Die Explosion, in deren Ergebnis der Militärkorrespondent und -Blogger Maxim Fomin (Pseudonym: Wladlen Tatarskij) ums Leben gekommen ist, sei angeblich von Geheimdiensten der Ukraine unter Hinzuziehung von Komplizen aus den Reihen der Mitarbeiter der Nawalny-„Stiftung für Korruptionsbekämpfung“ (die als ein ausländischer Agent und eine extremistische Organisation gelabelt wurde und deren Tätigkeit in der Russischen Föderation verboten ist) geplant worden. Dies teilte man zumindest im Nationalen Antiterror-Komitee (NAK) mit. Und das Untersuchungskomitee der Russischen Föderation hat das Strafverfahren über die Ermordung von Tatarskij entsprechend einem strengeren Paragrafen des russischen Strafgesetzbuches – über einen Terrorakt – aufs Neue qualifiziert. Eine verdächtige junge Frau – Darja Trepowa – ist festgenommen worden.
Wladlen Tatarskij hat man am 2. April bei einem Autorenabend in einem Petersburger Café, das dem Chef der Söldnerfirma „Wagner“, Jewgenij Prigoschin, gehört, durch einen Sprengstoffanschlag getötet. Weitere 40 Personen wurden verletzt, wurde am Dienstag aus der Newa-Metropole gemeldet.
Verdächtigt wurde sofort ein Mädchen, die dem Blogger bei der Veranstaltung ein Geschenk übergeben hatte – eine Büste mit seiner Darstellung. In der war ein Sprengsatz versteckt worden, der wenige Minuten nach der Übergabe der Figur explodierte.
Nach dieser Explosion fuhr die Verdächtige, die 26jährige Darja Trepowa, in eine angemietete Wohnung und verändert ein wenig ihr Aussehen – sie zog sich um und veränderte die Frisur durch ein Abschneiden von Haaren. Für den Abend des 2. April hatte sie Tickets für einen Flug ins Ausland, die sie aber nicht nutzte. Anstelle dessen fuhr sie in eine andere Unterkunft, wobei sie mehrfach das Taxi wechselte, wo man sie in den Morgenstunden des 3. Aprils im Rahmen eines massiven Großeinsatzes von Sicherheitskräften (die Rede ist von beinahe 100 Mann) festnahm. Wie einige Journalisten berichteten, sei die Verdächtige der Auffassung, dass man sie hintergangen hätte. Auf einem Video der russischen Sicherheitsorgane, das bei der Festnahme gedreht wurde, gesteht sie ein, dass sie die explodierte Figur ins Café gebracht hatte. Aber auf die Frage, von wem sie diese erhalten habe, bat sie, später antworten zu dürfen.
Laut Angaben von Medien hätte Trepowa in persönlichen Gesprächen gesagt, dass sie für gewisse „ukrainische Journalisten“ arbeite und von ihnen Aufgaben erhalten, die mit einer Übergabe von Päckchen zusammenhängen. Sie habe nicht gewusst, dass sich in der Figur eine Bombe befinde. Sie habe gedacht, dass dort eine Vorrichtung sei, die erlaube, einen verdeckten „Zugang zu einer Person“ zu erhalten. Das heißt: Sie hatte zumindest begriffen, dass das „Geschenk“ kein einfaches ist. Anders könnte es nicht sein: Der fast 41jährige Tatarskij war ein bekannter Anhänger der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine. Und offensichtlich konnte er keinerlei Sympathien bei den ukrainischen Betreuern Trepowas (sollte die Ukraine-Version der Realität entsprechen) wie auch bei ihr selbst auslösen. Die junge Frau hatte man bei einer Aktion gegen die militärische Sonderoperation im Februar vergangenen Jahres festgenommen, meldeten die russische Staatsmedien und suggerierten damit: Einmal gegen diese Operation – für immer gegen diese. Was für eine felsenfeste Logik!
Anfangs war ein Strafverfahren entsprechend Teil 2 des Paragrafen 105 des russischen Strafgesetzbuches (Mord auf eine allgemein gefährliche Art und Weise) eingeleitet worden. Das NAK und Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des Präsidenten, bezeichneten das Geschehen als einen Terrorakt. Am späten Nachmittag des Montags bewertete das Untersuchungskomitee der Russischen Föderation – „ausgehend von den Ergebnissen der ersten Aufklärungsarbeiten“ – das Strafverfahren aufs Neue und brachte es unter den Paragrafen über einen Terrorakt (Teil 3 des Paragrafen 205 des StGB der Russischen Föderation). Jetzt suchen die Vertreter der Rechtsschutz- und Sicherheitsorgane nach den Organisatoren und möglichen anderen Teilnehmern des Verbrechens. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Kuratoren in der Tat Trepowa als Bauernopfer ausnutzten, wobei sie ihre wahre Absicht verheimlichten.
Es ist bekannt, dass die Bomben-Legerin Antikriegs- und feministische Ansichten vertrat, was in Russland sofort Verdacht auslöst. Ihr Gatte Dmitrij Rylow – ein Mitglied der in Russland nicht registrierten Libertarier-Partei – lebt schon seit langem im Ausland. Nach seinen Worten hätte er nichts von den Aktivitäten Darja gewusst und lediglich geholfen, nach dem Geschehen einen Unterschlupf zu finden. In der Partei erklärte man, dass Trepowa in keiner Weise mit ihnen liiert gewesen sei und verurteilten „aggressive Gewalt gegenüber Zivilisten“.
Im Nationalen Antiterror-Komitee behauptete man aber derweil, dass der Terrorakt „durch Geheimdienste der Ukraine unter Hinzuziehung von Komplizen aus den Reihen von Personen, die mit der sogenannten Stiftung für Korruptionsbekämpfung (Alexej) Nawalnys zusammenarbeiten und deren aktive Anhängerin die festgenommene Trepowa ist, geplant wurde“. Wie einige Medien berichten, hatte Trepowa wirklich Anfang des Jahres 2021 an Aktionen zur Unterstützung des damals festgenommenen Gründers der Stiftung für Korruptionsbekämpfung, Alexej Nawalny (ist im Register Russlands für Extremisten und Terroristen und zu einer langen Haftstrafe aufgrund angeblicher Betrugshandlungen verurteilt worden), teilgenommen. Ukrainische Offizielle und die Stiftung haben erklärt, dass sie nichts mit dem Sprengstoffanschlag zu tun hätten. Jedoch war früher eine ukrainische Spur in anderen spektakulären Terrorakten gefunden worden – bei der Ermordung von Darja Dugina, die ebenfalls eine prominenente Verteidigerin der militärischen Sonderoperation gewesen war, und bei dem Sprengstoffanschlag auf die Krim-Brücke im vergangenen Jahr.
„Es ist an der Zeit, völlig offensichtliche Sachen zu begreifen. Wenn irgendwer in Ihrem Beisein sagte, dass er Geld oder Arbeit aus ukrainischen Quellen erhalte, so hat eben dieser mit einer überaus großen Wahrscheinlichkeit den Weg eines Verrats betreten. Und bereits eine Straftat begangen. Er ist ein Feind. Und über ihn muss man die Geheimdienste oder Rechtsschutzorgane informieren“, warnte Dmitrij Medwedjew, Russlands Ex-Präsident und stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrates.
Post Scriptum
Mit seinen Worten machte Medwedjew deutlich, dass man in Russland wohl weiter das Denunziantentum entwickeln müsse. Da werden Erinnerungen an die Repressalien aus der Stalin-Zeit wach, die oft nach einer Bespitzelung und nach denunzierenden Meldungen folgten. Freilich entsprechende Prämien und Kopfgelder sind bisher nicht ausgelobt worden. Dagegen wird der Prozess der Sakralisierung von ums Leben gekommenen Verfechtern und Anhängern der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine fortgesetzt. Präsident Putin unterzeichnete am Montag einen Erlass, dem entsprechend Maxim Fomin alias Wladlen Tatarskij posthum mit dem Tapferkeitsorden ausgezeichnet wurde.