Am Samstag war es am Elbe-Ufer, unweit des Fahnenmonuments an der Stelle, wo sich sowjetische und amerikanische Truppen am 25. April 1945 getroffen hatten, belebt. Traditionell legten Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei Kränze nieder und traten mit Reden auf. Danach aber lösten sie Vertreter einer Bürgerinitiative der Stadt, die in ihren Reihen Einwohner von Torgau und umliegender Bundesländer ohne eine konkrete Parteizugehörigkeit vereint, ab.
Der „NG“-Korrespondent hatte die Gelegenheit, der neuen Initiative, die durch den einheimischen Unternehmer Steffen Hache geleitet wird, gewisse organisatorische Unterstützung zu leisten. Er hatte die Zustimmung des Bürgermeisters für die Durchführung der Veranstaltung, die unter der Losung „Torgau für Frieden“ erfolgte, erhalten und sogar Vertreter der US-amerikanischen Botschafter in Berlin und des russischen Generalkonsulats in Leipzig zu dieser eingeladen. Die Amerikaner lehnten gemeinsame Veranstaltungen mit ihren russischen Kollegen ab. Und russische Diplomaten, die zwar, wie die Moderatorin von der Bühne aus erklärte, zugegen waren, sind aber nicht aufgetreten.
Möglicherweise hing dies mit der am Samstag aufgetauchten Information über die Ausweisung von mehr als 20 russischen Diplomaten wegen Spionage durch das Auswärtige Amt zusammen. Gerade in den Morgenstunden dieses Tages hatte ein speziell nach Berlin geflogenes Passagierflugzeug Diplomaten und deren Familien ausgeflogen. Obgleich eine andere inoffizielle Version unter Berufung auf das Generalkonsulat lautete, dass am Vorabend des Meetings DKP-Chef Patrik Köbele angerufen, sich als Mitorganisator der Veranstaltung vorgestellt und die russischen Diplomaten gebeten hätte, nicht zu ihr zu kommen.
Die Kommunisten kann man natürlich verstehen. Die Partei ist nicht populär (ihre Mitgliederzahl beträgt 3507 Personen), und das traditionelle Meeting an der Gedenkstätte ist augenscheinlich eine der wenigen Massenveranstaltungen, bei der sie an sich erinnern konnten. Es ist bedauerlich, dass jene wenigen Linken, die immer noch Sympathie für Russland empfinden, sich in kleine Zwistigkeiten verwickelten, anstatt sich über eine Zusammenarbeit mit anderen friedliebenden Kräften des Landes zu einigen. Obgleich, unter Berücksichtigung dessen, dass sich die Deutsche Kommunistische Partei über Jahrzehnte hinweg unter einer ständigen Kontrolle und Beobachtung seitens der deutschen Geheimdienste befand, ist auch nicht ein Eindringen deren Agenten in die Reihen der heutigen Kommunisten auszuschließen.
Anstelle russischer Diplomaten tauchte auf dem Großbildschirm der Bühne der stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft „Russland-Deutschland“ und stellvertretende Direktor des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Wladislaw Below, auf. Seine Rede erklang gerade zeitgemäß als eine Warnung an die Adresse des politischen Establishments der Bundesrepublik. Nicht ohne Grund heißt es in der Erklärung des russischen Außenministeriums vom 22. April zur Ausweisung deutscher Diplomaten, dass Berlin weiterhin „demonstrativ das gesamte Massiv der russisch-deutschen Beziehungen inklusive ihrer diplomatischen Dimension zerstört“. Wortwörtlich wird betont, dass die russische Seite entschieden diese Handlungen Berlins verurteile.
Below unterstrich, dass Berlin mit der Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine und der Finanzierung Kiews Benzin ins Feuer des bewaffneten Konflikts gieße. Und dies dürfe es nicht geben. Mit einer Fortsetzung eines derartigen Kurses nähere sich Deutschland einer überaus gefährlichen Grenze, hinter der ein Nuklearkrieg in Europa schon nicht auszuschließen sei. Man müsse sich dessen erinnern, dass Deutschland die Schuld an zwei Weltkriegen trage. „Eine Wiederholung dieser Geschichten dürfen wir nicht zulassen“, sagte Below (der dabei die Argumentation Berlins hinsichtlich der Hilfe für die Ukraine ausklammerte, denn die deutsche Seite vertritt die Auffassung, dass sie Kiew bei der Wahrnehmung des Rechts auf Selbstverteidigung helfe – Anmerkung der Redaktion).
Er tangierte auch die symbolische Bedeutung des Handschlags an der Elbe. Das Denkmal zu Ehren des Treffens von Soldaten der 1. Ukrainischen Front und der 1. US-Army vereine uns auch nach 78 Jahren. Und das Zusammentreffen, dass in die Geschichte als Handschlag in Torgau in die Geschichte eingegangen ist, markierte die letzte Phase des Zweiten Weltkrieges. Heute müssten Russland und Amerika versuchen, die zerstörten Brücken in unserem Bewusstsein wiederherzustellen und beginnen, miteinander zu sprechen. Dies betreffe natürlich auch die Beziehungen Russlands und Deutschlands.
Aufmerksamkeit verdient auch der Auftritt des deutschen Schriftstellers Wolfgang Effenberger bei dem Meeting zum Elbe Day, der sagte: „Das Bild vom Handschlag von Torgau auf der zerstörten Elbbrücke ging um die Welt. Es war ein Zeichen für das bevorstehende Kriegsende und die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.“ Es vereine Erinnerung mit Gedenken „mit der Mahnung, den Frieden zu bewahren“. Der Schriftsteller sprach von der Gründung der NATO mit dem Ziel der Verhinderung einer Verbreitung des Einflusses der „Russen in Europa“ und einer Kontrolle über die Deutschen. Seitdem hätte sich nichts geändert. In diesem Zusammenhang erinnerte der 77jährige Effenberger an den Sturz des legitim gewählten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch durch einen Putsch. Janukowitsch hatte sich einer Unterzeichnung der Dokumente über einen Beitritt zur EU und dementsprechend eines NATO-Beitritts enthalten. Die Tatsache, dass die in Kiew nach dem Umsturz an die Macht gekommenen Politiker die Ukraine aktiv in die NATO treiben, verstärke nur die Konfrontation mit Russland und mache ihre Folgen zu unvorhersehbaren, meinte Effenberger.
Das Meeting ging mit einem Auftritt eines Chors von Torgau-Einwohnern und mit dem Aufsteigen weißer Tauben als ein Symbol der Hoffnung auf Frieden in den Himmel zu Ende.