Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Sicherheitsrates der Russischen Föderation und ehemalige Präsident Dmitrij Medwedjew hat bei einem Treffen mit Journalisten erklärt, dass „man eine Änderung an der Gesetzgebung über die ausländischen Agenten vornehmen muss, in der direkt festgelegt wird, dass die Personen, die als ausländische Agenten anerkannt worden sind, nicht nur einen bestimmten Status haben, sondern auch kein Recht haben, Einkommen aus Quellen in Russland zu erhalten“. Als Beispiel führte er Schriftsteller an, die Geld für die Inszenierungen ihrer Werke erhalten.
Medwedjew verwies auf die Serie „Fandorin“ (russischsprachiger Titel „Asasel“) nach dem gleichnamigen Werk von Boris Akunin. Der Schriftsteller an sich sei nach Aussagen des stellvertretenden Vorsitzenden des Sicherheitsrates „begabt“, aber „er hat das Land verlassen, verflucht es, verflucht die militärische Sonderoperation, unsere Streitkräfte, die Jungs, die kämpfen“. Medwedjew ist darüber erstaunt, dass man „Asasel“ „das vierte Mal inszenierte“, dass man Werke gerade nach Büchern von Akunin inszenieren würde, obgleich es viele andere „Autoren historischer Phantasmagorien“ gebe. „Nun geben Sie eine derartige Antiutopie bei irgendeinem in Auftrag!“, ruft der Ex-Präsident und Ex-Premier auf. „Es darf so etwas nicht geben. Lebst du dort – so lebe. Willst du Gemeinheiten sagen – sag‘ sie. Aber du darfst kein Geld in Russland bekommen“.
„Asasel“ verfilmt man das zweite Mal. Daher ist es schwierig zu sagen, welche Inszenierungen Dmitrij Medwedjew noch im Blick hatte. Möglicherweise ging es um eine Theaterinszenierung oder ein Hörspiel. Ja, und die Auswahl Akunins als ein Beispiel ist juristisch auch nicht ganz korrekt. Der Schriftsteller befindet sich nicht in den Listen der sogenannten ausländischen Agenten. Wie dem nun auch sein mag, aber der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates ist bereits nicht das erste Mal in der Rolle eines Hardliners, die er vor einem Jahr angenommen hatte, aufgetreten.
Es macht Sinn hervorzuheben, dass bereits vor der militärischen Sonderoperation der Status eines ausländischen Agenten nicht bloß ein Label gewesen war. Die Menschen und Organisationen verloren durch dieses eine finanzielle Unterstützung, legale Sponsoren und die Möglichkeit, ihre Arbeit so fortzusetzen, wie sie es gewohnt waren. In den letzten anderthalb, zwei Jahren führte solch eine Kennzeichnung unter Berücksichtigung der Verschärfung der Gesetzgebung zu einer direkten Marginalisierung, mitunter sogar zu Strafverfahren. Begonnen wurde, einen ausländischen Agenten als einen potenziellen Extremisten, Spion bzw. Verräter ohne jegliche Vorbehalte wahrzunehmen und darzustellen. Die von Medwedjew vorgeschlagenen Maßnahmen werden bedeuten, dass ein Mensch als ausländischer Agent de facto in Russland nicht arbeiten kann, denn ein Job sieht ein Einkommen vor.
Die als ein ausländischer Agent gelabelte Person bleibt ein Staatsbürger der Russischen Föderation. Gemäß der Verfassung (Artikel 6) kann man ihr diesen Status nicht zwangsweise wegnehmen. Als Bürger der Russischen Föderation hat er ein Recht auf Arbeit und eine Vergütung dafür (Artikel 37). Die von dem studierten Juristen (!) vorgeschlagenen Gesetzesänderungen über die Einkünfte ausländischer Agenten würden aus der Sicht der Verfassung — gelinde gesagt — etwas zweifelhaft aussehen. Allerdings zeigt die Praxis, dass dies die Gesetzgeber nicht immer in Verlegenheit bringt. Und sich jetzt für ausländische Agenten einzusetzen, würde einem teuer zu stehen kommen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte in seiner jüngsten Jahresbotschaft an die Föderale Versammlung erklärt, dass Russland nicht beginnen werde, so wie der Weste und Kiew zu sein, eine „Hexenjagd“ zu veranstalten und „Rechnungen mit jenen zu begleichen, die einen Schritt zur Seite getan haben und von der Heimat abgewichen sind“. Dies konnte man als ein Signal an die Politiker und Gesetzgeber auffassen: Bei der Säuberung des Feldes muss man mitunter innehalten. Es scheint, dass die Initiativen, das Leben der ausländischen Agenten oder jener, die die Handlungen der russischen Offiziellen kritisieren, zu einem unerträglichen zu machen, ein wenig aus dem vom Präsidenten markierten Paradigma ausscheren. Die früher formulierte Idee, das Eigentum „jener, die gegen die militärische Sonderoperation sind“, zu konfiszieren, ist aus dem gleichen Bereich.
Derjenige, der in Russland Einkünfte erhält, zahlt hier auch Steuern. Aus der Sicht des politischen Populismus sieht der Vorschlag, den ausländischen Agenten das Geld zu nehmen, blendend aus. Aber in ihm gibt es wenig wirtschaftlichen Pragmatismus.
Was aber die Inszenierungen angeht, so hat man schon früher Akunin verfilmt und auf Theaterbühnen gebracht, als man Schriftsteller nicht auf eine politische Zuverlässigkeit überprüfte. Heutzutage scheint es, dass solche Überprüfungen unausweichlich sind. Das Bedürfnis an talentiert erfundenen und erzählten Geschichten wird damit nicht aufgehoben. Und per Fingerschnippen ist diese Nachfrage nicht zu befriedigen, selbst wenn der gesamte Staatsapparat alles stehen und fallen lässt und anfängt, nach Schriftstellern zu suchen oder selbst „Phantasmagorien“ zusammenzuschustern.