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Europa strebt eine vollständige Isolierung Russlands an


Der Juni-Anfang wurde von politischen Aktivitäten in der europäischen Arena geprägt. Am 1. Juni fand in Kischinjow, genauer gesagt: auf dem im 19. Jahrhundert errichteten Schloss Mimi, 35 Kilometer von der Hauptstadt Moldawiens, das 2. Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft statt. An ihm nahmen 47 Staats- und Regierungschefs europäischer Länder (darunter der ukrainische Präsident), aber auch der Präsident des Europäischen Rates sowie die Vorsitzenden der Europäischen Kommission und des Europaparlaments teil.

Zur gleichen Zeit (am 31. Mai und 1. Juni) fand ein informelles Treffen der Außenminister der NATO-Mitgliedsländer statt. Es galt der Vorbereitung zu einem anderen Summit, dem des Nordatlantikpaktes im Juli in Vilnius.

Das Hauptthema der Tagesordnung beider Foren waren die Ereignisse in der Ukraine. Deutschlands Vertreter ließen es nicht aus, deren Tribünen für eine Verurteilung Russlands auszunutzen. Auf Schloss Mimi charakterisierte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz die russischen Aktionen in der Ukraine als eine „Demonstration von Imperialismus“. In einem Pressestatement betonte er, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ein Hauptproblem sei, der die europäische Friedens- und Sicherheitsarchitektur infrage stelle. Und gerade Russland stelle angeblich „jeden Tag eine furchtbare Bedrohung für die Ukraine und die Menschen, die dort leben“, dar. Der Kanzler machte keinen Hehl daraus, dass der Grundgedanke des Treffens in Bulboaca in einer Unterstützung für die Ukraine bestehe.

Deutschlands Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verkündete ihrerseits bereits in Oslo eine Verstärkung der Zusammenarbeit der NATO-Länder mit der Ukraine.

Die Bildung der Europäischen Politischen Gemeinschaft ist eine neue Erscheinung in der politischen Arena Europas. Und mehr noch, sie wird als ein neues Element der europäischen diplomatischen Architektur angesehen. Wie der Auslandsdienst des öffentlichen Hörfunks in Frankreich, RFI, meint, sei die Europäische Politische Gemeinschaft durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron konzipiert worden. Ihr Sinn besteht darin, jene europäischen Länder in den Einflussbereich der Europäischen Union zu bringen, die noch nicht Mitglied in dieser Gemeinschaft sind. Interessant ist, dass sie in dieser Hinsicht an die Versuche der Etablierung der „Östlichen Partnerschaft“ für eine Reihe postsowjetischer Staaten in den Jahren 2008-2009 erinnert.

Heutzutage geht es aber bereits um eine größere Reichweite, da die Frage der Konkurrenz Russlands und der EU im Ringen um die postsowjetischen Staaten in die Phase einer direkten militärischen Konfrontation übergegangen ist, wie das Beispiel der Ukraine zeigt. Und der Westen sieht bereits kein Vorhandensein und gar eine Notwendigkeit von Kompromissen. Die Frage dreht sich um eine Isolierung Russlands aus völkerrechtlicher Sicht, wie dies auch der deutsche Kanzler formulierte.

Unter den entstandenen Bedingungen wird die Frage eines NATO-Beitritts der Ukraine nicht von der Tagesordnung genommen. Und – allem nach zu urteilen – wird es unter den Bedingungen einer vollständigen Isolierung Russlands sowohl für Kiew als auch für die NATO-Länder, die es in seiner Konfrontation mit Russland unterstützen, einfacher werden, gerade diesen Schritt zu unternehmen. Es ist kein Zufall, dass bei dem informellen Treffen in Oslo laut einer Mitteilung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gerade die Frage nach weiteren Schritten hinsichtlich einer Annäherung der Ukraine und der NATO erörtert wurde. Insbesondere die Anhebung des Status der NATO-Ukraine-Kommission bis zum Niveau eines Rates. Stoltenberg hält nach wie vor einen NATO-Beitritt Kiews für real, obgleich er sich auch schwertut, konkrete Zeiträume und Termine zu nennen.

Es steht außer Zweifel, dass diese Frage nur auf den Schlachtfeldern in der Ukraine gelöst werden kann. (Und dort versucht Moskau mit aller Macht, einen NATO-Beitritt des Nachbarlands zu verhindern. – Anmerkung der Redaktion) Daher treten heutzutage führende europäische Politiker unison mit Einwänden in Bezug auf Friedensgespräche auf. Und dies ungeachtet der zahlreichen Versuche sowohl seitens Chinas als auch der BRICS-Länder und gar der Sondierungsversuche hinsichtlich einer möglichen Friedensmission des Vatikans, einen Verhandlungsprozess zwischen Kiew und Moskau zu organisieren.

In Europa begreift man die Realität von Friedensverhandlungen in der Perspektive, ist aber nicht unter den Bedingungen der durch Kiew erlittenen territorialen Verluste zu ihnen bereit. Allem nach zu urteilen ist gleichfalls für den Westen eine Beteiligung des russischen Staatsoberhauptes inakzeptabel, der sich bei solchen Verhandlungen als ein Sieger fühlen und Europa – und nicht nur Kiew – die politische Tagesordnung diktieren könnte.