnen auf dem eigenen Territorium umzugehen.
Gerade so sehen die Situation auch die meisten Vertreter der politischen Elite Deutschlands. Nicht ohne Grund hatte es, wie das Blatt „Frankfurter Rundschau“ anmerkte, der Provinzpolitiker Boris Pistorius, der durch des Schicksals Willen Bundesverteidigungsminister geworden ist, nicht geschafft, den Versuch zu unternehmen, Journalisten die vor ihm stehenden Aufgaben, und auch schon einen groben Fehler begangen: Buchstäblich hatte er gesagt, dass die Führung des „Bundesverteidigungsministeriums auch in Friedenszeiten mit Problemen verbunden war. Aber zu Zeiten, in denen die BRD an einem Krieg teilnimmt, nicht direkt, ist dies eine noch schwierigere Aufgabe“.
„Eine Teilnahme an einem Krieg?“ merkte die Zeitung ironisch an. Solche Formulierungen vermeiden nach Möglichkeit die Scholz-Regierung und die Führung anderer NATO-Länder hinsichtlich des Konflikt in der Ukraine.